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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Galland, Georg: Die Reform der Künstler-Jury [1]
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Zimmern, Helen: Ein Besuch bei Rodin
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https://doi.org/10.11588/diglit.61999#0011

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Nr. s

Die Kunst-b)alle.

3

in der menschlichen Natur zu liegen. Die großzügigen
Menschenfreunde gehen höchst selten aus den Reihen
der Geknechteten hervor. Die folgen vielmehr den er-
lebten Beispielen und entwickeln sich stetig zu noch
härteren Ausbeutern.
So haben auch die „Sezessionen" gleich munter
angefangen, unfügsamen Genossen den Standpunkt in
ihrer weise klar zu machen. Das führte zu fort-
währenden Spaltungen. Aber solcher wechsel ließ
wenigstens frisches Leben vermuthen. Das Verhalten
der sezessionistischen Jury hat trotzdem noch kein Un-
parteiischer bisher als Fortschritt bezeichnen können.
Von außen besehen blieb Alles nämlich beim Alten;
doch in der Praxis erlaubte man sich gewisse Schroff-
heiten und Einseitigkeiten . . . Rechenschaft braucht
der mächtige Führer, der gleichzeitig das oberste Richter-
amt bekleidet, ja Niemandem abzulegen: er, der in
seinem Ureise nicht nur der Regent ist, sondern auch
gleichsam der summu8 6piscopn8 der Partei, deren
sakrosankte Grundsätze er in Verwahrung hat.
Nicht daß diese Jury im Allgemeinen künstlerisch
höhere Anforderungen stellte. Ihre Anforderungen
richteten sich nur nach einem neuen kritischen Gesichts-
punkte, der sich allein mit dem Begriff „modern"
befreundete. Ihn wählte man als Maßstab gegenüber
Kunstwerken, um dafür die hergebrachten Begriffe von
„gut" und „schlecht" oft völlig bei Seite zu lassen. So
konnte es kommen, daß selbst die glänzendste Routine
hier die Segel streichen mußte vor der ärmlichen Arbeit
eines Stümpers, dessen Ausdrucksweise ja immer einen
persönlichen Grad von Unbeholfenheit zeigen wird
und daher bei mancher sezessionistischen Jury der Vor-
stellung von eigenartigem modernen Schaffen schon
entspricht. Die Künstler aber, deren persönliche
Note bei ihrer ausgereiften Technik nicht zur Geltung
gelangt, werden wohl immer auf eine schlechte Behand-
lung dieser Jury gefaßt sein müssen.
Also, in der Frage der Reform der Künstler-Jury
ist von Seiten der „Sezessionen" nichts geschehen. Und,
offen gesagt, aus einem Kreise, wo so oft die subjektive
Laune eines Malers als künstlerische Offenbarung ge-
feiert wurde, wird das Lseil dieser Reform niemals zu
erwarten sein.
(Lin II. Artikel folgt.)


Lin Zeruck bei Win.
von bselen Zimmern, Florenz.

^^s war nicht zum ersten Mal, daß ich kürzlich
Rodin's Atelier betrat, jene zwei Schuppen,
die der französische Staat einigen bevorzugten Künstlern
auf dem Gelände der Ausstellung von ssjOO zur Ver-

fügung stellte. Ich hatte während Rodin's Reise nach
Prag die Schlüssel dieses Ateliers von einem Freunde
erhalten und mein Vorrecht fleißig zur Umschau in den
Räumen benutzt . . . wie anders aber, als er dann
selbst den Ticerone und Erklärer machte! Die Kunst
Auguste Rodin's bedarf für den Uneingeweihten zu-
weilen der Erklärung, wie er zu seinem Nachtheil hat
erfahren müssen. Selbst heute noch, wo sein Einfluß
auf die jüngere Generation unverkennbar ist, wird er
vom großen Publikum nicht verstanden; erfuhren doch
einige im Auftrag für öffentliche Plätze geschaffenen
Statuen von ihm, wie sein Balzac, sein im diesjährigen
Salon ausgestellter Victor bsugo Widerspruch und Ab-
lehnung.
„Sie hatten kein Glück damit," bemerkte ich im
Einblick auf das letztere Werk.
„Nein," sagte er, „ich habe die akademischen Vor-
urtheile noch nicht überwunden. Doch fand ich meine
Ermuthigung anderweitig; so durch die mir in London
gewordene Aufnahme, und jetzt durch diese Ehrungen
in Prag! Uebrigens habe ich mich noch niemals ent-
muthigen lassen. Ich habe von Anfang an kämpfen
müssen. Die Welt will mir's nicht glauben, daß ihre
konventionellen Schönheitsbegriffe unrichtig sind. Und
das wundert mich nicht, bsabe ich es doch selber erst
lernen müssen. Zwar habe ich nie den akademischen
Studiengang durchgemacht, doch verkehrte ich mit
Kunstschülern und lebte in ihrer Atmosphäre. Daraus
mußte ich mich erst befreien, und leicht ist es mir nicht
geworden. Zuvörderst hatte ich, um mich pekuniär un-
abhängig zu machen, die Ideen Anderer auszuführen.
Darauf konnte ich erst an meiner künstlerischen Eman-
zipation arbeiten. Gelernt habe ich von der Natur
allein; ich modellirte einfach, was ich sah, und das
wurde dann von den Ausstellungen zurückgewiesen.
Ueber die Skulptur habe ich meine besonderen An-
sichten, und dazu gehört auch, daß es nicht genügt,
rund um das Modell zu gehen. Ich beginne damit,
es von oben zu betrachten. So gelange ich zur Kennt-
niß der Struktur, der Umrisse, zur Anlage seiner
Profile. Ich erachte dies für ganz wesentlich, und es
ist meine ureigenste Idee. Ferner bin ich gegen die
Pose, gestatte auch meinen Modellen nicht, eine solche
anzunehmen. „„Sitzen — stehen Sie, wie es Ihnen
beliebt,"" sage ich ihnen; „„aber nur recht bequem,
ohne Zwang."" Man vermißt an meinen Bilderwerken
die Ruhe, welche Lsaupterforderniß der Plastik sein soll.
Und die glatte Oberfläche der klassischen Vorbilder wird
stets gegen meine rauheren und mehr Leben zeigenden
Gestalten angeführt. Ich meine nun, daß die modernen
Bildhauer nicht zu modelliren verstehen. Nehmen Sie
mal eine antike Statue vor und beleuchten langsam
Linie für Linie mit einer Kerze. Da besteht die Kunst
im verbergen der Kunst. Unter dieser glatten Ober-
fläche liegt die innere Struktur verhüllt, gerade wie
beim Menschen auch. Ls ist alles da, Knochen,
Muskeln, Sehnen. Das Ideal der Alten war, die Be-
 
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