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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Grosse Berliner Kunstausstellung 1903
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Rapsilber, Maximilian: Von Berliner Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.61999#0357

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Nr. 20

Die N u n st - a l l e.

offenbart. R. Böninger läßt nns drei echt deutsche,
frisch erfaßte und sauber durchgeführte Frauentypen der
gut bürgerlichen Kreise Düsseldorfs schauen. Und mit
ähnlicher Routine hat Richard Vogts die pikante
Gestalt der Sängerin Mttilie Metzger als Daunen auf
die Leinwand gebracht, dabei aber mehr auf die farbige
Wirkung des Theaterkostüms als auf den DHarme der
Erscheinung hingearbeitet.
Der Kasseler Prof. L. Ko litz sandte der Ausstellung
u. A. ebensalls eine Dame in Schwarz mit großem
Federhut, ohne — die Malerei als solche in Ehren —
dem Beschauer mit seinem Modell eine Augenweide zu
bereiten . . . Solange übrigens unsere Damenwelt an
ihrer, dieses Mal ganz besonders zu Dage tretenden
Vorliebe sür Schwarz als Farbe des Kostüms verharren
wird, dürfte es dein Maler von heute schwer sollen,
diesen weiblichen Sondergeschmack mit dem allgemein
inoderneu Geschmack sür pelltönigkeit zu vereinigen.
Und so wird sich der Maler von vielen Leuten den
Vorwurf „veraltet" gefallen lassen müssen, obwohl er
in der That nur einem herrschenden Verlangen der
Damenwelt entsprochen hat. Mit solcher Tendenz zu
dunklen Tönen ist sich N). Thor-München, der gleich-
falls eine Dame in Schwarz mit Fcderhut ausstellt, nur
treu geblieben. Dabei weiß er durch scharfe Beleuchtung
des Gesichts einen wirksamen Kontrast und physiognomi-
scheu Reiz zu erzielen. Frisch, mit gewohnter Verve
behandelt sind von ihm noch die Profilbildnisse einer
Malerin im grauen Kleide und eines lächelnden brünetten
Modells. Zwei Studien von R. Schuster-Woldau sind
von Geziertheit in Pallung und Ausdruck nicht frei.
Dagegen lernen wir in Adolf Lseller-München einen
Künstler kennen, der im kleinen Format mit sehr einfachen
Mitteln, gewöhnlich in Braun und Grau, schlichte dunkel-
tönige Frauenbildnisse vollendet giebt, denen durchweg
ein sanfter lieber Ausdruck, eine stille poesievolle
Empfindsamkeit (Dame am Spinett) eigen ist.
Einige gelungene Kinderbilder von Alfred
Hamacher, Bennewitz von Loefen, Sophie Koner, p.
Binde, A. Rogge — sämmtlich Berliner Pinselführer —
zeigen, daß auch dieses Spezialgebiet auf der Ausstellung
nicht ohne Verdienst, doch ohne moderne künstlerische
Eigenart, vertreten ist . . . Schließlich möchte ich noch
auf ein Paar Gruppenbildnisse die Aufmerksamkeit
lenken. Leider ist die künstlerische (Qualität dieser Merke
nicht durchweg mit der Größe der verwendeten Leinwand
zu vereinbaren, vornehmlich gilt dies für D. Kiesel's
helltönige, bunt und hart wirkende Malerei „Familie
von K." Nicht so langweilig wie diese als Schilderung,
dabei koloristisch kräftig, präscntirt sich Mar Thedy's
„Familienbildniß" im Rahmen eines Triptychons; durch
die Steifheit und Häßlichkeit einzelner Figuren leidet das
Bild indeß als Ganzes. Walter s)etersen's Doppel-
porträt „Meine Frau und ich" darf als temperamentvolle
Schilderung anerkannt werden: sie zeigt den Künstler nur
im kleinen Spiegelbilde, wie er die vorn auf einein
Sopha sitzende sunge Gattin beim Malen lebhaft sirirt.
Die genrehafte Auffassung eines Porträts von solchem
Umfang und die unruhige Farbengebung der Leinwand
stempeln diese schwerlich zum Standard-Work. Zn die
Gruppe der Künstler-Selbstbildnisse gehört auch eine
zweite, einfacher angeordnete Darstellung eines Malers
und seines Modells, das im schmucklos weißen Kleide
auf einem Soxha liegt: von Wilhelm Schmurr-Düsseldorf.
Eine angenehm wirkende Leistung, die ich am Schluffe
hervorhebe, ist das mit „Frühlingslied" bezeichnete
Gemälde von Marie Lautenschläger-München, das
reizvolle Duo zweier schlanker funger Mädchen, die
neben einein Klavier stehen und von ihrem Gesänge
ganz erfüllt sind. G. G.

3U

Von Hellmer Auurt.
des glorreichen Sommers Antritt ist es im Salon
Schulte auf einmal still geworden. Klanglos ist
die Nachhut, die wcimarische Apelles-Gruppe, abgezogen und
nun webt in traumseligem Behagen Dornröschens Sommerschlaf
durch die schwülen Räume. Die Lücke zu füllen, sind die alten
Garden aufmarschirt, die bei Schulte den Stolz des eisernen
Bestandes ausmachen: die Achenbach, Passim, Lier und pilde-
brandt, die Defregger, Kalckreuth, Knaus und Brendel, die
Leibl, Liebermann und Thoma und was es sonst noch für
konsolidirte Kuusterscheinungen giebt, die seit dreißig und vierzig
Jahren den goldenen Boden des Kunsthandels bilden. Und
wie die altvertrauten Bilder schläfrig in die Sonne blinzeln,
steigen aus verschollenen Jahrzehnten liebe Erinnerungen auf
von jugendstarker Begeisterung, von frischem wagemuth und
von rosiger Hoffnung auf ein neues Zeitalter der Kunst, und
da ist just die hundstägliche Stille dazu angethan, sich mit
Verehrung und Andacht in das Reich der angejahrten Meister
von Neuem zu versenken. Doch da will uns die dozirende
Stimme einer jungdeutschen Kraft aus der sanften Beschaulich-
keit aufstören. Der Landschaftsmaler, der Bremenser Tarl
Vinnen, der über Düsseldorf und Karlsruhe den weg nach dem
Neuland Worpswede gefunden, ergreift das Wort zu seinen
ausgestellten Studien, wie weiland Kapellmeister paus von
Bülow vom Dirigentcnpult das Publikum geistvoll ansprach,
so möchte auch der redegeübte Karl Vinuen eine Brücke des
Verständnisses zu modernen Bildern schlagen. Als ob es
dessen bedürfte! Diese Skizzen, die als flüchtige Notizen in
Flur und Moor und am Strand erste Eindrücke der Natur ab-
gewouueu haben, wollen an sich wenig besagen. Vergegen-
wärtigt man sich aber den Werdegang von der rauhen und
rohen Studie zu der naturalistischen Monumentalität, die ein
Kennzeichen von Vinnens Schaffen am fertigen Bilde ist, so
verdeutlicht sich darin die merkwürdige Thatsache, daß die
neue Kunst nach all dem Stürmen und Drängen doch nur auf
den weg einlenkcn konnte, der von den alten Meistern feit
Jahrhunderten bereitet ist.
Voir eurer wohlthuenden Bewegung des Einlenkens zeugt
auch die große und glänzende Ausstellung, welche die Münchner
Luitpold-Gruppe inr Künstlerhause veranstaltet hat. Nach
der ärgerlichen Auseinandersetzung zwischen Berlin und
München, wobei sich die Berliner Kunstregenten leider ins
Unrecht gesetzt haben, ist es doppelt erfrenlich, daß Münchens
Mittelpartei, die eine abgemilderte Sezessionskunst vertritt, sich
entschlossen hat, bei uns für süddeutsche Art in die Schranken
zu treten und jenes bösartige Gerede zu widerlegen, als ob
München als Kunststadt im Niedergang begriffen sei. Bur-
das Eine ist hierbei nicht recht faßlich, warum die prächtige
Gruppe nicht in den Rahmen der Großen Berliner Kunst-
ausstellung einbezogen wurde. Nun, wir wollen heute nicht
wieder aus die wenig erfreulichen Rivalitäten von Nord und
Süd eingehen. Die Ausstellung der Luitpold-Gruppe giebt ein
dankbareres Thema an die pand. Auf den ersten Blick in die
Säle hinein wird inan der großen Wandlung gewahr, die in
den letzten Jahren in München Platz gegriffen hat. Zum
ersten ist festzustellen, daß der Naturalismus, der sich Selbst-
zweck war, auch bis in die letzten Spuren überwunden und
verarbeitet und vergeistigt ist, daß ferner die Landschaft im
süddeutschen Schaffen nicht mehr dominirt und dominiren kann,
 
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