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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Dresdner Kunstbrief
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Frankfurt. a. M. Kunstbrief
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f82

Die Kunst-Halle.

Nr. s2

nehmen Arbeit etwas belebte. Nach den verschiedenen
fragwürdigen Leistungen, die man bei uns in den letzten
Jahren als Ausstellungsxlakate gesehen hat, ist Ungers
Schöpfung jedenfalls eine, deren künstlerische Vollwerthig-
keit füglich nicht anzutasten ist.
Bei den dekorativen und gewerblichen Künsten
ist's hier lange ziemlich ruhig gewesen. Jetzt merkt man
auf einmal, daß im Stillen doch rüstig geschafft wurde,
und Manches vou dem zu Erwartenden kann schon heute
ein Mort des Interesses beanspruchen. So die Arbeit,
die Wilhelm Kreis jahrelang beschäftigt hat: ein Speise-
saal für den Kommerzienrath Lingner, dessen enorme
Kosten durch die darin steckende künstlerische Arbeit
durchaus gerechtfertigt werden. Das edelste Material,
Palisanderholz, echte Majolika, versilberte Bronze u. s. w.
hat sich zu einer Totalwirkung von ungewöhnlicher
Größe und Schönheit vereinigt, deren Einzelzügen wir
gelegentlich noch des Genaueren werden nachzugehen
haben. Von der echt monumentalen Dekoration, die
Otto Gußmann in Weidenbach's eklektizistisch schwäch-
licher Lukaskirche malt, sahen wir einen Theil, der ganz
genug bietet, um von dem vollendeten Werk eine Groß-
that unserer Monumentalmalerei erhoffen zu lassen. In
den „Dresdner Werkstätten für Handwerkskunst", die
jetzt unter der alleinigen Leitung von Herrn Karl
Schmidt stehen, werden Lehrkurse für Kunsthandwerker
eingerichtet, die den jungen Arbeitern vollständige
theoretische und praktische Ausbildung nach den Gesichts-
punkten der modernen Entwicklung gewähren sollen.
Das Unternehmen kann dem immer kräftiger sich ent-
faltenden Kunsthandwerk Dresdens bei sorgfältiger Be-
handlung der nicht ganz einfachen Probleme zu hohem
Vortheil gereichen.
Erich Haenel.


Frankfurt a. M
Almtbriej.

ersten Male seit ihrer Gründung hat die Berliner
Rezession nunmehr auch in Frankfurt mit einer
geschlossenen Korporativ-Ausstellung debutirt. Der
Gesainmteindruck der Gruppe, die alle Räume des Kun st -
Vereins während der Dauer von vier Wochen für sich in
Anspruch nahm, war ein anregender in jeder Hinsicht, aber
das „Wunderbare", das man sich, um mit Ibserüs Nora zu
sprechen, von der „neuen Kunst" so gerne erträumt, blieb aus.
Immer sind es nur einzelne Strömungen, die stark und ge-
trennt nebeneinander fließen, ohne sich zu jener einheitlichen,
gewaltigen Strömung vereinigen zu können, die uns als eine
neue Kunstart von bleibender Bedeutung erscheint. Ton-
angebend für die ganze Richtung der Berliner Sezession ist
der extreme Impressionismus, von dein sich die Münchener
Sezession bereits wieder abgewaudt hat und nur von einzelnen
Mitgliedern dieser Gruppe noch gepflegt wird. Daß die
großen koloristischen Monstreskizzen Slevogt's im Grunde
genommen irr gewisser parallele zu Lieb errnann's Pleinair
stehen, daß Lorintlss Auffassung im Figurenbild und im
portrait dieselben Berührungspunkte mit Leistikow's Land'
schastsauffassung hat, macht eben jene Arbeiten zu charakte-
ristischen Proben einer Richtung im Sinne des in Manet's
Fußstapfen wandelnden Impressionismus.

Der Frankfurt-Lronberger Künstlerbund führt in
seiner Frühjahrsausstellung die neuesten Arbeiten seiner Mit-
glieder vor. Trübner bringt außer einer ganzen Reihe
(Odenwald- und Thiemseelandschaften wieder einen Freilicht-
kopf, in dem blaue, grüne, gelbe und röthliche Farbflecke
mosaikartig aneinandergesetzt sind. Alice Trübner arbeitet
in einem Interieurmotiv ganz in der Auffassung und Technik
ihres Gatten. Brütt giebt in seiner großen Figurenszene
„Abendmahlsfeier, sowie in einem selten pikanten Interieur
und einer Gerichtsszene neue Proben seiner bekannten, im
Sinne des guten Düsseldorfer Genres gehaltenen Kunst.
Gudden, der noble und geschmackvolle Kolorist, Hoffmaun-
Lronberg, der feinsinnige moderne Stimmungsmaler, Ottilie
Röderstein, die in Farbe und Zeichnung ungemein gewissen-
hafte Künstlerin, geben nebst einer Reihe weiterer Mitglieder
der Gruppe ihr künstlerisches Gepräge. I. Nußbaum hat
neben zwei roh impressionistischen portraits ein sehr großes
Freilichtbild „Equipage mit Pferden" ausgestellt, das breit
und flott heruntergemalt ist. — Der Dresdener Kar l B antz er
hat sein künstlerisches Studienfeld in Willingshausen, wo die
originellen oberhessischen Dörfler noch recht nach Großväter
Art Hausen. Der „hessische Bauerntanz" ist, abgesehen von
der Kostümtreue, auch koloristisch packend, ebenso ein paar
weitere lebensgroße Typen und die Landschaften in Spät-
uachmittagstimmung. Der Halligenmaler Alberts ist in den
Landschaften kreidig und stimmungslos, in Interieur- und
Figurenschilderungen aber von schlichter Natürlichkeit. Hassel-
horst-Frankfurt pflegt das Genre der sechziger Jahre und
bringt Motive, die das Thema von der „Poesie der Land-
straße" variiren.
Im Kunstsalon Goldschmidt konnte der für kunst-
historische Vergleiche sich Interessirende an Gustave Tourbets
derber und großzügiger Kunst sich erbauen. Die hier gezeigten
Bilder dieses Bahnbrechers des modernen Realismus erschieuen
uus theilweise in ihren recht fragwürdigen (Qualitäten nur
mehr von kunstgeschichtlicher Bedeutung. Außer zwei Galerie-
bildern, darunter das „Fliehende Pferd" waren noch etwa
zwei Dutzend Wald- und Schneelandschaften zu sehen, auch
portraits von Olivier und Rochefort. Alle Arbeiten waren
leider stark nachgedunkelt und braun geworden und nur die
robuste und breitspurige Technik ließ noch den echten Tourbet
errathen.
Line Sammlung Bilder des ZZjährigen Desirs Lucas-
Paris erregte bei Sch n eider-Andreas ein gewisses Aufsehen.
Nicht daß die Arbeiten durch irgendwelche neuartige Auf-
fassung in der Motivwahl oder der koloristischen Behandlung
auffallend wirkten. Ls waren recht primitive und ungesuchte
Motive aus dem Volksleben der Bretagne, die Lucas uus
vorführte: Schiffertypen, Interieurs, Marine- und Küstenbilder.
Aber die ganze rein malerische Behandlung zeigte, daß der
Künstler Rembrandt studirt hat wie kaum ein Zweiter; er
ist ein Meister des Helldunkels und in der weichen grau-
braunen Färbung stimmen die Bilder gar wunderhübsch zu
den echten, alten Rahmen, die der Maler in kluger Berechuung
sich für seine Gemälde bei Trödlern und Antiquitätenhändlern
erstanden hat. Linen Gegensatz hierzu bildete die portrait-
sammluug von Fritz Rh ein-Lasse!, dessen Koloristik zweifellos
interessant, in den gedämpften blauen, violetten Valeurs von
nobler Wirkung ist. Das portrait eines Generals, des Vaters
des Malers, ist kein leeres Mnformbild im landläufigen Sinne,
auch das Brustbild einer Dame ist apart in der koloristischen
Wirkung und erinnert lebhaft an die ätherische Bildwirkung
gewisser neuenglischer und schottischer portraitisten. von Jul.
 
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