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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Kunstbrief: Frankfurt a. M.
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Dworaczek, Wilhelm: Wiener Kunstbrief
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https://doi.org/10.11588/diglit.61999#0158

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Die Aun st-Halle.

Nr. 9

einigen Strandszenerien von verblüffender Stimmungs-
feinheit; Gilsoul geht, wie immer, den verborgenen,
xoesievollen Geheimnissen, die in den Dämmerstunden
in der friedlichen Natur ruhen, mit feinem Spürsinn
nach. — Eine interessante parallele zu Schreyers
Pferdebildern stellt der Stuttgarter F. Lckenfelder
dar. Lr ist kein Virtuos wie Schreyer, aber er hat
durch ehrliches Naturstudium eine gute Sicherheit in
der Darstellung von Pferden erworben. Allerdings ist
es nur der profane Arbeitsgaul, den Lckenfelder malt
— am liebsten vor dem Zigeunerwagen oder vor dem
Pfluge. — Line brillant gerathene Uhde-Ausstellung
verschafft diesem Meister, der in den achtziger Zähren
die Nolle des Führers und Bahnbrechers im deutschen
pleinair übernommen hatte, einen erneuten Lrfolg,
wenn auch als feststehend gilt, daß die Nuhmessonne
in der letzten Zeit sich mehr nach anderen „Nichtungen"
gewandt hat. Das hängt wohl mit dem Niedergang
des Freilichtenthusiasmus zusammen; Uhde's Spezial-
gebiet, das naturalistische Bibelbild, wird zudem von
ihm selbst nicht mehr mit feuer Konsequenz gepflegt
wie ehedem. Zn den Gartenszenen lebt aber noch ganz
der lichtfrohe Nealist, der Wirklichkeitskünstler par
exo6llen66. Lin Helles, freundliches Laubgrün, schillernde,
leuchtende Sonnenkringeln, eine auf leichte und lockere
Wirkung abzielende Hinselführung giebt den Uhde'schen
Bildern, die niemals illustrativ, immer malerisch
wirken, die Grundnote.
Zm Salon Schneider-Andreas brachte der
Frankfurter Max Noßmann eine größere Serie Land-
schaften, die wieder der Mehrzahl nach dem Odenwald
allerlei malerische Motive entnehmen. Die Technik ist
sauber und gut durchgeführt; trefflich wirkt der geschickt
in fast allen Landschaften herausgearbeitete Kontrast
zwischen schattigen Vordergründen und sonnenumflutheten
Fernen. Auf gedämpfte Stimmungen in modernem
Sinne zielt Nob. Hoffmann-Tronberg ab; hier ist
auch die Technik frei und locker gehandhabt. Die
Frankfurter Kunst brachten ferner Z. G. Morgenstern,
L. Gies u. A. mit sorgfältig durchgeführten Bildern,
wie es der hiesige Geschmack verlangt, zur Geltung.
Der Münchener Franz Hoch ist in seinen Landschaften
eiir Maler von sehr sensiblem Lmxfinden, das sich in
den in der Luftbehandlung besonders sicher wirkenden
Stimmungen mit einer wohlgeschulten Technik verbindet.
Mit einer Kollektion Thomabilder gab der ge-
nannte Salon den Freunden dieses Künstlers eine neue
Anregung; ein Schweizer Hochgebirgsbild ist ein neues
Motiv in alter, liebgewordener Art. Line Sammel-
Ausstellung holländischer Bilder bedeutet für den
Kenner und Feinschmecker wie immer einen erlesenen
Genuß. Aber er weiß auch, wie sehr diese Kollektionen
einander gleichen. Phantasien und Zdeen sind nicht
Sache der Holländer, aber Gediegenheit der Technik,
Virtuosität der Mache ist ihre Hauxtstärke. Zn ewigem
Einerlei bewegen sich die Motive: Meeresstimmungen,
Küsten- und Strandszenerien, Dünen und Marschen, auf
denen Rinder weiden, Grachten und Kanäle mit Wind-
mühlen und den Silhouetten thürmereicher Städte.
Zu den permanenten Salons hat sich seit Kurzem
ein neuer gesellt: der Salon Kranz, der in den
früheren Räumen der Frankfurter Loge am Börsenplatz
seine Hellen, freundlichen Ausstellungssäle eingerichtet
hat. Die jüngere Frankfurter Schule ist mit einer
Anzahl Serien vertreten; eine Sammlung großzügiger,
ernst stilisirter Landschaften von Rich. Kaiser-München,
eine Kollektion Holländer, deren (Qualitäten auf ge-
wohnter Höhe stehen, wären von den ausgestellten
Arbeiten besonders zu nennen. rr.

wiener Aunrtbrief.

(^^er Hagenbund hat eine Ausstellung von ;9 in Wien
zum größten Theile unbekannten Bildern Böcklin's
veranstaltet. Ob man dem Andenken des großen
Meisters damit einen besonderen Gefallen gethan, das ist
freilich eine andere Frage. Ls bedarf der ganzen Kenntniß
von der eminenten Bedeutung Böcklin's, um aus dieser
Sammlung nicht einen von den Veranstaltern gewiß nicht
beabsichtigten Eindruck der Enttäuschung mit nach Hause zu
nehmen. Denn es sei nur offen herausgesagt, wenige große
Meister haben so viele auffallend schwache Leistungen neben
dem Größten vollbracht, wie Böcklin. Und geradezu eine Aus-
wahl seiner mattesten welke ist es, die uns im Hagenbund
mit einer Pietät und Feierlichkeit, die an sich sehr löblich wäre,
xräsentirt wird. Line ganze Anzahl der ausgestellten Bilder
ist in jenem gefährlichen Stadium der Skizze oder Unvollendung,
dessen Studium nur für den Kenner Interesse besitzt, welches
das Publikum aber verwirrt und indignirt. So wenig wir
den Standpunkt verfechten wollen, daß etwa ein unvollendetes
Werk der Nachwelt gänzlich vorenthalten werden solle, eine
ganze Kollektion solcher Schöpfungen, neben welchen wenig
Reifes und Fertiges, und eigentlich Nichts steht, das den
Meister auf der vollen bewunderswerthen Höhe seiner Künstler-
schaft zeigt — hat unleugbar etwas Nachtheiliges. Das
Publikum, gewiß von dem Glanz und Ruhm des Böcklin'schen
Namens befangen und eingeschüchtert, entfernt sich kopfschüttelnd
und vermag eben diese Größe und diesen Ruhm mit dem
Geschauten nicht in Einklang zu bringen. Und diesmal nicht
einmal mit Unrecht. Die große und mit der vornehmen Farben-
freudigkeit des Böcklin'schen Pinsels durchgeführte Allegorie
„Malerei und Dichtung", das fein empfunden farbig so tief
und fein abgetönte Selbstbildnis; aus dem Jahre (in
Weimar gemalt), der im Landschaftlichen ebenso prächtig
empfundene, wie iin Figuralen vernachlässigte „Iagdzug der
Diana" (entstanden ;896 in Florenz), die tief empfundene
wirksame „Nacht" (Zürich um ;880 herum), sowie der ganz
prächtig angelegte „Rasende Roland" (nach Ariost), der aus
des Meisters letzten Jahren stammt und leider unvollendet
geblieben ist, aber in der Anlage und Komposition so viel
frische Kraft mit märchenhafter Groteske vereint — das sind
so ziemlich die einzigen Werke, die den Meister auf respektabler
Höhe seiner Kunst zeigen. Alles Andere, darunter ein un-
vollendetes Porträt Gottfr. Keller's, die während des Züricher
Aufenthaltes entstandene „Vsuns Knuäyoiuene" Z885—92?),
die ziemlich unverständliche „Judith", zwei Bildnisse der Tochter
des Meisters Frau Klara Bruckmann u. A. bedürfen viel ehr-
lichen guten Willens des Kunstkenners, um auf das Pluskonto
der Künstlerschaft Böcklin's geschrieben zu werden. Das
Publikum wird mit ihnen gewiß nichts anzufangen wißen.
Und noch eines: Zwei ältere Bilder des Meisters, der „Kentaur
und Nymphe" aus dem Jahre ;855 in Rom und „Tannen-
bewachsene Felsschlucht mit Wasserfall" (;8-t8Z9 in Basel
gemalt), sind so stark eingeschlagen und zeigen einen bedenk-
lichen Verfall der Farbe. Risse und Sprünge ziehen sich über
die ganze Fläche hin, die für die Haltbarkeit der älteren Werke
des Meisters ernstliche Sorge aufkommen lassen. Es wäre
tief bedauerlich, wenn man bei Böcklin das konstatiren müßte,
was sich bei einigen Bildern Hans Makart's erwies (und dann
allerdings von seinen Gegnern über Gebühr gegen ihn aus-
gebeutet würde): die Unhaltbarkeit der Farben, deren Kolorit
 
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