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Die Kunst-Halle — 8.1903

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München: Kunstbericht
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Galland, Georg: Zur Weihnachtslitteratur 1902 [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.61999#0087

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Die Kunst-Halle.

Nr. 5

7s

Prospekt des mit dem Horizonte verschwimmenden
Meeres auf; dessen großartige Stimmung die Liebes-
tragödie mächtig akkompagnirt. Das Pathos wirkt
durchaus überzeugend. Die vorzüglichsten Qualitäten
des Bildes liegen in der packenden Roloristik des Wassers
und Himmels. Auch das Porträt eines Mädchens (Aquarell)
ist frisch und flott in der Ausführung. In einer großen
Zahl von Aquarellen schildert Diemer eine Nord-
landsreise; er weiß dem Rühl-referirenden des Illustra-
tors geschickt zu entgehen. Die Bildchen sind meist mit
eminenter Frische und Treffsicherheit gemalt. Luft,
Wasser, Felsen und Schiffe sind mit scharfem Auge ge-
sehen und wiedergegeben; das Licht der Mitternachts-
sonne taucht Meer und Schiff in rosige Tinten. Außer-
dem bringt Diemer Studien vom Gardasee und weiß die
vielfachen Segelstellungen in den Regattabildern von
Cuxhaven und dem Mittelmeer mit erstaunlicher Beobach-
tung zu zeichnen. Seine Gelbilder bringen meist Motive
von der Umgebung des Gardasees. Imposant wirkt der
Blick vom Monte Baldo auf ihn herab; ein gedämpfter
Wolkenhimmel dacht sich über diese Gipfel, Wasser und
Ufer. Die Malerei wirkt durchaus großzügig, obwohl
der Blick von dieser Höhe kolossale Räume umfaßt.
Von dem im August verstorbenen Gtto Reitel ist
eine starke Zahl nachgelassener Bilder und Studien zu
sehen. Der Künstler hatte seine Darstellung hauptsäch-
lich der Thiermalerei gewidmet, dabei aber auch dem
Landschaftlichen sorgfältiges Studium angedeihen lassen.
Besonders liebte er die Rühe; er sah alles mit starker
Betonung des Pleinairs, aber er übertrieb nicht die
Wiederkäuer, in feder Bewegung scharfäugig beobach-
tet treten sie beinahe plastisch hervor. Alfred Bachmann
bringt eine Marine in differenzirtesten Tönen und einen
Reiter, dessen Pfad in der Abendsonne durch eine herbe,
innig empfundene Landschaft führt. Aus den Land-
schaftsmalereien ragt Peter Paul Mülle r's Inn-Bild
durch sein flottes Temperament hervor; auch Rocha-
nowski und Rang-Laris wären noch besonders zu
nennen.
Werke der Plastik bringt Balthasar Schmitt
nut seinen: Rinde in Marmor, dessen träumerischer Ge-
sichtsausdruck es über das Genrehafte der Anordnung
hinaus hebt, ferner G. Wrba, dessen schon anderswo
gesehene Europa von bedeutendem Rönnen spricht.
Joseph Hinterseher hat einen klaren plastischen Stil.
Das Pathos der Trauer weiß er in milder Klärung zu
geben. Ich nenne noch das überzeugende Porträt seiner
Mutter und die kraftvoll modellirten Bronzen.
Leopold Gustav.

üur VeilmsclitrMerstur IM.
I.
uch vor Ende dieses Jahres bringt der Büchermarkt
eine größere Zahl auf Kunst und Künstler bezügliches
Veröffentlichungen, von welchen wir hier eine Aus-
wahl*) aus verschiedenen Spezialgebieten vorführen wollen, in
der Hoffnnng, durch kurz gefaßte Hinweise auf Inhalt und
Tendenz, die Leser zu eigener Lektüre des einen oder andern
Buches anzuregen. Das in dieser Zeitschrift kürzlich bereits
angekündigte Lehrbuch der Anatomie und der pro-

*) vgl. auch „Bücherschau" in Nr. 5 und Nr. 6.

Portionen des menschlichen Körpers von Prof. Gtto
Geyer ist inzwischen erschienen und dürfte die Erwartungen
Vieler, welche der Meinung sind, daß in der bisherigen ein-
schlägigen Litteratur Alles schon maßgeblich geboten sei, über-
treffen. Die Geyer'sche Publikation, die bei handlichem Groß-
qnartformat sehr detaillirte Tafeln enthält, kennzeichnet sich
zunächst äußerlich betrachtet, durch die streng systematische An-
ordnung des Stoffes und die große Reichhaltigkeit der überaus
korrekten und verständlichen Zeichnungen mit ihren Konstruktions-
linien, die über alle Einzelheiten der anatomischen Bildungen
und der menschlichen Proportionen Aufschluß gewähren. Bei
der Lektüre merkt inan sodann, daß der Verfasser durchweg
aus dem Borne eigener Erfahrungen schöpft und zugleich in
der Lage ist, für gewisse wichtige Streitfragen der Proportions-
lehre die historischen Schriftquellen sprechen zu lassen u. a.
Vitruv, Dürer, Lionardo, Michelangelo und Gottfried Schadow.
Geyer vergleicht auch die von ihm nach heutigen Maßen
gegebenen Zahlen mit allen früheren Angaben bezüglich der
Verhältnisse des männlichen und weiblichen Körpers und seiner
Theile in verschiedenen Lebensjahren von der Geburt an, und
er kommt dabei zu mancherlei werthvollen Ergebnissen, nämlich
daß einzelne namhafte Autoren der neueren Zeit vielfach
geirrt haben, während seine Messungen mit denen z. B. von
Lionardo, Michelangelo und — bis auf einen Fall — selbst
von G. Schadow übereinstimmen. So darf man annehmen,
daß jeder Künstler aus diesem illustrativ und textlich höchst
instruktiven Lehrbuche praktischen Nutzen für seine Thätigkeit
ziehen, daß aber auch der Kunsthistoriker, den die Kunst-
lehren jener alten Meister theoretisch interessiren, aus dem
Korrektiv der Geyer'schen Nachmessungen einen dauernden
Gewinn haben werde.
Lin Unternehmen völlig anderer Art sind die „Bild erb o gen
für Schule und Haus", die seit einiger Zeit von der lViener
Gesellschaft für vervielfältigende Kunst herausgegeben werden
und von denen neuerdings die 25 Bl. Großformat enthaltende
Mappe IV erschienen ist. Zu einer Zeit, da das Wort von
der „Kunst im Leben des Kindes" zu einer Losung großer
Kreise geworden ist, bedarf eine Veröffentlichung vorliegender
Gattung wohl keiner weiteren Erklärung, von einer Recht-
fertigung überhaupt nicht zu reden. Es frägt sich dagegen
nur, ob die bewährte Wiener Gesellschaft ihre großartig und
weitschauend gestellte Aufgabe mit geeigneten Mitteln und
Kräften gelöst habe, soweit dies innerhalb dieser vier Hefte
mit ;oo zumeist einfarbigen, zum kleineren Theile bunten
Tafeln zu beurtheilen möglich ist. Da müssen wir denn
betonen, daß diese Bilderserien allerdings im hohen Grade
geeignet erscheinen, instruktiv im Rahmen des von der Schule
vorbereiteten historisch-vaterländischen und naturwissenschaftlichen
Lehrstoffes zu wirken, Verstand, Gemüth und Phantasie des
Schülers in edler Weise anzuregen, dank der Mitwirkung von
anerkannten trefflichen österreichischen Meistern u. a. von
I. llrban, H. Lefler, H. Schwaiger, K. Pochwalski, Brozik,
Tharlemont, R. Ruß, Tomac. Die bis jetzt erschienenen Tafeln
gliedern sich hinsichtlich der stofflichen Gruppen in Biblische
Geschichte, Sagen und Legenden, Märchen, Geschichte,
Geographie, Darstellungen aus dem Volksleben, Thierleben,
Technische Einrichtungen, wobei freilich der Geschichte und
zwar der Landesgeschichte mit Recht der größte Umfang ein-
geräumt ist. Zugleich wird man die Einrichtung willkommen
heißen müssen, daß neben dem volksthümlichen Zweck, den
dieses Unternehmen ja vor allem beabsichtigt und welchen die
Billigkeit der Tafeln wesentlich fördert, auch für die Beständigkeit
eines so werthvollen künstlerischen Bilderwerkes Sorge getragen
 
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