Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst-Halle — 8.1903

DOI Artikel:
Rücklin, R.: Die soziale Aufgabe unserer Kunstgewerbevereine [2] (Schluss)
DOI Artikel:
Zur Wiener Stadtmuseumsfrage
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.61999#0121

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die A u'n st - H a l l e.

Nr. 7

Ws

Wort geredet. Nicht einmal neue Vereinsverbände
brauchten im Verfolg der vorstehenden Anregungen ge-
schaffen zu werden; man würde, wie ich glaube, zu
demselben Ziele kommen, wenn man an die in kleineren
Städten ja zahlreich bestehenden Gewerbevereine eine
kunstgewerbliche Abtheilung angliederte. Doch alle
solche Linzelfragen würden sich von selbst lösen, so bald
man sich darüber einig ist, daß eine soziale Wirksamkeit
in die Breite die Zukunft unserer Kunstgewerbevereine ist.


2ur wiener 5tMmuLeunirffsge.

^/^Vank dem wiener Temperament erhalten sich
/ noch nach Zähren die Gegensätze der beiden
Kunstparteien, Genossenschaft und Sezes-
sion, in all' ihrer ursprünglichen Schärfe, Hie Welf
—- hie Waiblinger, erschallt es wieder bei Gelegenheit
der Entscheidung über die Bauausführung des Raffer
Franz Zoseph-Stad tmuseums, das auf dem Platze
der berühmten Karl Borromäuskirche Fischers von
Erlach errichtet werden soll. Bekanntlich hatte eine
Zury, der auch Mitglieder der Sezession angehörten,
dem Projekt des Bauraths Friedrich Schachner, der
ein Mitglied des Architektenklubs der Künstlergenossen-
schaft ist, den ersten Preis bei der unlängst aus-
geschriebenen, auch von uns z. Zt. besprochenen Kon-
kurrenz zugesprochen, während der Entwurf des Se-
zessions-Architekten Otto Wagner zu Aller Ueber-
raschung unprämiirt blieb. Trotzdem beruhigten sich
die künstlerischen und persönlichen Anhänger Wagner's
nicht bei dem Zuryspruche, und jetzt, da die Zeit der
Ausführung nahe steht, verlangen sie — entgegen jeder
Gepflogenheit bei Konkurrenzen — eine neue Prüfung
der Arbeiten Schachner's und Wagner's auf Grund
von extra auszuführenden plastischen Modellen der
beiden Konkurrenzentwürfe, des erstprämiirten, so-
wie des unprämiirten. psychologisch ist es wohl zu
verstehen, daß die Herren der Sezession ein Gebäude,
welches in der Hauptsache den Zwecken einer modernen
Gallerie zu dienen hätte, gern von einem der Zhrigen
erbaut sehen möchten; nur wollen sie nicht zu fest
darauf bauen, daß die künftige Moderne dem Begriff,
dem sie heute unter diesem Namen huldigen, völlig
entsprechen werde. Die künstlerische Entwicklung be-
wegt sich fast nie in auf- oder absteigender Linie,
sondern gewöhnlich im Kreislauf. Nichtsdestoweniger
soll die Psychologie jener Forderung gewürdigt sein.
Unerhört aber muß Allen ein Verfahren vorkommen,
daß einen gefällten Urtheilsspruch einfach zu Gunsten
eines Mannes aufheben will, dessen Werk — mögen
die sonstigen Werke dieses Mannes noch so verdienst-
voll und künstlerisch hochbedeutend erscheinen -- von
der zuständigen Zury bereits abgewiesen worden ist.
Zn der Geschichte der Konkurrenzen scheint mir ein
derartiges Vorkommniß jedenfalls ohne Beispiel zu sein.
Und es ist daher psychologisch mindestens ebenso be-
greiflich, daß auf der Gegenseite dem sezessionistischen
Ansinnen mit aller Entschiedenheit entgegengetreten
wird, nicht weil man für die Wirkung des Schachnerschen
Projektes in plastischer Modellirung ernstlich fürchtet,
sondern weil keine Ursache vorliegt, sich ein erworbenes

Recht verkümmern zu lassen. Die Gegner aber be-
haupten — und gaben dieser Behauptung in offenen
Briefen an den Bürgermeister der Stadt Wien den
schärfsten Nachdruck — die Genossenschaftler seien voll
Sorge darüber, daß das Otto wagner'sche Projekt im
Modell Vorzüge und Schönheiten enthüllen werde, auf
die sonderbarerweise Keiner zuvor damals geachtet
habe. Und in der Tagespresse Hetzen und wühlen die
Parteigänger der Sezession so munter, daß es eine
Freude oder vielmehr eine Schande ist: gegen „die
plumpe Barockfratze Schachner's", den „Bettelsteck der
buntgestickten Narrenjacke" und wie die liebenswürdigen
Ausdrücke dieser litterarischen Galopins sonst noch
lauten.
Folgende Schriftstücke gelangten seitens der beiden
Künstlerparteien an das Stadtoberhauxt Wiens:
I. Sezession. „Seit jenes Zurymitglied, welches
unserer Vereinigung angehört, sein Votum als Zuror
abgegeben hatte, bot sich uns kein fernerer Anlaß, zu
der Frage des städtischen Museumsbaues Stellung zu
nehmen. Da aber in den Tagesblättern vom p Dezem-
ber der Architektenklub der Künstlergenossenschaft —
also eine Privatgesellschaft — gegen die vorgeschlagene
Anfertigung von Modellen der beiden in Betracht
kommenden Entwürfe und für die unbedingte Re-
spektirung des Zuryvotums eintritt, fühlen wir uns
verpflichtet, unsere Ansicht über diese Frage auszusprechen.
Es ist bis heute noch kein Zuryverfahren gefunden
worden, das eine unbedingte Nichtigkeit des endlichen
Schiedsspruches verbürgen würde. Ferner: hat die
Stadtverwaltung einmal beschlossen, das Museum neben
der Karlskirche zu erbauen, so hat sie damit eine un-
geheure Verantwortung für den glücklichen Ausfall
dieses Unternehmens übernommen, welche die Zukunft
immer nur ihr und nie irgend einer Zury zuschieben
wird. Giebt es also ein Mittel, die Richtigkeit des
Zuryvotums zu überprüfen — und ein solches ist die
Anfertigung plastischer Modelle zweifellos -—, ist da-
durch die Möglichkeit geboten, die Sicherheit des vor-
gehens in dieser beispiellos wichtigen Kunstfrage zu er-
höhen, so ist .es ganz unfaßbar, daß nicht Laien und
Künstler demselben gleich freudig zustimmen. Der
Laie müßte glücklich sein, einen weiteren, vorzüglichen
Anhaltspunkt für die Gewinnung einer eigenen Ansicht
in dieser schwierigen Frage zu erlangen; jene Künstler
aber, welche Vertrauen in die Richtigkeit ihres Stand-
punktes haben, könnte es nur freuen, diese durch das
beste veranschaulichungsmittel, das es giebt, das
plastische Hilssmodell, erhärtet zu sehen. Schließlich er-
scheint es uns viel wichtiger, daß das vornehmste Bau-
werk Oesterreichs, die Karlskirche, die möglichst beste
Umgebung erhalte, als das Ansehen irgend einer Zury
vor Beeinträchtigungen gewahrt werde."
II. Kunstgenossenschaft. „Da die „Sezession"
Zhnen, Herr Bürgermeister, in dem an Sie gerichteten
Schreiben Angst vor der Verantwortung einer Entscheidung
in der Musenmsfrage machen will, so erlaubt sich die
Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens, daran zu
erinnern, daß für das Projekt Schachner's sowohl die
Sezessionisten, als die Nichtsezessionisten gestimmt haben.
Ls wurde das Projekt Schachner's von beiden Parteien
zur prämiirung vorgeschlagen, während das Projekt
wagner's durchsiel. Das konnte auch gar nicht anders
sein, da die Majorität der Zury nicht blind gegenüber
den großen Mängeln des letzteren Projektes war. wenn
nunmehr die Sezessionisten alle Welt bedrängen
und ihr das Projekt wagner's aufzwingen oder durch
den Kampf um die Modelle die Welt glauben machen
wollen, es handle sich bei diesem Museum einzig und
 
Annotationen