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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Gustav, Leopold: Münchener Brief [1]
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Frankfurt a. M.: Kunstbericht
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Berliner Kunstschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.61999#0034

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Die Annst-^alle.

Nr. 2

verbinden. Waldemar Wecker bringt einige charakteristische
portraitreliefs in Wachs. Lin Relief sür ein Grabdenkmal
von ihm stellt einen Zug singender Binder voll frischer Be-
obachtung und Ungezwungenheit der Anordnung dar; ein
zweites Relies schildert eine Schaar alter Proletarier, die einem
Sarge folgen. Ernst Geyger bringt einen reizvollen Frauen-
kopf und das Pochrelief eines antiken Pelden oder Sängers.
Richard Förster's „Versuchung" schildert eine anmuthig-kokette
Eva. Und neben dieser liebenswürdigen Kleinkunst bringt er
eine charakteristische Portraitbüste und einen jugendlichen David
aus Bronze.
Als Vereinsblatt (g02 bietet der „Kunstverein" eine
Radirung von Doris Raab nach Mathias Schmidt's „Ge-
löbnis;", welche die Vorzüge der trefflichen Künstlerin wieder
im vollsten Lichte zeigt. Ohne Parten weich und tonig ge-
halten, bringt sie besonders die Lichtwirkungen zu schöner
Geltung.
Karl Bössenroth hat (bei Krause L Finkh) eine größere
Kollektion ausgestellt. Ls sind wieder Skizzen und Studien
von prächtigem Kolorismus und Sicherheit, mit bekanntem
Temperament hingehauen. Wieder Versprechungen auf vor-
zügliche Bilder, Versprechungen, die man gern eingelöst wünschte.
Leopold Gustav.


Frankfurt a. M:
Almtbericlit.

ie perbstsaison, die der Kunstverein mit einer Aus-
stellung schottischer Künstler, der Münchener Luitpold-
gruppe und graphischen Arbeiten von Käthe
Kollwitz eingeleitet, bringt noch außerdem eine räumliche An-
nehmlichkeit, über die an anderer Stelle bereits berichtet wurde.
Ueber die Darbietungen der Luitpoldgruppe ist es schwer,
Neues zu sagen. Nicht, weil Manches schon durch Aus-
stellungen vielfach bekannt geworden ist, als vielmehr durch
die einwandfreie Güte des künstlerischen Niveaus, auf dem
diese Arbeiten stehen. Sezessionistische Purzelbäume fehlen
ebenso, wie der abstrakte Akademismus. Dasür begegnen
wir einer Anzahl Arbeiten, denen die Marke des Eklektizismus,
die ihnen mehr oder weniger ausgeprägt ist, wenig von ihrer
trefflichen Gesammterscheinung benimmt. — Was die Schotten
dagegen bieten, ist eine sehr eigenwillige und „individuelle"
Kunst. Dunkle und sonnige Stimmungen, ein verträumtes,
schwermüthiges Naturgefühl geht durch diese stillen Landschafts-
bilder. Sie spiegeln den Charakter und die Naturseele des
schottischen Pochlandes wieder: Nebelgraue Fernen, bewölkter
Pimmel; schwarze Seen mit einsamen Ufern, röthliche paiden,
über die Bienen und Schmetterlinge summen; Lichen und
Buchen, die ihr Gezweig in stille Fluthen senken. Daß dieses
merkwürdige Land voll melancholischer Romantik die Wiege
einer neuen Landschaftsauffassung werden mußte, ist weiter
nicht verwunderlich. Pier decken sich wieder einmal Kunst
und Nationalcharakter in vollkommener Weise; wir haben die
Empfindung und die Ueberzeugung, daß diese malerische Aus-
drucksweise „recht" ist. wollten wir indes in ähnlicher weise
bei den Arbeiten von Käthe Kollwitz eine Parallele
zwischen Kunst und Nation ziehen, so müßten wir Deutschland
als den sozialen Revolutionsstaat par exeollonos deklariren.
Man könnte diese Radirungen mit ihren radikalpolitischen
Tendenzen für Flugblätter von anno (7Y2 halten. Jakobiner-
pöbel, der in enger Gaffe um ein Blutgerüst die „Larmagnole"
tanzt; Typen jener Weiber, die den Zug nach Versailles unter
Theroigne d'Mericourt unternahmen; „Arbeitlose" in russiger
Kammer, durch deren Dachlucke Gevatter Sensenmann seine
Knochenhand streckt — das sind so ein paar Motive dieses
Zyklus. — von dem Brüsseler Lucien Frank sehen wir
Proben der kräftigen, licht- und farbenfrohen Kunst der
modernen vlamen.
Bei Goldschmidt dominirte Meister Böcklin mit einer
großen Serie — aber nicht jener bunt zusammengewürfelte
Atelierkram, der von pietätloser pand kurz nach des Meisters


Pinscheiden an die Meffentlichkeit gezerrt wurde, sondern eine
Serie mit zum Theil wirklichen Pauptbildern aus der besten
Schaffenszeit Böcklin's. Als beste die beiden großen Tafeln
„Krieg" und die Allegorie „Malerei und Dichtung". Ueber
Böcklin zu sprechen, erscheint heute fast schon als Gemeinplatz;
lassen wir es dabei bewenden, zu konstatiren, daß alle post-
humen Wanderausstellungen eigentlich wenig zu Böcklin's
Popularisirung beitragen können, da gerade Böcklin in seiner
Schaffenskraft mehr von Stimmungen abhängig war als
irgend ein anderer Künstler. Dieses Moment wird im heutigen
Kunsthandel, wo nur „Namen" gelten, fast ganz ignorirt.
Im Kunstsalon Schneider-Andreas hat Pans von
Bartels-München eine größere Sammelausstellung arrangirt,
die wieder einmal beweist, welch' verblüffender Wirkungen das
Aquarell fähig ist. Freilich bedient sich Bartels nicht der
reinen Wasserfarben, er kombinirt sie vielmehr mit dem
Gouache und gelangt damit zu ähnlichen Resultaten wie
Menzel. Namentlich das Deckweiß ist für ihn ein wichtiges
pülfsmittel. An Transparenz büßt das Aquarell dadurch in
dem Maße ein, wie es an Leuchtkraft und plastischer Wirkung
gewinnt. Weniger die dalmatischen Küstenschilderungen, als
vielmehr die holländischen Motive und Marinen zeigen uns
Bartels' Virtuosität im besten Lichte, die sich neben den
Leistungen der großen englischen Meister „in rvator oolonrs"
stolz behaupten kann. — An eine Kunstrichtung alter Tage
knüpft eine große Landschaft von Anton Bürger-Lronberg
an, und daß diese Richtung noch in keiner weise „veraltet"
erscheint, sondern eine recht kräftige und sympathische Wirkung
übt, ist symptomatisch für die Stabilität alles dessen, was
gute Kunst bedeutet. Altmeister Burger, der schon in den
sechziger Jahren mit einem kleinen „Interieur", das heute in
der Pinakothek zu München hängt, die goldene Medaille er-
rang, untermalt heute wie ehedem seine Landschaften mit
„brauner Sauce", ein porror für unsere modernen pleinaristen I
Aber man beachte, wie fein die ganze Farbenskala sich diesem
warmen Goldton anschmiegt — eine Wirkung, die auf den
blau- und violettgetönten „Impressionen" meistens ausbleibt.
— Fritz Boehle-Frankfurt wirkt in seiner Gruppe „Gärtner
bei der Arbeit" mehr durch zeichnerische, als koloristische
(Dualitäten.
Bei permes führte der Stuttgarter Otto Reiniger
eine interessante Probe seiner großzügigen, mit wuchtigen
Mitteln arbeitenden Kunst vor. Sein „vereister Bach im
Winter" ist mit so wenig Prätension geschildert, daß man
über die Unscheinbarkeit des Motivs leicht der eminenten Fein-
heit der Tonharmonie vergißt. Die große „Sommerlandschaft"
ist mit wuchtigen Pinselhieben auf die Leinwand gesetzt, aber
auch hier herrscht eine Neigung zur Farbenaskese vor, die fast
schon an Manie grenzt. — Line Serie von zartbehandelten
Landschaften von Louis Jimenez ist fast der direkte Gegen-
pol zu Reiniger's Kunstauffassung. — Line aus über 20 Ge-
mälden bestehende Serie des Amsterdamers Cornelis de
Moor führt den Beschauer auf jenes Gebiet malerischer An-
schauung, die uns permes schon früher einmal durch Toroop's
Kunst näher gebracht hat. So extrem wie der Javaner ist
nun Lorn, de Moor nicht; er fühlt sich mehr als Landsmann
der großen Niederländer des (7. Jahrhunderts. Selbst die
altdeutschen Tafelmaler scheinen die Allegorien und symbo-
listischen Entwürfe des jungen Malers beeinflußt zu haben.
Aber wenn auch der Most noch etwas ungebärdig braust —
die Farbenschönheit, die Gedankenfülle und der edle dichterische
Gedanke, der die Bilder durchweht, läßt uns die Zuversicht,
daß aus dem Most sich noch edler Wein klären wird.
rr.

Miner Aliiutrcksli.
Im Mittelpunkt der neuen Ausstellung des Salon Schulte
stehen, wenn man von den noch immer viel ausgesuchten Böcklin-
bildern absieht, die zahlreichen Werke zweier Schweden, des
bei uns schon wiederholt gewürdigten Landschafters Gottfried
Kallstenius und eines minder bekannten, G. A. Fjaestad,
der ein virtuos der Schneelandschaft ist. Er malt nicht, wie
 
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