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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Hood, Fred: Der Zufall als Künstler
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Niessen, Johannes: Ausstellung der Düsseldorfer Kunstgenossenschaft
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https://doi.org/10.11588/diglit.61999#0412

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Die Run st-Halle.

Nr. 23

Schnittflächen von Büchern, die Umschläge von Schulheften,
aber auch höchst kostbare Papiere zu Bucheinbänden, Borschlag-
blättern, Wandbekleidungen re. erzeugt werden. In technischer
lfinsicht sei nur kurz bemerkt, daß die Marmorirflüssigkeit in
der Regel durch Einkochei: des Wassers mit Traganthgummi
vder durch Mischung von Wasser mit einer Abkochung von
Flohsamen oder Larraghenmoos erzeugt wird. Erforderlichen
Falles wird die Flüssigkeit durch einen Zusatz von Leinsamen
oder Gummi verdickt, bis sie die nöthige Konsistenz erhält.
Das Marmorirwasser bringt man in eine flache Schale, welche
etwas größer ist als der herzustellende Bogen und schüttet
nun zahlreiche Tropfen verschiedener mit Gchsengalle versetzter
Farben auf die Oberfläche, indem man zunächst die Farbe
wählt, welche den Grund bilden soll, und dann die übrigen
folgen läßt. Die Flecke breiten sich aus, stoßen aneinander,
verunstalten sich gegenseitig und bilden schließlich die mannig-
fachsten Figuren, marmorartig geaderte Zeichnungen rc. Leute,
die auf diesen: Gebiete genügend Erfahrung besitzen, verstehen
cs auch, durch gewisse Eingriffe in das Spiel der Farben den
Zufall zu beeinflussen, und so ganz bestimmte Wirkungen zu
erzielen. So können sie z. B. in das bunte Gewirr eine
gewisse Ordnung hineinbringen, indem sie mit einen: kamm-
artigen Instrument über die Oberfläche der Flüssigkeit fahren;
die Farbstoffe folgen den Zähnen des Kammes, bilden so lange,
schmale Bänder, die sich dann von selbst aneinander schließen,
ohne sedoch zu verschwimmen. Man erhält dabei Muster, welche
an die Zeichnung der Pfauenfedern erinnern. Ist man nut den:
Resultat zufrieden, so legt man dann den Bogen gleichmäßig
auf die Fläche und zieht ihn rückwärts über einen quer über
den Rand der Wanne gelegten Stab. Dann hat man nur
den Bogen noch trocknen zu lassen, und das Kunstwerk ist
fertig. Natürlich hängt sehr viel von der glücklichen Wahl
harmonirender Farben ab.

Man wird nur nun vielleicht einwenden, daß der Zufall
nur dann künstlerische Wirkungen hervorzurufen vermöge, wenn
der Mensch — der es doch bekanntlich gar herrlich weit gebracht
— seine lsand im Spiele hat. Ich möchte darauf erwidern,
daß dies nur dann zutreffend ist, wenn wir allein die mensch-
lichen Zwecke ins Auge fassen. Sofern wir aber das Schöne
als Selbstzweck betrachten, so werden wir erkennen, daß der
Zufall auch völlig unbeeinflußt als Künstler waltet. An die feinen
und sehr mannigfaltigen Zeichnungen, welche der Winter
ai: unsere Scheiben malt, möchte ich hier erinnern; ich
könnte auch von den glitzernde,: Thauperlen sprechen,
welche wie Diamanten an den Gräsern hängen oder licht-
sprühend aus den Blumenkelchen hcrvorblitzcn. Aber noch
weit überraschender wirkt der Zufall, indem er die Wolken zu
gigantischen Gestalten ballt, welche wie gewaltige Götter auf
ungeheuren Felsenmassen thronen, oder aus schäumenden Wogen
emxorzutauchen scheinen, wer noch nie dergleichen gesehen,
der hat wohl noch nie den Lstmmel aufmerksam oder nur nut
ganz nüchternen Allerweltsaugen betrachtet. Für diese Leute
muß ich ein noch greifbareres Beispiel wählen, wir begegnen
dem Zufall als phansievoltsten Baumeister in Eis- und Tropf-
steinhöhlen. wer jemals eine Tropfsteinhöhle gesehen mit
ihren schimmernden wänden und Gewölben, Säulen, den
wunderlichen grotesken Gestalten, welche der Zufall allein aus
den: Absatz träufelnder, kohlensauren Kalk enthaltender Wasser
gebildet, der wird mir zugeben, daß die Menschenhand aus
demselben simplen Material kaum Aehnliches zu schaffen ver-
möchte.
Ja, selbst in ihren Launen ist die Natur noch verehrungs-

würdig. Und wenn wir bei alledem nach dem Zwecke fragen,
so müssen wir schließlich zu der Einsicht kommen, daß der
Zweck ein menschlicher Begriff ist, den das walten der Natur
nicht kennt. Man müßte denn zugeben, daß die Natur selbst
künstlerisch empfindet und das Schöne als Selbstzweck erkennt.
Doch da stehen wir vor dem welträthsel, welches wir niemals
lösen werden.


Zarmen:
Mrtelkng
Ser DikrelSorser Aunckgenorreincliffl.
^^ine imposante Heimstätte der Kunst hat die Stadt
Barmen sich in ihrer „Ruhmeshalle" geschaffen.
In den der permanenten Ausstellung freigegebenen
Räumen beherbergt der Barnier Kunstoerein augen-
blicklich außer dem künstlerischen Nachlaß von L. Fahr-
bach und einer Kollektion des Brüsselers Loucin eine
Ausstellung der Düsseldorfer Kunstgenossenschaft, wer
vieles bringt, wird Manchem Etwas bringen! Auch
vom rein künstlerischen Standpunkt aus bietet sie
manches Gute, ja sehr Gute. Ich möchte hier von
den jüngeren Landschaftern an erster Stelle w. Fritzel
nennen, der sich mit einer wohlthuendcn Natürlichkeit
und Frische giebt. Da hat man einmal, Gott sei Dank!
kein Gefühl von „Richtung" oder „Schule" oder „Stil",
das sind absolute, klare Natureindrücke, mit Sicherheit
und feinem Gefühl wiedergegeben, ohne irgendwie
ängstlich abzumalen. Seine „Novemberstimmung am
Bach" ist eins der wenigen Bilder, die in ihrem
klaren, harmonischen Zusammcnklingen der Töne und
in den: natürlichen, schlichten Reiz des Motivs den
gleichen Werth für den künstlerisch geschulten, anspruchs-
vollen Beschauer, wie für den absoluten Laien besitzt.
Luftig und hell, energisch und flott behandelt ist ferner
seine „Landschaft mit Mühle", recht farbig sein „Spät-
herbst". Nur ein „Einsamer Strand" wirkt etwas gar
zu herb und kalt. Degode, der wie Fritzel in dem
alten Kaiserswerth lebt, verläßt diesmal die ihm nahe
liegenden niederrheinischen Motive und malt Eifel.
Nicht nut besonderem Erfolg: man denkt unwillkürlich
an ähnliche Motive von Fritz v. Wille behandelt, und
der Vergleich fällt nicht zum vortheil Degode's aus.
Der talentvolle Düsseldorfer Theatermaler G. Hacker
bringt mehrere Aquarelle, von denen eine Winterland-
schaft genannt zu werden verdient. Zahlreich, aber
nicht immer gleich glücklich vertreten ist Hetersen-
Angeln. In seinen beiden Küstenmotiven, einem „Hafen
von Horckow" und einem Aquarell „Sonniger Morgen
am Hafen" erzielt er starke farbige Wirkungen und
sein „Stiller Winkel" weist manche Feinheit in der Be-
handlung auf, dagegen läßt eine „Kastanienallee" trotz
einiger koloristischer Vorzüge vom malerischen Stand-
punkte Manches zu wünschen übrig.
Schweitzer's leuchtende Winterlandschaften dürften
hinlänglich bekannt sein. Merkwürdiger weise weisen
seine beiden Bilder die gleiche störende Staffage auf,
einen Fuchs im Vordergründe, der ein wahres Un-
geheuer von einem Fuchs ist und im Verhältniß min-
destens so groß wie ein recht ausgewachsener Wolf sein
 
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