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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Schmidt, Karl Eugen: Der Salon der "Artistes Français", [1]
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Heilmeyer, Alexander: Internat: Ausstellung der Sezession 1903, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.61999#0373

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Nr. 2f

Die Runst-Halle.

325

carne-Moreau, der den pariser Gamins nachschleicht
und sie bei ihren bösen Streichen belauscht, und auch
Devambez mit seinem Ueberfall einer Gaunerschenke
durch die Polizei und Grün mit seinem Bric-ä-brac-
Laden mögen hier genannt werden.
Albert Maignan hat die soeben die Grube ver-
lassenden Rohlengräber und ihr vom schwarzen Rauche
verdüstertes Land in einer Weise wiedergegeben, die
an das vorjährige Bild Synave's erinnert, woraus man
vorn den Maler Jules Adler, im Hintergründe aber
das paz 8 noir von Lharleroi sah. Außerordentlich fein
und stimmungsvoll ist das Bild von Alexander Struys:
ein geistlicher Herr besucht eine alte Spitzenklöpplerin
in Mecheln, und durch das weitgeöffnete Fenster der
hochgelegenen Stube blickt man hinaus auf die rothen
Dächer, den grauen Rirchthurm und den von weißen
Wölkchen durchzogenen blauen Himmel, wie dieses
Helle Tageslicht in das trauliche Dämmerdunkel des
Stübchens übergeht, ist ungemein zart und fein wieder-
gegeben. Lin Meister der Lichterscheinungen ist der in
Holland lebende Amerikaner Georges Hitchcock, und
seine junge Holländerin mit Rind auf blumiger wiese
unter blühenden Gbstbäumen ist eine ebenso bezeichnende
Probe seiner anmuthigen Runst wie die mit violetter
Blouse angethane junge Frau inmitten desStiefmütterchen-
beetes. Louis Nidel hat mit seinen beiden eleganten Damen
auf dem verdeck eines kleinen Segelschiffes wieder ein
sehr vornehmes koloristisches Stimmungsbild geschaffen,
wobei die gelbe Seide der einen, die bläulich weiße
Seide der andern Robe mit dem tiefen Grünblau des
Meeres und den am Deck hingestreuten sattrothen
Rosen eine äußerst wohlthuende Harmonie bilden. Der
Ordnung halber nenne ich noch die beiden alten Herren
Geröme mit dem Innern einer Moschee und Robert-
Fleury mit einem ausgezeichneten Akt: einein badenden
Mädchen iin Badezimmer, wobei das weiße Tuch, der
rosige Rörper und der grüngelbe Grund sehr angenehm
zusammenklingen. Balestrieri, der vor wenigen Jahren
einen großen und verdienten Lrfolg mit seinem
„Beethoven" hatte, versucht jetzt das nämliche niit
Lhopin, indessen bleibt sein heuriges Bild an Stimmungs-
gewalt weit hinter dem durch tausend Abbildungen
und Vervielfältigungen allenthalben bekannt gewordenen
Beethoven zurück.
Unter den Landschaftern nenne ich an erster Stelle
Gagliardini, der in zwei Bildern die Sonnengluth und
Farbenpracht der proventzalischen Plätze und Brücken
schildert. Gagliardini ist ohne Zweifel gegenwärtig
der bedeutendste französische Maler auf diesem Gebiete
und wird lange noch nicht nach Gebühr geschätzt.
Jules Breton hat in diesem Jahre zwei ganz entzückende
kleine Bildchen geschickt, offenbar Jugendarbeiten, denn
die Sachen seiner letzten zwanzig Jahre waren etwas
geleckt und süßlich, während diese beiden kleinen Land-
schaften die ganze männliche Poesie der Landschafter
von Barbizon zeigen, von pointelins einsam melan-
cholischen Haiden und von Harpignies' hohen Bäumen,
durch die man auf ein Flußthal hinausblickt, ist nichts
Neues zu sagen, ebensowenig von Len mit violettem
Haidekraut bedeckten Bergeshöhen Didier-Pouget's, den
von den Strahlen der Abendsonne vergoldeten Berges-
gipfeln, Schafen und Hirten vayson's, den venezianischen
Ansichten St. Germiers und Allegres und den hübschen
kleinen Dorfbildern Henri Martin's. Sehr gut ist die Marine
von dem Amerikaner wharton Ldwards, durchsichtig
grün und weißes Wasser, graugrüner Himmel, eine ein-
same Möve; von Schnee bedeckte menschenleere Haide
mit einein einsamen verkrüppelten Baume von der
Italienerin Bricherasio, die Mondnacht mit den gold-

braunen Häusern am dunkbelblauen Ranal gegen den
tiefblauen Himmel von dem Amerikaner warren Laton
und die Ansicht des Golfes von Aroachon von Talve
mit den blonden Dünen, dem goldnen Ginster, den
dunkelgrünen Korkeichen und dem blauen Meer und
Himmel, an dem kleine weiße Wölkchen schweben, ein
sehr kräftiger koloristischer Akkord.
(Schluß folgt.)


Mucken:
Mernsk. Mrtelllmg Ser 5ere5Lion ISOZ.
von A. Heilmeyer, München.
I.
77IÄL ^ie Internationalen geben Gelegenheit die Be-
?! M/ sonderheiten einer jeden Runst, sei es der deut-
schen, englischen, französischen oder skandina-
vischen zu studiren. Sie zeigen uns aber auch deutlich,
daß überall das Streben nach neuen malerischen
Problemen so ziemlich auf dem gleichen Punkte an-
gekommen ist und nunmehr durch Steigerung der
künstlerischen Ausdrucksmittel, entweder nach der Seite
einer erhöhten Farbigkeit oder raffinirten Geschmacks-
kultur sich auf der Höhe zu halten sucht. Dies ist immer
ein Zeichen, daß Ne Produktion immer mehr darauf
hinzielt die bereits gewonnenen werthe zu verarbeiten.
Als eine Folge des sich häufenden Ausstellungs-
wesens mag man auch das Bestreben hinnehmen, durch
ein wirkungsvolles dekoratives Arrangement das Gesamt-
bild reicher und prächtiger erscheinen zu lassen, wenn
nur diese im Grunde berechtigten Bestrebungen nicht
auch öfter manchmal dazu verleiten würden, die Farb-
gebung eines Bildes möglichst wirkungsvoll zu gestalten.
Dies führt naturgemäß zu Uebertreibungen. Man ver-
äußerlicht die künstlerischen Ausdrucksmittel um bloßer
dekorativer Effekte willen.
Line weitere Folge ist auch ein immer mehr zu-
nehmender internationaler Charakter. Man kann oft
nicht sagen, ob ein Bild in Paris, in London, im Haag
oder in München entstanden ist. Ls haben auch immer
nur wenige eine so entschieden selbständige Art und ein
so festes Sitzfleisch wie z. B. Leibl, der Zeit seines
Lebens an einem Orte aushielt. Leibl war in erster
Linie nur Maler und wollte nichts anderes, als durch
bloße koloristische Ausdrucksmittel wirken. Lr malte
die Menschen wie ein anderer die Gegenstände in
einem Stilleben. Etwas von dieser Tendenz ist der
ganzen modernen Produktion eigen. Ls ist daher gar
kein Zufall, daß im ersten Saale der internationalen
Sezessions - Ausstellung ein Leibl „Oberbayrisches
Mädchen" hängt, zwar keiner von den ganz echten,
die in ihrer vollen Farbenfreudigkeit wie eine auf-
geblühte Pfingstrose prangen. Manche Stellen find
durch Lasuren verdorben. Aber ein waschechter Leibl
ist es immerhin. Besonders die Fleischtöne sind prima
hingesetzt.
Unter dem jungen Nachwuchse der Sezession be-
findet sich einer, Hans Noßmann, der in Leibl's Fuß-
tapfen wandelt, das heißt er bemüht sich die Natur
treu und ehrlich wiederzugeben. Sein starker Wirklich-
 
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