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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Wider die Künstlerkonkurrenzen
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Gustav, Leopold: Münchener Brief [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.61999#0051

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Nr. 3

Die A u n st - k) a l l e.

Zs)

An diesem Zeitübel mit all seinem heuchlerischen Schein von Kunst-
pflege, Patriotismus, Kultus der großen Männer, seinem ver-
zopften Formelwesen u. dgl. noch länger mit verbundenen Augen
vorüberzugehen, muß man angesichts gewisser jüngster Ge-
schehnisse, die mit dem wohlfeilen Ausdruck des Bedauerns
(Pardon, meine perren Künstler!) nicht leichthin aus der Welt
zu schaffen sind, nachgrade als einen Faustschlag gegen Rechts-
gefühl, gesunde Vernunft und Achtung vor echtem künstlerischen
Verdienst empfinden. Bei solcher! Vorkommnissen haben wir
noch niemals geschwiegen, wenn es an der Zeit war zu reden.
Zn Wien giebt der Ausgang des engern Wettbewerbs
um das Brahms-Denkmal Anlaß zu einem Streite, der
in Folge der phrasenlosen Abweisung des Klingerschen Modells
die Gemüther erregt. . . Ich gebe zu, daß die Bedingungen der
blinden Anhänger des Leipziger „Michelangelo" überhaupt nicht zu
erfüllen sind. Die involviren wohl nicht mehr und nicht weniger,
als dem Meister überall, wo es ihm mitzuthun gefällt, „un-
gesehen" die Siegesxalme zu reichen, d. h. also, sie verlangen
ziemlich ungeschminkt, daß sich Alles, was in Deutschland in
Plastik bethätigt, einfach begraben lassen müsse, sobald Klinger
daher kommt. Eine solche Art des Wettbewerbs wäre freilich
unerhört und noch weit schlimmer als das jetzt übliche an-
fechtbare Verfahren. Dennoch erscheinen mir einige Bemerkungen,
welche die „Frkf. Ztg." v. (st. Gkt. an jenen Streit um das
Wiener Brahms-Denkmal, zu Gunsten des Klingerschen Ent-
wurfs, knüpft, recht bemerkenswert^. Das Blatt läßt sich
schreiben:
„Die Denkmal-Konkurrenzen in der gewohnten Art sind
unsinnig, unkünstlerisch. Zunächst wird gesammelt, dann wird
auf einem großen Platze ein beschränktes Plätzchen für das
Denkmal gewählt, die Behörden ertheilen ihre Zustimmung,
alle denkbaren Formalitäten, die mit der Kunst nichts zu schaffen
haben, werden erfüllt. Dann erst kommen die Künstler. Die
Größe des Denkmals ist ihnen bis auf den Zoll vorgeschrieben,
der Künstler muß den Platz, die Umgebung u. s. w. respektiren,
sein „Kostenvoranschlag" darf eine bestimmte Summe nicht um
einen peller übersteigen, Protokoll und Schriftführer haben das
Wort — da soll die Phantasie des Künstlers walten! Natür-
lich bringen die Bewerber (immer den verruchten „Kostenvor-
anschlag" im Sinne) die alten Thronsessel, Baumstämme und
dergleichen Denkmal-Gerümpel herbei und setzen die Figur des
Meisters darauf. Reicht die Summe auch für eine warme Be-
deckung der Posen, so werfen sie noch eine Draperie über die
Beine. Den Sockel schmücken billige Unsterblichkeits-Symbole
oder kostenlos eingeritzte parsen — wenn's einem Musiker gelten
soll. „Zuletzt naht der Poet." Mar Klinger erklärte, Gegner
der Bewerbungen zu sein, aber seine innigen Beziehungen zu
Brahms und seine Verehrung für den verewigten Meister be-
stimmten ihn zur Theilnahme. Lr sendet einen Entwurf, in
der Idee so fesselnd wie in der Form, die glücklichste Lösung,
daß Brahms' wahrhaftig für einen Denkmalsockel nicht geschaffene
Figur künstlerisch möglich werde. Aber des Künstlers Ge-
danken haben sich über Raum und Geld gehoben. Die Komite-
Banausen zucken „mit dem Ausdruck des Bedauerns" die
Achseln, und der so wichtige Schriftführer versendet sein „Lom-
muniqu6": Wegen „Nichterfüllung" und so weiter. . . Das
nennt man Kunstpftege!"


Mncliener Arie/.
von Leopold Gustav, München.
Et^Hem Ausstellungslokal der,, Gesellschaft für christliche
Kunst" fehlt es nicht an reichem künstlerischen Inhalt.
Besonders fiel mir Fugel's Figurenbild auf, welches
die Grundsteinlegung eines Klosters durch den heiligen Gebhard
schildert. Durch die Behandlung der Licht- und Luftwerte übt
das Bild reinmalerische Wirkung aus, so daß das Stoffliche,
die Zeremonie, die sonst kühl lassende pistorienhaftigkeit verliert.
Görg Mayer-Franken's Dankoxfer Noah's, im herben
Kolorismus etwas an Kuschel gemahnend, entbehrt nicht innerer
Größe. Auch die regenbogenbestrahlte Berglandschaft stimmt
in ihren ernsten Linien zu dem Pathos der Opfernden, von
Georg Busch ist mir die kraftvoll modellirte Bronze eines
streitbaren Ritters aufgefallen, an seinem geschnitzten Marien-
Altar spricht die künstlerische Individualität am deutlichsten ans
den anmuthigen Kindergestalten. — Von Glasmalereien sind
die von A. Pacher entworfenen, sowie die Fenster aus der
Anstalt von Pans Bockhorni jr. zu nennen, die die Formen-
sprache ihrer Stile mit feinem Empfinden beherrschen.
Moderne Fensterverglasungen zeigt uns im Kunstvereine
in Entwürfen Richard pietzsch. Das Streben dieses Land-
schafters ging ja stets nach vereinfachender Stilisirung, die ihn
logisch der Glasmalerei zuführen mußte. Seine Landschaften
und Kastanienbäume machen auch hier durch die markant-kraft-
volle Zeichnung günstigen Eindruck. Dis „peuernte" würde
als Glasfenster sich doch ziemlich nüchtern ausnehmen. Gttolia
von Kraszewska hat drei Damenfächer gemalt, am duftig-
sten wirken die rothen Mohnblüthen; es ist ihre Anordnung am
ungezwungen graziösesten, auch die Narzissen- und Stiefmütter-
chen sind als Fächerschmuck glücklich verwendet, dagegen
erscheint die Fächerkomposition, Pfauenfedern mit Maiglöckchen-
sträußen, etwas gewaltsam; da letztere zu schwer für den zarten
Federhintergrund. Lin nicht alltägliches Können spricht aus
Gerda EarrTs Porträts und Blumenstiicken. Ihr künstlerisches
Streben geht auf Fixirung des Augenblickes, Licht, Tageszeit,
Bewegung und momentane Stimmung des porträtirten inter-
essiren sie mehr, als eine tiefere Lharakteristik. Auch zwei
Bronzestatuetten bringt die Künstlerin, in denen die Grazie des
Rokoko zu artigem Ausdruck kommt. Leopold Schmutzler
bringt eine Wäscherin am Strande in einem gemäßigten, aber
von Süßlichkeit freien Realismus gesehen, ferner zwei Porträts.
Dasjenige einer Pofschauspielerin verdient wegen der Eleganz,
mit dem die Biegsamkeit der schwanken Gestalt gemalt ist,
Anerkennung. Auch in der Ausführung der Gesichtszüge un-
gemein reizvoll ist das Bildniß eines Pariser Lomteßchens
von etwa zehn Jahren wenn ich von van Dyck'scher An-
regung spreche, so möchte ich dies nicht als Tadel aufgefaßt
wissen; ja ich kenne kein Bild Schmutzlers, welches mir so un-
getheilten Genuß gewährte, wie dieses; sehr fein ist, wie gesagt,
das für sein Alter reife, aber nicht altkluge Gesicht gemalt, in
der Kleidung ist sehr geschickt das Unaufdringliche wahrer
Eleganz betont, in deren malerischen Wiedergabe die englischen
Porträtisten die unsrigen oft übertreffen, peinrich Rettich malt
eine Dame mit russischem Windhund vor grellen: Kaminfeuer.
Seine Technik ist jetzt zu ruhigerer, einheitlicherer Wirkung ge-
langt. Ehr. Mali, der unverdrossene Schildere:' von Kühen
am Wasser, hat zu seinen: 70. Geburtstage eine Kollektion aus-
gestellt. Manche Studie ist überraschend lebendig; Sonne und
Luft ohne Uebertreibung scharfsinnig beobachtet, die Wiederkäuer
in jeder Lage eingehend studirt, und die anmuthigen Landschaften
mit Empfindung gemalt. Auf den: verhältnißmäßig kleinen
Gebiet herrscht jedoch keine Enge der Anschauung.
Die Pofmöbelfabrik Pössenbacher hat an der Brienncr-
straße ein neues Ausstellunaslokal bezogen, die bauliche Adaption
der früheren Schule mit Turnhalle ist nach Entwürfen von
pössenbacher jr. in sehr glücklicher weise vollzogen; insbesondere
wirkt der Aufgang vom Teppichlager nach den Ausstellungs-
räumen imposant. Auch in den Schaufenstern haben völlig ab-
geschlossene Interieurs Aufstellung gefunden. Die bedeutendsten
Zimmer sahen wir im ersten Stocke, das Empire ist vorherrschend.
Die Motive eines sich Ltzcko ckosspliins nennenden, grünen Früh-
stückszimmers glaube ich in Schloß Malmaison gesehen zu haben
Die Zimmer sind bis auf's Kleinste ausgeführt, Wandbespannung
und Bilder zu den ausgestellten Möbeln genau passend, so daß
 
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