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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Rücklin, R.: Die soziale Aufgabe unserer Kunstgewerbevereine [1]
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Dworaczek, Wilhelm: Wien: Die Herbstausstellung im Künstlerhaus
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https://doi.org/10.11588/diglit.61999#0101

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Nr. 6

Die K u n st - H a l l e.

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nur zu verändern im Begriffe sei, und zwar nach der
Seite einer, wenn ich mich so ausdrücken darf, künstle-
risch-sozialen Thätigkeit hin.
Unter einer solchen Thätigkeit verstehe ich ein
Doppeltes: Einmal den sozialen Zusammenschluß der
Angehörigen des Faches zu bewirken, also pflege des
Korxorationsgeistes, und zweitens künstlerische Förderung
der weniger bemittelten Mitglieder dadurch, daß man
für sie Studienmaterial und Anregung bereit hält. Dabei
möchte ich auf den zweiten Punkt den Hauptnachdruck
gelegt und das „minderbemittelt" in weitesten: Sinne
verstanden wissen. Denn ininderbemittelt in diesem
Sinne sind die meisten Angehörigen des Kunstgewerbes
in mittleren und kleinen Städten, denen keine öffent-
lichen Museen und Bibliotheken, keine Kunstausstellungen
und Auslagen von Kunsthandlungen und Luxusbazarei:
am Orte zur Verfügung stehen. Bedürftig sind alle
diejenigen, die nicht in der Lage sind, sich die wichtig-
sten unserer modernen kunstgewerblichen Zeitschriften zu
halten und sich durch fortdauernden Ankauf über die
wesentlichsten Erscheinungen unserer neuen kunstgewerb-
lichen Litteratur auf dem Laufenden zu erhalten. Be-
dürftig sind die, denen ein kleines, schwerbewegliches
Talent ein selbstständiges Fortschreiten, ein Aufnehmen
des Neuen erschwert. Für die muß in erster Linie ge-
sorgt werden, die künstlerisch und wirthschaftlich schwach
sind. Die werden sich auch um so dankbarer und
williger einer solchen Gemeinschaft anschließen, während
der Starke bekanntlich am mächtigsten allein ist. Und
bedürftig sind vor Allein die Zungen, die Absolventen
unserer Kunstgewerbeschulen, die Werdende,:, die immer
dankbar sind, wenn man sich um sie bekümmert. — „Mer
fertig ist, dem ist nichts recht zu machen!" sagt Goethe;
das sieht man auch an unser,: Kunstgewerbevereinen:
Der fertige, der reife und selbstständige Künstler hat,
das muß inan sich wohl klar machen, kein Bedürfniß
nach irgend welcher Leitung oder Anregung durch
einen solchen; wenn ihn nicht gesellschaftliche Bande
festhalten, oder wenn er nicht etwa in: Vorstande mit-
arbeitet, wird er sich meistens passiv bei Seite halten.
Man kann ihm das als Hochmuth oder Undank auslegen,
— geändert wird dadurch an der Thatsache nichts. Es
erscheint mir sehr viel wichtiger, dem thatsächlich vor-
handenen'Bedürfniß entgegenzukommen, wobei ich aber
besonders betonen möchte, daß jedenfalls für diejenigen
Gewerbekünstler, welche der Hülfe und Anregung durch
die Kunstgewerbevereine nicht mehr bedürfen, eine
gewisse soziale Verpflichtung besteht, nun zu Gunsten
derjenigen weiter mitzuwirken, welche noch nicht in
dieser glücklichen Lage sind.
(Schluß folgt.)


Vien:
Die ZlerbrtsuLsteHung im MnLtlerlmur.
(^^ie diesjährige Herbstausstellung in: Künstlerhause
steht unter dem Zeichen von Alt- und Neu-Wien.
Eine Kollektion Viennensia, eine Sammlung von
über ((00 Aquarellen, die aus dein Besitz des Herrn w.
Boschan durch Schenkung an das Unterrichtsministerium
übergegangen sind, füllt den größeren Theil der ebenerdigen
Säle. Es ist fast unmöglich, in gedrängter Form den
Neichthum und die Fülle der Motive, welche die her-
vorragendsten Künstler hier aus den: alten und neuen
Wien entnommen haben, auch nur annähernd zu würdigen.
Die Kollektion zeigt nur deutlich, wie viel Feines,
Stimmungsvolles, und namentlich im Detail Anmuthen
des Wien zu bieten vermag, wenn ein feinfühlendes
künstlerisches Auge seinen Schönheiten nachspürt. Der
künstlerische Werth der Sammlung aber, an welcher die
meisten Wiener Aquarellisten mit gearbeitet haben — so
Alhpettenkofen, Pippich, Suppantschisch, Geller,
Gause, Beruh L. H. Fischer, Grasser, Poledne,
Veith, pendl, N. Moser Goebel, Kupfer — erweist
aber auch, wie viel tüchtiges Können und feine Auf-
fassung für das spezifisch Wienerische in der Wiener
Künstlerschaft vertreten ist. Es ist eine wahre Freude,
soviel reizvolle und zum Theil ganz ausgezeichnete
Arbeiten vereinigt zu sehen. Daß inan daher auch bei
dein einen oder anderen mit besonderem Interesse und
liebevollem Eingehen verweile,: möchte, ist wohl selbst-
verständlich. Recht erfreulich wirkt auch eine kleine
Kollektion von Arbeiten des Wiener Malers Theodor
Bruckner. Seine Porträts sind nicht uninteressant,
etwas eigenartig erfaßt, mit einer kleinen Schwäche für
subtile Farbwirkungen, aber voll feiner Empfindung sür
das Spezifische des Ausdrucks. Auch ein Oelbild
„Sommerabend" und ein Pastell „Dämmerstunde im
(Quartier Latin" sind voll diskreter Stimmung.
Weit reichlicher und imponirender tritt die Kollektion
des verstorbenen Prof. Mar Koner in Berlin entgegen.
Ein durch und durch tüchtiger Künstler: das erweist
sich auf den ersten Blick, lind am stärksten und inter-
essantesten erscheint Koner zweifellos dort, wo ihn das
Modell nicht zu Milderungen verleitete, wo er scharf
und geradezu charakterisiren konnte, ohne Rücksichten zu
nehmen und dein Geschmack des Publikums keine auch
noch so geringfügigen Konzessionen zu machen. Darum
sind seine Porträts stark individualisirter Männerköpfe
auch an: ehrlichsten und eindringlichsten, während nur
gerade die ziemlich zahlreich vorhandene«: Porträts
Wilhelm II. weniger behagen wollen. So sind ihm
z. B. die Porträts seiner Kollegen, der Maler Menzel,
A. von Werner, Eugen Bracht, Achenbach und Brause-
wetter durchwegs gelungen. Ein sicherer Strich, breite
Farbengebung und angenehm wirkende Kolorirung des
Hintergrundes sind Vorzüge der Koner'schen Bilder.
Inmitten der reichen Sammlung mehr oder weniger
interessanter männlicher und weiblicher Porträts hat
sich auch eil: Oelgemälde, der Frühling, verirrt. Lin
Jüngling liegt auf einem blühenden Baumast hingestreckt
und bläst eine Flöte. Mail fühlt sich nicht ungewöhn-
lich angeregt. Vielleicht hängt das eine Bild nur hier,
um ebenso kurz als bündig darzuthun, daß Koner's
Stärke eben in erster Linie das Porträt war?
Nun wäre der Tlou der Ausstellung zu würdigen:
Sascha Schneider's großes Oelgemälde „Um die
Wahrheit". Ls wirkt durch den großen einfachen Zug
in der Linie und die zweifellos gedankenvolle Konzeption,
 
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