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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Galland, Georg: Die Reform der Künstler-Jury [2]
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Imhof, Franz: Michelangelo Redivivus!
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https://doi.org/10.11588/diglit.61999#0029

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Nr. 2

Die Kunst - Halle.

Eröffnung die Nachricht: „Ein fetter Bissen" sei von
der Jury abgelehnt, dagegen seien „Vanitas" und
„Vielliebchen" als würdig erkannt worden, die Aus-
stellung zu schmücken. Nach der Eröffnung wurde dem
Maler solgende Ueberraschung zu Theil: Der als un-
würdig abgelehnte „Fette Bissen" leuchtete vergnügt in
Mitten eines der schönsten Säle des Glaspa'astes,
während „Vielliebchen" zwar im Katalog angeführt,
in der Ausstellung aber unauffindbar war. „Vanitas"
endlich — eine wundervolle dunkelblaue Leinwand —
wurde nach langem, langem Euchen in irgend einer
finstern Ecke zwischen einer Echneelandschaft und einer
hellgrünen wiese eruirt. Der betreffende Künstler
argumentirte setzt wie folgt: „Vanitas" und „Viel-
liebchen" sind, laut Mittheilung der Jury und laut
Katalog, wirklich angenommen und der bevorzugte
Platz, den der „Fette Bissen" erhalten, sei der beste
Beweis dafür, daß auch dieses Bild nicht die Ab-
lehnung verdiene . . . Und in der That: der Vor-
sitzende der Zury (sie selbst hatte sich schon aufgelöst)
schloß sich ohne Widerspruch jener Beweisführung an,
und er that wohl daran, hier gute Miene zum bösen
Epiel zn machen. Denn es lag sa kein Protokoll
vor, aus dem man über die Ablehnung des dritten
Gemäldes irgend einen Aufschluß erhielt . . . Dies
nur ein Beispiel für eine Reihe ähnlicher, die fämmtlich
die Nothwendigkeit einer Protokolliruug der Ilrtheile
über die Ablehnungen geradezu herausfordern.
wenn aber die bserren der Jury gegen diese
Einführung nichts weiter anführen können, als die
Summe von neuer Arbeit, die eine gewissenhafte
protokolliruug in der That mit sich bringt, so dürfte
damit doch wohl so gut wie nichts zur Rechtfertigung
des bisherigen „abgekürzten" Verfahrens gesagt sein.
Kiat sustitig, st psrsat mnnäus. Und da kommen die
Herren und sprechen von Bequemlichkeit, wer wollte
dann noch den Muth haben, den Nechtszustand jener
Ganz- und bsalbbarbaren zu tadeln, die ihre geknebelten
Verbrecher von Häuptlingen und Kadis kurzerhand
aburtheilen lassen?
Sollte außer dem zugestandenen Grunde nicht noch
eine heimliche Ursache die Abneigung gegen das Pro-
tokoll erklären? Sollte es am Ende gar den Be-
theiligten Scheu einflößen, ihre Verdammungsurtheile
für alle Zeiten klipp und klar festzulegen? Möglich
freilich, daß manche derartige Kritik vor der Nachwelt
noch ungleich blamabler für ihren Urheber wäre, als
vor der Gegenwart, der man diesen Urheber sorgfältig
verheimlicht. . . . Aber hat denn ein Juror nicht das
Recht, seine persönlichen Empfindungen zu haben und
— als Träger eines Ehrenamtes — für sie Rücksichten
zu beanspruchen? Nicht Zeder hat mit seiner Ueber-
zeugung zugleich den Muth, sie vor der Geffentlichkeit
voll zu vertreten.
Darauf wird nur zu erwidern sein: hier handelt
es sich nicht um die Schonung von Juroren, sondern
lediglich um die Sache der Iurirten. Ein Urtheil aber,


das nicht das Licht der Geffentlichkeit vertragen kann,
bliebe besser ungefällt. Anderenfalls scheint es mir
geradezu ein Verlust, ein so wichtiges Dokument unseres
Zeitgeistes zu unterdrücken. Das Vergnügen, proto-
kollirte Kunsturtheile der amtlichen Zensurbehörde, die
doch gewissermaßen die relativ geläuterte Kunst-
anschauung einer bestimmten Epoche repräsentiren, in
wohlverwahrten Kunstarchiven zu besitzen, verscheucht
wohl jedes Bedenken, also auch den Gedanken an die
persönliche Empfindlichkeit dieses oder jenes Jurors,
was gäben wohl unsere Kunstgelehrten dafür, wenn
derartige Protokolle über Delacroix, Millet, Böcklin
und ungezählte andere Refüsirte von früher existirten?
Kein interessanteres Ouellenmaterial wäre nachzuweisen,
keins so geeignet, den künstlerischen Geschmack einer-
gewissen Generation festzustellen und zu bewerthen.
Und dürfen wir — abgesehen von jener meinetwegen
etwas maliziösen Freude — nicht ferner überzeugt sein,
daß mit der gesteigerten Verantwortlichkeit auch eine
Vertiefung der ganzen kritischen Arbeit dieser Zury
bsand in pand gehen werde? Ohne Folgen kann es
nicht sein, wenn die bisher jeder Rechtfertigung ent-
hobene Körperschaft künftig im Geiste das nimmer
rastende Gespenst der Kontrolle, der Nachprüfung jedes
gefällten ablehnenden Urtheils, wie ein Damoklesschwert
über ihrem, nicht mehr durch Geheimhaltung geschützten
Paupte schweben sehen wird.
Aber warum diese Nachprüfung erst der Nachwelt
überlassen? Damit kann vielleicht dem Andenken des
einst Zurückgewiesenen, aber nicht mehr dem Lebenden
gedient sein. Und eben dieser hätte doch wohl das
größte Recht auf unsere Theilnahme. So halte ich es
unter gewisser Voraussetzung für wünschenswerth, die
Revision da sogleich folger: zu lassen, wo die Mög-
lichkeit eines versehens nicht ausgeschlossen erscheint.
Ueber verschiedene Punkte, die im Zusammenhang mit
dieser Neuerung zu erörtern sind, behalte ich mir das
Nähere in den folgenden Ausführungen vor.
(Lin III. Artikel folgt.)


Mckelangelo lleöivivur!
von Franz Imhof, Berlin.
s^^t^icht nur die Moden, auch die Namen der Meister, mit
denen man den Inbegriff höchster Kunst verbindet,
wechseln nur zu häufig. Ivie man vor Jahr-
hunderten bei jeder nur paffenden Gelegenheit die antiken
Größen Apelles und Praxiteles zitirte, so stehen unter den
künstlerischen Klassikern heutzutage velasquez und Michelangelo
obenan. Und mit diesen verglichen zu werden, gilt für den
modernen Maler, für den modernen Bildhauer als das höchste
Lob, über das die Kritik gegenwärtig verfügt. Während es
unseren Künstlern beinahe wie eine Beleidigung erscheinen
 
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