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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Schmidt, Karl Eugen: Der Salon der "Artistes Français", [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.61999#0372

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324s Die Kunst-Halle. Nr. 2 s

weiden dunkelgrüne Schatten werfen, während die Sonne
in hellgelben Flächen ihren Schein auf das Gras sendet.
Im Hintergründe wird die wiese durch einen in vio-
letten Tönen leuchtenden breiten Berg abgeschlossen.
Rüstige Schnitter führen die Sense, und einige kleine
Mädchen tanzen einen Neigen, wobei ihre weiß und rosa
gefärbten Kleider in der Tonalität des Gemäldes be-
deutsam mitwirken. Auf den beiden Seitenbildern setzt
sich die Landschaft des Rüttelbildes fort, nur befinden
wir uns rechts im Frühling, links im Herbste. Blühende
Obstbäume säumen den Bach, an dem ein junger
Schäfer, umringt von seinen Thieren, mit einem jungen
Mädchen plaudert. Auf der andern Seite färbt herbst-
liches Laub die an einem Tümpel stehenden weiden
und Pappeln, an deren Fuße eine alte Frau eine Ziege
hütet. Das ganze Werk besitzt die dekorativen Vor-
züge aller großen Arbeiten Martins, und dabei ist noch
mit Freuden zu begrüßen, daß er sich diesmal ganz von
der Phantasie entfernt hat und streng bei der einfachsten
Wirklichkeit bleibt, in der er seine überaus wirksamen
Motive gefunden hat.
Jean Paul Laurens hat in einem gleichfalls drei-
theiligen Bilde die letzten Schicksale der Jungfrau von
Orleans dargestellt. Laurens ist vielleicht der tüchtigste
Vertreter des akademischen Historienbildes, und sein
neues großes Werk ist eine sehr gute Arbeit dieser
Gattung. Den heutigen Anforderungen an ein deko-
ratives Gemälde aber genügt das Werk kaum, und es ist
zu bedauern, daß Laurens sein ungewöhnlich großes
Talent, seine künstlerisch wie technisch sehr hoch stehende
Begabung dazu benutzt, um — anders weiß ich mich
nicht auszudrücken — Bücherillustrationen riesengroß
auszuführen. Ganz hübsch und angenehm in der Farbe
ist das dekorative Gemälde von Albert Thomas, worauf
weißgekleidete Frauengestalten in offener Wald- und
Wiesenlandschaft dargestellt sind. Sehr banal wirken
die Deckengemälde von Schommer und von Tourselles-
Dumont, und der Plafond von Bourgonnier würde
das nämliche Beiwort verdienen, wenn er sich nicht
dadurch auszeichnete, daß rosige Nebel die ganze Fläche
bedecken und von den Musen und Putten, die sich auf
der Leinwand herumtummeln, nur wenig Bruchtheile
sichtbar lassen, was der Arbeit wirklich einen fast origi-
nellen Anstrich giebt. Römisch wirkt die Darstellung
der Katastrophe von La Martinique von La Lyre,
worauf die Dämonen der Unterwelt mit ihren Marter-
werkzeugen in einer wirr durcheinanderwirbelnden Schaar
nackter Frauenleiber herumhantieren. Noch komischer
ist das Niesenbild von Louis Beroud, der wie La Lyre
erhaben wirke?: wollte und ins Lächerliche verfallen ist.
Lin Niesengenius schwebt über der brennenden Stadt
St. Pierre und schaut grimmig zum Himmel empor,
der das ganze Unglück angerichtet hat. Tattegrain
durchwühlt seit zehn oder fünfzehn Jahren die alter:
Chroniken, um recht schreckliche Begebenheiten zur Dar-
stellung zu finden: verhungernde Bewohner einer be-
lagerten Stadt, vor den Plünderern und Mordbrennern
fliehende Volksmengen und ähnliche Dinge, das ist Wasser
auf seiner Mühle. Heuer hat er entdeckt, daß im Jahre
f54s4s die Engländer Boulogne eingenommen haben und
daß darauf die Einwohnerschaft bei strömendem Regen
die Stadt verlassen und sich durch die angeschwollene
Furt von Etaples gerettet hat. Also hat er die Furt
gemalt, angefüllt von verzweifelten Männern, Frauen
und Rindern, von Ertrunkenen und Ertrinkenden. Ich
finde eine derartige Wahl des Sujets ebenso unerfreulich
wie unnütz, will der Künstler Moral predigen, was
ich ihm nicht verwehren werde, dann nehme er ein
modernes Sujet, das uns etwas sagen kam:. Auch hier

kann Tattegrain Greuel und Schrecknisse in Ueberzahl
finden, und die Darstellung derartiger moderner Vorgänge
könnte vielleicht etwas nützen. Neber die Leute aber,
die vor fast vierhundert Jahren bei Etaples ertrunken
sind, können wir uns heute nicht mehr ereifern, und
die Kunst Tattegrains reicht nicht aus, um uns den
Vorgang interessant zu machen. Ich nenne noch drei
Niesenbilder des Salons: üss bruvs8 A6N8 von Nouffet,
der Angriff der französischen Reiterei bei Sedan, eine
große und schlechte Zeitungsillustration, die bei den
Hurrahpatrioten ihre Bewunderer finden wird; die von
wildem Leben erfüllte Vertheidigung von Saragossa
durch seine Greise und Frauen gegen die französischen
Soldaten, von Bergös, und die in der Art eines mittel-
alterlichen Holzschnittes gehaltene, auch in der Farbe
ganz an diese alte Kunst erinnernde Bewillkommnung
einer siegreichen Flotte in Antwerpen s308, von Piet
Verhaert, eine Arbeit, die wahrscheinlich auch in
kolossalem Maßstabe sehr dekorativ wirken würde.
Die Schilderer von Menschen im Zusammenhang
mit der sie umgebenden Landschaft oder in ihrem
Interieur sind in: alten Salon nicht so zahlreich wie
bei den jüngeren Nachbarn. Ich nenne hier vor allen:
Desire Lucas, einen der feinsten und charaktervollsten
Schilderer der bretonischen Fischer und Bauern und zu-
gleich einen der poetischsten Maler sanfter Interieur-
stimmungen. Seine jungen Bauern, die sich um den
Vater am Herdfeuer versammeln und den Worten des
Alten lauschen, sind eines der besten Beispiele dieser
malerisch wie inhaltlich bewunderungswürdigen Kunst.
In dem bretonischen Hafen mit seinen Fischerfahrzeugen
zeigt Lucas sich als einer der harmonischsten und zu-
gleich kräftigsten und eigenartigsten Koloristen der jungen
Generation. Ein ähnliches Interieur aus der Bretagne,
wobei das durch zwei Fenster, getrennt durch einen
großen Schrank, in die niedrige Stube fallende Licht
mit größter Geschicklichkeit zu harmonischer Wirkung
verwerthet ist, hat Mar Kahn ausgestellt. Max Bohm
schildert Menschen und Land in der Picardie, wery sucht
sich seine Modelle in Holland, Sorolla y Bastida läßt
seine spanischen Strandbilder von der blendendsten
Sonne beleuchten, Emil Hirschfeld bleibt bei seinem
Toncarneau, von wo er diesmal die Verhaftung eines
armen Teufels durch die Gendarmen, begafft von der
neugierigen Menge der Fischer und Fischerinnen, gesandt
hat. Alexis vollon, Joseph und Franck Bail sind alle
drei von: Stillleben zur Wiedergabe sanft beleuchteter
Interieurs übergegangen, wobei sie mit Vorliebe weiße
Gewänder und weißewände, von gleichmäßigen Strömen
gelben Lichtes übergossen, darstellen. So sind Heuer
das Tischgebet der weißgekleideten Nonnen von Joseph,
die drei Mädchen am weißbedeckten Tisch von Franck
Bail und die Spinnerinnen von Vollon gehalten. Sy-
nave, Geoffroy, Luigi Loir und Jules Adler sind in
Paris geblieben. Die ein paxierschiffchen auf dem
Goffenwaffer segeln lassenden Kinder Synave's gehören
mit zu den besten in diese Kategorie gehörigen Bildern
auf der Ausstellung und rechtfertigen das günstige Urtheil,
das man im vorigen Jahre bei Gelegenheit des Bildnisses
von Jules Adler über diesen jungen Künstler fällen
durfte. Loir's pariser Straßenbilder bei Abend im
Scheine der Laterne?: sind so bekannt, daß die Namens-
nennung genügt. Geoffroy hat in einem große?: Drei-
bild das Innere eines Bureaus der Oeuvre äs la,
Zoutcke äe lait. dargestellt, freundliche Aminen, ernste Dok-
toren, rosige Säuglinge. Jules Adler zeigt ei?: armes
Arbeiterpaar auf einer Bank, ganz vorzüglich aufgefaßt,
energisch charakterisirt und sehr gut in die graue
pariser Atmosphäre gesetzt. Hierher gehört auch Lho-
 
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