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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Thomas, Bertha: Londoner Kunstbrief
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Heilmeyer, Alexander: Frühjahrsausstellung der Münchener Sezession 1903
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https://doi.org/10.11588/diglit.61999#0228

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l96 D i e K u n st - H a l l e. Nr. fZ

feinster Arbeit. Die Malereien, nach Thier- und
Pflanzenmotiven, an den Vasen, Sarkophagen und
sonstigen Gegenständen sind in Bezug auf Zeichnung
und Farben gleich bewundernswerth. wir haben hier
eine künstlerische Offenbarung, gleichsam ein unge-
schriebenes Kapitel zur Geschichte der Kunst alter Zeit.
Und vor den neu gewonnenen Aufklärungen wird
vieles Bisherige nicht länger bestehen können.
Zudem ist dieser Palast, der schon ca. soOO Jahre
vor unserer Zeitrechnung zerstört worden sein soll,
erst auf den Ruinen eines anderen erbaut worden,
der einer noch viel älteren Vorzeit angehörte.
Und selbst der birgt Reste von kunstvoller Töpferarbeit
und sonstige Erzeugnisse von keinem geringen Werth.
Die weiteren Ergebnisse der Förderarbeiten, zu deren
Leitung Herr Evans jetzt wieder nach Kreta zurück-
reist, werden mit gespanntem Interesse erwartet.

Mkjskr5su55tellung Ser Mncliener
5ererrion 1SVZ.
hiesige Sezession hat am s. März in dem
>--2/ schönen griechischen Tempel am Königsplatze
wieder eine ihrer geschmackvoll arrangirten Aus-
stellungen eröffnet. Sie zeigt rein äußerlich genommen,
daß den Münchener Künstlern der Sinn für eine ge-
wisse Repräsentation angeboren ist. Daß sie es auch
nicht verschmähen, zu Zeiten nach dem guten Alten zu
greifen, und der Gegenwart zuweilen den Spiegel der
Tradition entgegen zu halten, wurde von den Häupt-
lingen der Berliner Moderne schon längst als ein
großes Aergerniß empfunden. Die hiesige Sezession
hat demnach junge und alte Gegner, solche von partei-
politischer Tendenz wegen und solche, welche es nicht
verwinden können, daß ihretwegen mancher Orten ehr-
würdige Ideale verdrängt wurden. So in Bremen,
wo sie kürzlich ausstellte und sie sich wieder einmal
hat fragen lassen müssen: was sich bei ihr eigentlich
von all den großen Hoffnungen und Versprechungen,
die sie einst ruhmredig gegeben, erfüllt habe? wer ist
Schuld daran, daß nicht alle Blüthenträume reiften?
Es wiederholte sich hier nur das alte Lied: der
schadet sich selbst, wer zuviel verspricht, aber auch jener,
welcher von einer Sache mehr erwartet, als sie den
Umständen nach zu geben vermag. Um die jetzige
Ausstellung nicht ungerecht zu beurtheilen, muß man
wissen, daß in ihr fast ausschließlich die Jugend ver-
treten ist. Sie führt in Form von Studien und
Skizzen die Früchte vor, die sie während des ver-
gangenen Sommers und Herbstes draußen in der Natur
eingeheimst hat. Man sieht es jeder Arbeit ungefähr
an, zu welcher Tages- und Jahreszeit sie entstanden
ist. wenn die Herrn es nur dabei bewenden ließen, bei
der großen Lehrmeisterin in die Schule zu gehen, ohne
jene Unarten anzunehmen, welche allen Schülern
anhaftet, nämlich von Zeit zu Zeit Anderen ins Konzept
zu sehen und das, was augenblicklich Vielen gefällt,
auch flugs nachzuahmen. Durch diese Manier des
Kopistentalents werden viele verdorben. Die zahlreichen
Studien und Skizzen liegen ausgebreitet wie eine
Musterkarte von bunten Stoffen. Aus manchem ließe
sich wohl ein hübsches Kleid zusammenschneidern; aber

darin liegt eben die Kunst. All diese Farbskizzen sind
Materialien, bunte Fäden, aus denen ein Meister schöne
Teppiche webt. Ist er ein Genie, so wirft er zur
rechten Zeit den Einschlag darein und das Bild ist
fertig, was wir in den Skizzen und Studien be-
wundern, ist die Fertigkeit des Ausdrucks und die
manuelle Geschicklichkeit, wir haben in dieser jungen
Mannschaft gut gedrillte Rekruten vor uns. Man sieht,
daß sie auf dem großen Exerzierplätze der Natur
tüchtig geschult werden: im sicheren Erfassen von Ein-
drücken, im einheitlichen Zusammengehen von Auge
und Hand, im energischen Tempo des Malens und der
Kürze und Präzision des Ausdrucks.
vor allem Anderen giebt das Stillleben Gelegen-
heit, Kunstfertigkeit zu zeigen. Die Stoffe sind oft
recht bescheiden. Lin paar Teller und Töpfe, oder ein
gerupftes Huhn genügt. Hummel hat ein paar solche
Stillleben ausgestellt, vor denen man sich fragt, ob
man sie nicht schon irgend wo besser ausgeführt gesehen
hat. Ja freilich, von Nikolaus Gysis befindet sich ein
ähnliches Sujet in der Pinakothek. Ein Geflügelhändler
wäre im Stande, beide Arbeiten treffend zu charakteri-
siren. wenn nun gerade ein solcher kein Kunstexpert
ist, so würde sein Urtheil in diesem Falle mit deni aus
der ästhetischen Geschmackssphäre hergeholten so ziem-
lich übereinstimmen. Aber an der Sache ist auch noch
etwas anderes, nämlich der raffinirte Gourmet der
Farbe, der Gysis war, hat zugleich seine malerischen
Instinkte zu wirklich vergeistigten Schöpfungen, wie
z. B. der Apotheose der Bavaria, zu heben gewußt.
Andernfalls läuft einer Gefahr, sein Leben lang ein
Farbenschmecker zu bleiben, der wohl hie und da einen
leckeren Spargel aus dem Mist zieht, ohne daß ihm
sonst eine Ahnung von der lebendigen Schönheit der
Welt aufgeht.
Und noch eins, wenn das Kolorit ganz für sich
wirkt und ein Bild nur aus einem farbigen Aufguß
besteht, so mag das wohl das Auge momentan be-
friedigen, eine fruchtbare Anregung zu einer Reihe
weiterer Vorstellungen empfängt es nicht. Zwei An-
schauungen lassen sich gegenwärtig in der ganzen künst-
lerischen Produktion verfolgen. Die eine geht darauf
aus, durch die Farbe den materiellen Tharakter der
Gegenstände zu betonen, die andere Richtung betrachtet
sie nur als ein durchsichtiges Gewand, das den Objekten
anhaftet. Diese beiden Richtungen verhalten sich zu
einander wie Kolorismus zu Impressionismus. Die
moderne Malerei basirt ja im wesentlichen auf der
letzteren Anschauung. Dies äußert sich auch deutlich
in den besonders häufig auftretenden Interieurstudien.
Hier richtet sich entweder das Augenmerk der Künstler
allein auf den farbigen Gesammtcharakter, wobei das
Detail diesem untergeordnet ist, oder es versuchen
einzelne auch wieder die Lokalfarbe der Objekte
als gleichberechtigt mehr zur Geltung zu bringen.
Man sieht die Gegenstände wieder mehr in ihrer
plastischen Deutlichkeit, in der ganzen Frische und Fülle
ihrer Farben. Das Interieur erweist sich als ein
Tummelplatz für die ersten schüchternen oder aber kecken
versuche der Anfänger, wie für das kokette Spiel mit
blendenden Effekten. Besonders in der räumlichen
Gestaltung finden sich arge Mängel. Bei der Dar-
stellung von Innenräumen vermißt man nicht selten
ein bestimmtes Raumgefüge, durch welches Bauten erst
existenzfähig erscheinen. Die Farbe soll eben dann
diesen Defekt verschleiern. Aber wir haben es hier
nur mit einfachen Uebungsstücken oder Experimenten
zu thun, welche für den Maler dasselbe bedeuten, was
für den Musiker das Spielen der Tonleiter, von den
 
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