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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Grosse Berliner Kunstausstellung 1903
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https://doi.org/10.11588/diglit.61999#0356
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dessen Sterbelager ein älterer Offizier, der Vater des
Entseelten, mit seinem Adjutanten Nachtwache hält,
wundervoll ist hier der eben grauende Morgen, der
das Kerzenlicht bleicht und die Ermattung, die den
Schmerz dämpft, von dem Künstler beobachtet.
Um zu den religiösen Gegenständen zu kommen, er-
wähne ich zunächst zwei Huldigungen der Madonna an
der Wiege und als Beschützerin der kleinen pifferari,
wofür die beiden Künstler, Jos. Sche urenberg (Berlin)
und Karl Wünnenberg (Gaffel), Helle delikate Farben-
töne und seine Beleuchtung zu finden wußten. Walter
Firle's großfigurige Beweinung Christi ist eine äußerst
robuste Malerei im Nahmen der traditionellen Auf-
fassung dieser so oft geschilderten Szene. Franz Listing
bietet auf seiner Leinwand in Hellen wasserkaseinfarben
scharf umrissene energische Axostelköpfe. Karl Hart-
mann (München) läßt in zwei kleinen Triptychen, einer
Einsiedelei und der Christnacht, zarte Stimmungen zum
Ausdruck kommen. Müller-Münster und L. Fahrenkrog
(Barmen) machen die Erscheinung des führenden und
predigenden Zesus zum Mittelpunkt mehr eigenartiger
als überzeugender Kompositionen, ersterer etwa in: An-
schluß an Uhde, Fahrenkrog dagegen allein seinem
feurigen Wesen und seiner etwas bizarren Gestaltungs-
art folgend, die hier aus Christus einen bartlosen
Nömerjüngling macht, zu dessen flammender Begeisterung
die Bösen und die Guten sich Kopf an Kopf heran-
drängen, wie die Motten zum Lichte. —
Das Porträt nimmt, verständlich genug, einen
beträchtlichen Naum an den Saalwänden ein. Zn Zahl
der Arbeiten dürfte das Herrenbildniß, zu welchem
unsere Militärs ein starkes Kontingent stellen, ungefähr
dem Frauenbildniß entsprechen, nicht aber an künstle-
rischem werthe. Sicherlich liegt es nicht an der man-
gelnden Modelldankbarkeit des heutigen Männerthums,
daß hier so viele verblüffend langweilige, geistlos ge-
malte Schnurrbartträger herumhängen. Mit förmlichen:
Neide muß man der Epochen Holbein's, Tizian's, van
Dyck s, Nembrandt's gedenken: Da ist in den Männer-
köpfen Charakter, Geist, malerischer Neiz zu findeu . . .
G. L. Meyn, der akademische Nachfolger Koner's in
Berlin, bringt mit seiner Generalsfigur eine vollständige
Enttäuschung; die stramme Haltung allein macht doch
wirklich nicht den preußischen Heerführer aus. Mehr
Eindruck erzielt Hugo Vogel, unser Ercellenzen- und
Geheimräthemaler, wenigstens mit dein schlichte»: Knie-
stück Prof. passini's, das freilich den Gedanken an einen
Maler nicht auskommen läßt; die Stellung wirkt unge-
zwungen, der Ausdruck gewinnend und fein. Des be-
rühmtenBaulehrers F Adler's Porträt ginge ebenfalls an.
Der Nest sei Schweigen. Z. Sch euren berg's Bildniß des
Geheimraths Naschdorff ist gediegen gemalt, aber keine
eminente Leistung. Sonst falle»: noch von Berliner
Pinselführern die hierher gehörigen Arbeiten Hanns
Fechner's, N. Eichstädt's, Meng-Triminis', B. pinkow's,
K. Ziegler's auf. Das Fechuersche Uniformbild des
Kaisers ist so sichtlich für de»: repräsentative»: Zweck
gedacht, daß »nan, außer der Modellähnlichkeit, lediglich
die Bravour der Malweise anzuerkennen verpflichtet ist.
Zur Höhe eines Kunstwerkes vermag sich K. Ziegler's
Selbstbildniß annähernd zu erhebe»:. Es läßt die
jugendlich schlanke Figur des sitzende»: Malers, nachdenk-
lich in Haltung und Ausdruck des blonden Kopfes, etwas
zu weich aus dem Halbdunkel heraustreten.
Vor: auswärtigen Künstlern giebt Hannernann-weiinar
die frontale Gestalt eines spielenden Geigers mit feier-
lich-schlichte»:: Ausdruck des gesenkte»: Antlitzes. Hugo
Crola-Blankeuburg stattete de»: derbe»: Kopf eines alte»:
Bauer»: mit fleißigem Detail aus. Paul Kießling-

Nr. 20

Dresden setzte eine»: Herr»: mit Hausmütze keck auf
rothen Grund, und stellt, außer dieser koloristisch frischen
Studie, das Bildniß eines kleinen buckligen und kränk-
liche»: Malers, eine dunkeltönitze, äußerst subtil ver-
schmolzene Malerei älterer Richtung aus. Ebenso ist
Fritz Burger-Basel schlicht in der Auffassung, sorgsam
in der Durchführung zweier Herrenbildnisse. Während
Walter Petersen-Düsseldorf auf mächtiger Leinwand die
Aufgabe einer repräsentative»: Darstellung — Porträt
des Geheimraths Lueg — nut große»: äußerliche»: Mittel»:
bewältigt.
Gegenüber allen diese»:, mit wenige»: Ausnahmen,
nicht gar hoch zu bewerthenden Leistungen vermag das
weibliche Bildniß auf der diesjährige»: Ausstellung, wie
gesagt, nachhaltiger zu fesseln. Soll man nicht sagen
dürfen, daß es kein günstiges Zeichen für dei: Geist
einer Epoche ist, wenn das Männerthum iin Spiegel
der Kunst heutzutage mehr Konvention verräth als das
weibliche Element? Allerdings kommt bei dieser Frage
die Eitelkeit sich malen zu lassen für die eine Seite sehr
in Betracht, und zwar darum, weil hier den: Künstler
mehr dankbares Material zur Verfügung steht. Um so
dankbarer, als die Farbigkeit des Kostüms neben einein
plus an Eleganz und Schönheit zweifellos Thatsachen
repräsentiren, die den Künstler heute intensiver für die
Aufgabe des weiblichen Porträts als des männlichen
interessiren müssen. So bietet den»: die Ausstellung eine
erfreuliche Auswahl charakteristisch moderner Arbeiten,
z. Thl. von der Hand namhafter Maler.
Auch an dieser Stelle ist vor allein der aus Ungar»:
stammende Karl Ziegler-Berlin zu nennen. Er liebt
es, schlanke Damen mit blasse»: Züge»», sanfte»: kluge»:
Augen und herabfließcnden Gewändern zu malen. Aus-
nahmsweise sieht man voi: ihin eine junonische Gestalt,
auf einer gewundenen Holztreppe emporsteigend, ganz
schwarz gekleidet, dekolletirt, mit großen: Federhut.
Derselbe»: Herkunft ist der temperamentvolle, nicht genug
gewürdigte Franz Paczka-Berlin, der das boheme-
mäßige Konterfei einer etwas bunt kostüinirten ältere»:
Dame und bräunliche»: Vollblut-Ungarin, der saus gtzue
und selbstbewußt auf einem Kanape zurückgelehnten
Schauspielerin Zäszai giebt. Salongemäß ist dagegei:
von ihm das Bildniß der einfach schwarzgekleideten de-
kolletirten junge»: Frau voi: Szögyeny-Marich aufgefaßt.
H. Fechner weiß mit der graziösen blasse»: Gestalt
einer lichtgrau-oiolett gekleidete»: Dame im weißen
Federhut zu interessiren. von Bennewitz von Loesenjr.
fällt eine anmuthige Blondine im modernen blaugraue»:
Kostüm auf. Ernst Nelson's schwarz gekleidete Geigerin,
deren edles strenges Profil so ungemein fesselt, verdient
sicherlich, trotz der glatte»: Malerei, die heute nicht mehr
gangbar ist, eine»: besser»: Platz als an der wand eines
kleinen Nebcnraumes. Graf F. Harrach bleibt sich
gleich, d. h. gleich gut auf seiner kleine»: Leinwand,
Dame im schmucklosen Straßenkleid, Kniestück auf rothem
Grunde. Paul Narten, Alfred Schwarz, A. Kampf,
Z. wolfthorn biete»: ansprechende Arbeiten, theilweise
nur Studien. Die Halbfigur einer ältliche»: sitzende»:
Dame iin Profil, die sich von weißem Grunde abhebt,
hat Heinrich Wilke mit fein beobachtete»»: Ausdruck
und strenger Sachlichkeit in der Durchführung gegeben.
Auch von auswärts sind mehrere effektvolle Frauen-
porträts eingeschickt worden. H. E. Pohle, der mit
w. Petersen, Böninger und N. Vogts die Düsseldorfer
Leistungsfähigkeit auf diesem Gebiete unzweifelhaft
beweist, hat eine pompöse volle Brünette im schwarze»:
Seidenkleide mit Schmelzbesatz auf einen gelben Draperie-
Hintergrund gesetzt und dabei eine stupende Faustfertigkeit
des Malens, doch im Grunde genommen wenig Geist

Die Kunst-Halle.
 
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