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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Grosse Berliner Kunstausstellung 1903
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Harrach, Max: Die Kunst- und Kunstgewerbe-Ausstellung in Cronberg a. T.
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https://doi.org/10.11588/diglit.61999#0337

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Die A u n st - p a l l e.

Nr. (9

293

Seiler (München), der die past in einen: Wartesaal
II. Kl. in den Mienen und Bewegungen der Reisenden
brillant zum Ausdruck bringt. Georg Roch (Berlin)
gehört nut seinen Rothröcken auf der Jagd ebenfalls
in diese Gruppe.
In der Fülle dieser Arbeiten haben zwei Bilder
des derzeitigen Ausstellungschefs, Prof. A. Kampf's,
als malerische Leistungen stärker als die übrigen an-
geregt: weniger die Tinzelfigur, der „Lachende Philosoph",
ein dummpfiffiger zahnloser Alter im gelb-rothen Talar,
als die kindlichen „Schwestern", die in Begleitung ihres
Guitarre spielenden Vaters auf einer primitiven Bühne
vor dein Publikum singen. Rampf hat sich hier von
Velazquez oder wohl mehr noch von gewissen modernen
Spaniern, deren prägnante Ausdrucksweise, tiefe und
satte Roloristik ebenso sehr Lebendigkeit wie Rraft der
Modellirung ermöglichen, augenfällig beeinflussen
lassen. . . Das einzige monumentale Gemälde ist dieses
Mal F. Klein - Thevalier's Lünettenbild für das
Rathhaus in Stolp, darstellend eine Pafenszene mit
wenigen Arbeitern, welche Lasten aufheben und schleppen,
eine auf einen grau-violetten Ton gestimmte ernste
Malerei, die an Ort und Stelle sicherlich besser als
hier in Mitten bunter Staffeleibilder wirken dürfte.
peute, wo es heißt, daß der Naturalismus wieder
einmal abgewirtschaftet, vermag das ideale Genre
von Neuem größere Rreise zu interessiren. Das Ideale
wird entweder blos mit geschichtlichen Rostümfiguren
belegt, am liebsten freilich in nackter Reinheit vor-
geführt, oder es wird aus der Geschichte selbst gezogen,
um vor uns zu demonstriren, daß die weichen und
tiefen idealen Leidenschaften der Menschheit durch die
Jahrhunderte die gleichen geblieben sind. Die be-
liebten Bezeichnungen heutiger Malereien mit Romanze,
Tanzone, Meditation etc. lassen über deren romantisch-
musikalische Tmpfindungsweise keinen Zweifel übrig.
Von den Süßlichkeiten einiger gewerbsmäßigen Ideal-
schilderer soll hier natürlich nicht gesprochen werden.
Bemerkenswerth sind dagegen die Arbeiten von Pans
Lietzmann (München), Franz Pein (Karlsruhe), F. Müller-
Münster (Berlin) und G. paenel (Dresden). Der
letztere, ein Schüler Permann prell's, giebt in seines
Meisters edel prächtiger Art einen zarten Frauenakt
auf einem Lager ausgestreckt, neben welchem ein ehr-
würdiger Greis im Rostüm des Linquecentos sein Lob-
lied auf Frauenschönheit eben beendet hat. Müller-
Münster, dessen Temperament für eine „wilde Jagd"
wohl nicht ausreicht, weiß dagegen in seiner „Romanze"
durch den milden grauen Gesammtton den Gegensatz
von ernster Ritterlichkeit und zarter Jungfräulichkeit so
feder perbheit zu entkleiden, daß Perz und Auge von
dieser Leinwand mit den lieblichen, von weißen und
gelben Rosen umgebenen Frauengestalten wundersam
gefesselt werden. Dann erwähne ich das ideale Liebes-
paar „Unter Rosen" von Müller-Schönefeld, das in der
Nähe von Aublet's ganz in Licht gebadeten, emailartig
wirkenden Frauenleibern einen schweren Stand hat.
Sonstige Frauenakte, z. B. von Genutat und Vowe,
kommen in den halbdunklen Nebenräumen der Aus-
stellung wenig zur Geltung.
Das militärische und das religiöse Genre bleiben
uns für eine folgende Betrachtung noch übrig.
G. G.


Die Almi- uoö RunLtgeverlie-Mrtelkng
in Lronberg s. L.
ronberg, das malerische Kleinod am Saume des
idyllischen Taunus besitzt seit einer langen Reihe
von Jahrzehnten eine rührige Malerkolonie.
In den fünfziger und sechziger Jahren schon zählte die
Tronberger Künstlerkolonie eine ganze Reihe bedeuten-
der Maler zu ihren Mitgliedern; der Altmeister Anton
Burger, der schon i. I. (86s) auf der Münchener Aus-
stellung mit der goldenen Medaille prämiirt wurde,
siedelte sich schon im Jahre (857 in Tronberg an und
lebt dort heute noch als Achtundsiebzigjähriger, in den
letzten Jahren leider nicht mehr in ungetrübter
Gesundheit.
Die in den Pfingsttagen eröffnete Ausstellung um-
faßt außer den Werken der Malerkolonie auch eine
Abtheilung von Arbeiten der dortigen Gewerbetreiben-
den. Die Gruppe der letztgenannten Art kann ich hier
übergehen, da sie ein mehr lokales Gepräge trägt und
zwar an die guten modernen Vorbilder sich anlehnt,
aber nirgends eine charakteristische Probe einer einiger-
maßen selbstständigen ländlichen Kunstpstege bringt —-
Arbeiten, für die man heute doch recht dankbar wäre.
Gerade in Möbeln und Lisenarbeiten, in welchen die
Tronberger pandwerksmeister Tüchtiges leisten, wäre
ein bischen bäuerische Tigenart willkommener, als die
Anlehnung an den modernen Geschmack der Großstädter.
Interessanter ist schon die kunstgewerbliche
Sammlung des Geheimraths Dr. Dettweiler von
der Kuranstalt Falkenstein, des bekannten Nestors der
deutschen Lungenheilstättenpflege. Diese Sammel-
kollektion ist ein Beweis für die Berechtigung des
künstlerischen Dilettantismus, sofern sich mit ihm
wirkliches Können und gewählter Geschmack verbinden.
Gewiß kann man der Künstlerschaft beipflichten, wenn
sie in letzter Zeit immer schärfer gegen den sog. Lieb-
Haberkunst-Dilettantismus — den die Künstler mit ihrem
privaten Schulwesen übrigens selbst züchten, Front
machen. Aber gegen gute Künstlerarbeit von Laien
dürfte sich doch kaum ein stichhaltiger Grund zur Be-
kämpfung anführen lassen, es sei denn der bekannte
„Kampf um's Brot" und in Pinblick auf diese reelle
und materielle Magenfrage ist die Lrhitterung der
Künstlerschaft gegen die Ueberwucherung des Dilettan-
tismus hegreiflich.
Dettweiler, ein alter jovialer perr an der Schwelle
der achtzig, hat während langjähriger Krankheit die
unfreiwillige Muße dazu benutzt, seine Behausung in
der Peilstätte Falkenstein nach dem Grundsätze: „Schmücke
dein peim" zu einem Schatzkäftlein selbstgefertigter
Gegenstände aus dem Gebiete der heute wieder so viel
zitirten angewandten Kunst einzurichten. Die hier
gezeigte Serie umfaßt Arbeiten aller Formen und
Techniken: von der in Eisen geschnittenen, mit Gold
und Edelsteinen verzierten Brosche bis zum kupfer-
getriebenen Beleuchtungskörper im Maßstab von etwa
(V2 Meter; vom bronzenen Treppenknauf, der eine
Büste Tato's darstellt, bis zum originell geformten
Briefkasten, der die Form eines galvanoplastischen
Riesenfrosches hat; vom eisengeschmiedeten pahn, der
ein Thor schmückt, bis zur Majolikawandschale, die
von I)r. Dettweiler modellirt und von wilh. Süs,
der ehedem in Tronberg thätig und nunmehr in der
Großherzoglichen Porzellanmanufaktur in Karlsruhe
künstlerisch wirkt, bemalt und gebrannt wurde. —
Nun zur Gemälde-Sammlung der Ausstellung.
 
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