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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Harrach, Max: Düsseldorf 1902: Deutsch-nationale Kunstausstellung, Schluss [6]
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Haenel, Erich: Dresdner Brief [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.61999#0032

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Die Aunst-^alle.

22

Nr. 2

das von der Glasmalerei Floreo-Barmen mit schöner Licht-
wirkung versehen wurde. Das Verfahren besteht darin, daß
durch drei übereinander gelegte gelbe, blaue und rothe Glas-
platten eine malerische Farbenwirkung erzielt wird. Schöne
skulpturale Arbeiten dekorativen Charakters lieferten Aug.
Bagel, Carl Ls. Müller und A. Nieder, fämmtlich zu
Düsseldorf. Die imposanten dekorativen Wandgemälde der
großen Halle schuf Prof. Fritz Röber, dessen Darstellungen
vielmehr ins Fach der hohen Kunst gehören. —
Die Ausstellung am Niederrhein hat, Alles in Allem, uns
einen Einblick in das moderne, zeitgenössische deutsche Kunst-
schaffen erschlossen, wie wenige Veranstaltungen in dein letzt-
verflossenen Dezennium. Mit Fug und Recht gilt daher auch
von ihr das Wort, das Mr Kinley gelegentlich der großen
Weltschau in Buffalo in seiner Eröffnungsrede aussprach:
„Ausstellungen sind Marksteine des Fortschritts".


Ireröner Zrief.
von Erich Haenel, Dresden.

iL^n dem Chor der deutschen Kunststädte, die dies
Jahr nut großen Ausstellungen den Kampf um
—die führende Nolle in neue Lahnen gelenkt haben,
hat man wohl Dresdens Stimme mit einigem Erstaunen
vermißt. Mir konnten uns ein zeitweiliges Zurück-
treten aus der vorderen Reihe diesmal um so eher
leisten, als das vergangene Jahr die Linie der Ent-
wicklung zu einem weiteren Höhepunkt gebracht hatte,
als auch der kommende Sommer die einheimische Pro-
duktion innerhalb engerer Grenzen zu stattlicher Tagung
vereinigt sehen wird. Als erste Nummer des reichen
Programms, das der künstlerische Muins loei für den
Minter aufzutischen gedenkt, darf die Ausstellung
von Merken französischer Künstler in Ernst
Arnold's Kunstsalon wohl den Mansch rege machen,
sie möge ein gutes Minen für den Verlauf der bevor-
stehenden Kampagne sein. Denn sie lehrt uns eine
Anzahl von Meistern kennen, deren Namen als der der
eigentlichen Klassiker der modernen Malerei auch in
Deutschland genugsam bekannt ist, deren Mesen aber
bis jetzt hier nur an den wenigen Merken studirt werden
konnte, die von der Berliner Nationalgalerie auf-
bewahrt werden. Es sind dies vor allein die Land-
schaften von (850, die Rousseau, I. Fr. Millet, Torot,
Daubigny,D mz, Troyon, die Männer, denen es gelang, im
Mald von Fontainebleau — inmitten des anspruchsvollen
Lärms der historischen Romantik, des klassischen Akade-
mismus und der kühlen Realistik eines Ingres u. a. —
den schlichten und so unendlich modulatwnsreichen Ton
zu finden für die zarte Sehnsucht, die den innerlichen
Menschen der Natur in die Arme trieb. Der Sprache
dieser Poeten an wenigstens einigen kurzen Äuße-
rungen zu lauschen, wird für jeden Empfindenden einen
Genuß von besonderer Tiefe darstellen, und das ver-
langen nach bedeutenderen Arbeiten solcher Künstler aufs
stärkste beleben, von Millet, der den einzigartigen
Ruhm genießt, als Erster „aus den Elementen des
modernen Lebens Erhabenheit gemacht zu haben",
finden wir eine bräunlich getuschte Kohlezeichnung
„Familienglück", deren Komposition an Rembrandt ge-
mahnt, während doch wieder ein Zug von Monu-

mentalität den Maler des sozialen Heroenthums ver-
räth. Rousseau, der das plastische, Hartbegrenzte zum
Träger der Stimmung macht, erscheint diesmal als ein
Kolorist mit melancholischem Ernst; leider ist seine
„Abendlandschaft" zu sehr nachgedunkelt, als daß man
seinen Stil gut aus ihr begreifen könnte. Die sechs
Torots vermögen über den in Deutschland populärsten
Meister der Gruppe kaum etwas Neues zu sagen; es
ist doch ein gut Theil Rokokogeist in seinen, in Viertels-
tönen einer aufs Raffinirteste beschränkten Tonskala
hingehauchten Landschaften, was damals in Paris auch
an einigen pikanten figürlichen Kompositionell zu er-
kennen war. Daubigny's „Mondlandschaft bei viller-
ville" ist ein außerordentlich freies, ernstes Bild, ganz
wundervoll weitet sich der Helle Himmel über dem
schwärzlichen Gehölz. Daumier, den man den Michel,
angelo jener ersten Moderne nannte, ist leider nur
mit einer schwächeren Arbeit vertreten. Aus Troyon's
„Viehherde im Herbstwald" und der ein klein wenig
glatten „Morgenlandschaft" an der englischen Küste
kann mail den von Rousseau vielfach beeinflußteil
Meister des Thierbildes wenigstens ahnen, von Diaz
einige der farbeilschillernden Maldinterieurs, die mit
so erstaunlich wenigen Mitteln arbeiten, von Harpignies,
dein jetzt 83jährigen, ein Waldbild von Fontainebleau,
desfeil kräftige Farbe deutschen Vorbildern nahezustehen
scheint; schade, daß der herrliche Dupre ganz weg-
geblieben ist.
von Barbizon bis zu den Impressionisten der Land-
schaft, El. Monet, Sisley und Pissarro führt nicht eine
gerade Linie, wie inan öfters deduzirt, sondern mit der
Neuheit der technischen Ausdrucksmittel spricht sich in
ihren Merken eine Weltanschauung aus, die kaum durch
einen dünnen Faden mit der feiler Gefühlsinterpreteure
zusammenhängt. Die Analyse des Lichtes wird von
ihnen so weit geführt, als es die Sensibilität der Netz-
haut gestattet, und das, was die photographische Tainera
bisher vergeblich zu leisten versuchte, gelingt ihrer
Feinfühligkeit, ihrer gesunden Logik. Tlaude Monet's
phänomenale Technik entfaltet ihren ganzen Zauber in
der geradezu phosphoreszirend leuchtkräftigen „Allsicht
von vetheuil". Im „park von Monoeau" giebt er
eigentlich nur koloristische Accente, Wesentlichkeiten, die
der Momenteindruck hat retteu können. Sisley kommt
ihm oft sehr nahe: sein Seinebild schlägt an farbigem
Uebermuth alle anderen. Renoir's „Blick auf Villa
Franca" hat etwas wattiges; ganz auf der Höhe ist
er nur in seinen Ballet- und Kokottenszenen. Aller-
ersten Ranges ist pissarro's „Boulevard Montmartre",
ein Bild, das für Hunderte von modernen Großstadt-
ansichten unerreichtes Muster geblieben ist. Neben ihm
steht Naffaelli; die Helligkeit seiner pariser Veduten
läßt uns das Häusermeer an der Seine als ein Paradies
immerwährenden Sonnenglanzes erscheinen.
Mährend bei Arnold die Impressionisten der älteren
und der jüngeren Generation zum Iungbrunn ihrer
Kraft und Schönheit laden, stellt sich in Richters
Kunstsalon ein junger sächsischer Maler vor, dessen
Arbeiten schon früher das Interesse der Missenden
wachgerufen hatten. M. Zwintscher (Meißen) hat von
den Morpswedern in letzter Zeit bedeutsame An-
regungen empfangen, ohne an individuellem Natursinn
dabei eingebüßt zu haben. Sein Bestes steckt in der
Zeichnung; das, was R. Müller, auch G. Fischer be-
sitzen, die gewissenhafte Durchbildung der Form, ent-
schädigt bei ihm für eine gewisse Sprödigkeit des
Kolorits. Ein paar Porträtköpfe sind ausgezeichnet,
voil einer gesunden, echt deutschen Trockenheit und
Lffektarmuth; Händen, wie denen der Mutter des Künstlers,
 
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