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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Rapsilber, Maximilian: Die Kunst im kaufmännischen Verkehr
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Grosse Berliner Kunstausstellung 1903
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https://doi.org/10.11588/diglit.61999#0335

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Nr. ssi Die Kunst-Halle. 29 l

mittlerweile ein neuer Künstlertypus von durchaus
weltmännischer und salonfähiger Haltung alle Er-
scheinungen des merkantilen Lebens künstlerisch zu
meistern und vornehm zu präzisiren anfängt. Aller-
dings fehlt dem deutschen Künstler noch gar zu häufig
der feine und sichere Takt in der angewandten Kunst,
der dem Franzosen und Engländer aus langer und un-
unterbrochener Neberlieferung tief im Blut und be-
weglich im Handgelenk liegt, während einerseits bei
uns zu wenig feine Kunst zu finden, wuchert andererseits
zu viel von der sogenannten modernen Kunst. Das
feingezirkelte Maßhalten und die Meisterlinie der vor-
nehmen und charaktervollen Einfachheit, welche die
Stärke des Engländers, kommt den phantastisch und
vollblütig übersprudelnden Deutschen noch immer recht
hart an. Doch schon ist man sich der Fehler und
Uebertreibungen, die keinem Anfänger erspart bleiben,
klar geworden und zumal der vornehme norddeutsche
Kaufmann versteht es mehr und mehr, den ungebärdigen
Künstler kurz an der Kandare zu nehmen und auf
präzise Sachlichkeit zu dringen. So hat sich mittler-
weile in der angewandten Kunst im Gegensatz zu dem
Münchner, Darmstädter und Karlsruher Stil ein aus-
gesprochen norddeutscher und Berlinischer Stil
herangebildet, der auf strenge und elegante Knappheit oder
schlichte Kraft hält in all den Kunstgebilden, die dem
merkantilen Leben auf den Leib geschaffen sind. Und
neuerdings ist man noch einen Schritt weitergegangen,
indem mit der Begründung einer Berliner Künstler-
vereinigung „Holygon" ein planmäßig vielseitiger Kraft-
zusammenschluß ins Leben trat zur Lösung aller Auf-
gaben der angewandten graphischen Kunst und insonder-
heit der künstlerischen Neubelebung aller kaufmännischen
Verkehrsformen. Die Berlinische Intelligenz und
schneidige Energie wirken hier zusammen. Kein bom-
bastisches Programm wird aufgerollt, aber klar werden
vorerst die sicher erreichbaren Ziele gezeichnet, ohne
Ueberschwang und der eine Erfolg soll das Sprung-
brett jedes weiteren sein. Aus der ersten Lebensäuße-
rung dieser Holygon-Herren spielt eine Ruhe und sach-
liche Selbstverständlichkeit, die Vertrauen zu ihrem ernsten
Wollen erweckt. Statt aller Reklame läßt man die
Antezedentien der einzelnen Künstler sprechen und schon
aus den bloßen Namen bietet sich ein deutliches Bild
der vielseitigen Bestrebungen und Verheißungen. Es
sind da vereinigt bekannte Künstler wie Ludwig Sütter-
lin, Franz Stassen, Hermann Hirzel, Ernst Heilemann,
Albert Knab, Karl Schnebel, Franz Thristophe, Otto
Gebhardt, Georg Tippel, Max Wulff. Jeder hat sein
scharfumrissenes Künstlerprofil, und wir haben es hier
nicht mit einer Kohorte von Stürmern und Drängern
zu schaffen, sondern mit technisch wie geistig gereiften
Kräften, die gewiß nie die Hand nach den Unmöglich-
keiten ausstrecken, sondern, stark durch ihre Eigenart
und Gemeinsamkeit, den dem Kunst zugänglichen Kauf-
herrn mit zeitgemäß würdigen Leistungen entgegen-
treten werden.

Wenn also in diesen Tagen, angeregt durch die
Holygon-Begründung, die heikle Frage einer planmäßigen
Neugestaltung kaufmännischer Verkehrsformen in Berlin
zur Diskussion gestellt wird, so ist wenigstens auf einer
Seite bereits eine feste Grundlage vorhanden. Gewiß
wird eine Reform fürs Erste durch Inangriffnahme
einzelner Aufgaben von Fall zu Fall gefördert werden
können, aber von vornherein muß man doch schon den
Blick auf das Ganze haben und sich über Umfang und
Richtung der neuen Formenideale verständigen. An
sich ist ja die Reihe der künstlerischen Möglichkeiten,
die sich im geschäftlichen Verkehr aufthut, schier unüber-
sehbar. Der Berliner Handelsstand hat keine so lang
eingebürgerte Ueberlieferung wie das kaufmännische
Hatriziat in den Hansestädten und in den ehemaligen
freien Reichsstädten. So verwunderlich in der Reichs-
hauptstadt das Lhaos künstlerischer Aeußerungsbräuche,
die bislang nur in seltenen Fällen zu einwandfreier
Schönheit oder korrekter Noblesse gediehen, um so
leichter wird auch das Feld zu beackern sein, um so
frischer und fröhlicher werden die neuen Anregungen
einsetzen und zu schneller Blüthe führen, da keine alten
und von Großvaters Zeiten her geheiligten Vorurtheile
zu entwurzeln sind. Gerade Berlin zeigt große Strecken
jungfräulichen Bodens für die angewandte Kunst, an
die Stelle des dürren Sandhafers werden leichthin edle
Zierpflanzen zu setzen und gedeihlich zu akklimatisiren
sein. Der Berliner Kaufherr hat ein williges Ohr
für Vernunftgründe, er ist beweglich und regsam und
schnell geneigt zum Experimentiren, und wenn ihm der
weg von: Handel zur Kultur geläufig ist, wenn ihm
klar geworden, daß Kulturförderung auf dem Welt-
markt zur vornehmsten Repräsentation dient, so werden
ihm die Verbindungsfäden zwischen Handel und Kunst,
der edelsten und ersprießlichsten Blüte der Kultur, bald
am Herzen liegen. Daß unter seinem klaren und
scharfen Blick das Unwesen des geistlosen Schnörkels
nicht aufkommen wird, wenn er einmal den ethischen
Zweck der Kunstverjüngung der ihm geläufigen Re-
präsentivformen aus dem Fundament erfaßt hat, liegt
auf der Hand, von dem Berliner Kaufherrn erwartet
man mit Recht die Initiative in großem Stil. Auf die
tausenderlei Einzelheiten der im gegebenen Rahmen
gestellten Aufgaben können wir heute nicht eingehen.
Ls kam lediglich darauf an, das Signal und das Stich-
wort zu der sich schön anbahnenden Kunstbewegung
von der Werkstatt zum Pult gegeben zu haben.

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v9D)^^en die Erscheinung besticht, daß die Ausstellung
durch die Theilnahme gewisser Künstlergruppen
des Auslands im modernen Sinne an Reiz
entschieden gewann, dem kann entgegengehalten werden,
 
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