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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Dresdner Kunstbrief
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Nr. s2

bekanntes hohes Rönnen verräth. Hans Olde ver-
schwendet seine feinsten Fähigkeiten an die lebensgroße
Wiedergabe einer Dame in schwarzem Reitdreß, die,
mit all der ungraziösen Hast, die das Rostüm mit sich
bringt, durch den, von flimmernder, echt Olde'scher
Sonnenpracht durchtränkten Laubwald schreitet. Von
den Münchenern preyer und Philipp Rlein finden sich
tüchtige Leistungen, die freilich, wie auch die von Hanke
und dem hochbegabten Heinr. Hübler, noch immer mehr
gemalt als gesehen wirken. In L. von Rönig's Bei-
trag fällt die saftige, ernst gestimmte Farbe und der
schwermüthige Ausdruck des sinnenden Ropfes sehr
glücklich auf; Max Pietschmann und Neven du Mont,
der sonst mit dem Höchsten gemessen zu werden ver-
dient, bringen nur Studien. Liebermann's elegantes
Pastell-Porträt seiner Gattin übertrifit diesmal sogar
an Liebenswürdigkeit der Auffassung die erstgenannten
Arbeiten; was sich von Trübner's sonst so meisterhaften
Sachen, die dem Gewände meist nur die Note grau in
grau lassen, und Böcklin's seltsamem und höchst charak-
teristischem Bildniß der Frau B. sicher zuletzt sagen läßt.
Daß Lenbach über fast alle Mitstreiter mühelos siegt,
ist kaum verwunderlich. Das Ewig-Weibliche steigt bei
ihm doch nie von seinem Königsthron herab, inan mag
über die Monotonie der schwülen Augen und brennenden
Lippen noch so oft die Achseln zucken. Und das — bei
allem Respekt vor der reineren Rünstlerschaft der meisten
seiner Nebenbuhler hier sei's gesagt — muß man dort
eben zu oft vermissen: die Anmuth, den persönlichen
Tharme, die Sinnlichkeit in ihren feinsten Untertönen.
Ich bewundere die Frau, der ihr von Torinth gemaltes
Bildniß gefällt, wirklich gefällt, nicht blos als Kunst-
werk imponirt. Und wenn diese Werke dem weiblichen
Geschmack der Dargestellten selbst stets zusagen: ist das
ein Beweis für unseres sog. Biidungspöbels höhere,
endlich zeitgemäße künstlerische Kultur? Hier stock' ich
schon. — Und die wir so oft gegen Lüge und Augen-
dienerei fröhlich zu Felde zogen, wir können fetzt den
Stachel der höhmschen Frage: Ist das die moderne
Frau? zweifelnd nicht aus dem Herzen reißen. . . .
Den Münchenern gegenüber mit ihren verschiedenen
Sondergruppen und -Grüppchen und ihren partiku-
laristischen Interessenverbänden haben wir manchmal
mit einer Art sittlicher Ueberlegenheit auf die, seit nun-
mehr schon drei Jahren erzielte Einheitlichkeit unseres
6orps Ü68 3rti8ts8 hingewiesen. Jetzt ist, in aller Stille,
neben dem stolzen Baum auch glücklich ein kleines
Sondergewächs emporgekeimt und bittet um freundliche
Beachtung. Acht funge Maler, alle noch vor Kurzem
Schüler unserer Akademie, glauben sich den Luxus einer
eigenen Gruppe leisten zu können; zwei ältere schlossen
sich an, und nun segelt das Schifilein der „Elbier"
munter in's blaue Meer hinaus. Der Gedanke, im
Verein das Ziel zu suchen, das dem Einzelnen kaum
erreichbar ist, kann ja an sich nicht gerade neu genannt
werden, daß er aber diplomatisch immer noch dankbar
ist, zeigt der Erfolg, der den Zehnen gleich bei ihrem
ersten Auftreten beschieden ward. Nicht nur die ideelle
Seite des Unternehmens fand Anklang, sondern auch
geschäftlich dürfen die Llbier mit ihrem Debüt recht
zufrieden sein, wer bei dem Namen so etwas wie
jungsächsische Heimathkunst vermuthet, wird allerdings
enttäuscht sein. Schon die rein, sagen wir geographische
Zusammenstellung des Programms der Landschaften,
wie sie die Mehrzahl der Bilder ausmachen, straft das
Banner Lügen. A. Bendrat ist in Danzig und an der
Weichsel, Fritz Beckert in dem oberfränkischen Städtchen
Tronach, der Heimath unseres Lukas Lranach, Aug.
Wilkens in Nordschleswig, Ioh. Ufer gelegentlich in


Kronestadt in Ungarn, Müller-Breslau im Riesengebirge
zu Haus. Aber auch der Neichthum der Linzel-
physiognomien macht jene Erwartung zu nichts. Die
künstlerische Heimath der meisten Mitglieder, das Atelier-
Gotthard Kuehl's, wirkt natürlich aufs stärkste nach, und
dankbar werden die jungen Impressionisten anerkennen,
wieviel von ihrem frischen Lorbeer auf ihres Meisters
Konto zu setzen ist. Indeß machen sich Ligentöne per-
sönlichster Art schon mannigfach geltend. Bendrat sucht
durch breit hingesetzte, stark farbige Flecken den massigen
Formen niederdeutscher Stadtarchitektur gerecht zu
werden. w. Friderici liebkost mit weichen, ver-
schrammenden Pinselstrichen die sonnenwarmen Sommer-
tage, die das Laubgrün etwa des Alt-Weimarer Parks
mit seinen verschlungenen Wegen und heimlichen Rendez-
vousplätzchen vergolden. Fritz Beckert ist ein Stück
von einem Poeten, der im Mondlicht auf verschlafenen
Marktplätzchen träumt und das Rauschen des Wehrs
mit einfachen , Empfindungen nachzittern läßt. Eine
Reihe illustrativ sich gebender Naturszenen aus kleinen
Städten und intimen Winkeln zeigt ihn im Fahrwasser
eines Walter Georgi, Schiestl oder F. Spiegel, d. h. als
guten Zeichner mit starkem Gefühl für etwas bieder-
meierhaft anspruchslose, behagliche Bildeindrücke. Bei
Wilkens ist das Modell noch nicht immer ganz über-
wunden, sein Naturalismus hat etwas von der trockenen
Sachlichkeit des Niederdeutschen. Ferd. Dorsch malt
„Der wirthin Töchterlein" ohne Sentimentalität, und
zeigt auch sonst im größeren Figurenbild viel frisches
Können und Diskretion im Lharakterisiren. Goller's
Glasmalereien sind nicht besonders individuell, aber mit
einwandfreiem, dekorativem Geschmack erfunden. Von
den Aelteren schließlich schlägt zwar Georg Müller-
Breslau noch weniger einen neuen Ton an als w.
Besig, der ohne ganz klares Ziel doch immer vorwärts-
strebt, aber man darf sich freuen, den hervorragenden
Landschafter, als der sich der Schlesier oft bewährt hat,
endlich einmal wieder anzutreffen. Die Klarheit und
Ruhe seines Stils hebt sich in dem Vielerlei junger
Stimmungskunst, mit beglückender Selbstverständlichkeit
doppelt frei und männlich heraus.
Man sieht, von Sturm und Drang und Ueber-
schwang ist bei diesen gutgeschulten Anfängern keine
Rede. Es ist darum wohl kaum zweifelhaft, daß das
symbolische Schifflein ihres Plakates auf dem breiten
Strom der sächsischen Kunst ohne Gefahr wird mit-
schwimmen, der zetzt immer entschiedener in das Becken
der im Mai zu eröffnenden Ausstellung einlenkt. Auf
dem Faschingskünstlerfest, das sich mit der Parole
„Neue Tänze, neue Trachten" eine Art kunsterzieherische
Aufgabe gestellt und auch theilweise gelöst hatte, sah
man zum ersten Mal das Plakat, das Hans Unger
für jene auf Stein gezeichnet hat. Ein Frauenkopf mit
herben, großen Zügen, dunklem emporstrebenden Haar
und seltsam Hellen Augen, die aus schwärzlichen Höhlen
fast unheimlich starr herausleuchten. Ketten aus ganz
primitiven perlen und Scheiben fallen auf die, nur noch
zur Hälfte sichtbare Brust. Dahinter, weit entfernt, ein
Hochplateau mit steilen Abhängen, dicht bewaldet, über
einer mit Baumgruppen bestandenen Flußebene. Irgend-
welche Beziehung zum Sinn des Unternehmens ist also
vermieden; die faszinirende Erscheinung des jungen
Weibes fesselt durch sich selbst. Schade, daß die Lider
so auffallend dunkel sind; der untere, nur in den zarte-
sten Schatten modellirte Theil von Gesicht und Hals
wirkt dadurch unangenehm flach. Als technische Leistung
ist das Blatt vorzügllch gelungen; man möchte aller-
dings wünschen, daß wenigstens ein farbiger Ton,
vielleicht ein blauer Himmel, die Fernwirkung der vor-

Die Aun st-Halle.
 
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