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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Berliner Kunstschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.61999#0035

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Nr. 2 TN e A u n st - k) a l l e. 2ö

unsere Landschafter, eine mit Schnee bedeckte Gegend, von
welcher noch alle Formen unter der leichten Hülle erkennbar
sind, sondern meist erscheinen seine Landschaften so in Schnee-
massen versunken, daß man nur an wenigen Stellen organisches
Leben, z. B. die Aeste einer Fichte, merkt. Ls kommt ihm
Alles auf die frappante Charakteristik der Schneewüste an,
wie dem japanischen Künstler, und dieser Charakteristik zu
Liebe stilisirt Fjaestad das Naturbild im Sinne seiner Natur-
empfindung. Nicht nur die Schneewüste schildert er, die bei
blauem Himmel bläuliche Reflexe, bei dunklem oder grauem
Himmel graue Reflexe zeigt, auch die zerrissene Eisfläche,
einen Frühlingsabend auf dem Life, Herbstlandschaften aus
Wermland — Alles von leiser Melancholie umflossen, mit be-
stimmtem stilisirten Ausdruck der Zeichnung, aber glatter,
weicher Nalweise. Kallstenius wirkt hier grandios in
einigen auch dekorativ packenden Bildern: Kiefern an der
Küste, Nondaufgang bei den Kohlenmeilern, Abend in den
Scheeren, Lilien und Abendluft, Abend am Werksdamm, Mond-
nacht u. s. w. Lr steht ohne Frage mit in der ersten Reihe
der kraft- und stimmungsvollen Naturschilderer Schwedens.
Auch sonst bietet der Salon Mannigfaltiges und Schönes.
Von dem Belgier Lmile Claus impressionistische Landschaften,
Dorfgegenden und jugendliche Dorftypen, in manierirter bunter
Behandlung des sonnigen Freilichts, von Julius jdotvin —
einem zweiter: Belgier — Köpfe, Interieurs, ein dunkles
Küstenseestück, Landschaften in bunter, pastoser, fetter nnd
manchmal leuchtender Koloristik. Dann nenne ich Ioh.
G Dreydorff, dessen farbenreiche impressionistische Landschaften
in ihrer Stilifirung eine eigene Note besitzen. Mit Wohl-
gefallen erblickt der Besucher ferner die fein behandelten ober-
bayerischen Motive von Lrich Kubierschky und die trefflich
aquarellirten märkischen Waldlandschaften von Max Zaeper.
Ihnen möchte ich das großzügige, in lichter Färbung wunder-
voll gemalte Seestück von Hans Bohrdt anreihen. Unter
den Figurenmalern ist der Münchener Karl Seiler mit einigen
delikaten Interieurs vertreten, Hanns Fcchner hat eine Anzahl
auf einen grauen Ton gestimmter Bildnisse von Herren und
Damen ausgestellt, die sehr lebensgetreu wirken, darunter
Kniestücke des deutschen Kronprinzen und eines Grafen Arnim.
Auch das wohlgetroffene Konterfei eines Berliner Kapell-
meisters von Jos. Michael scheint mir bemerkenswert^
G.
Bei Keller u. Reiner hat Melchior Lechter eine
Sonderausstellung veranstaltet, die, abgesehen von zahlreichen
für Buchschmuck ausgeführten Zeichnungen, in der Hauptsache
des Künstlers große Gemälde, bezw. Kartons, für den jdrunk-
saal enthält, den er im Auftrage des Großindustriellen jdallen-
berg zu Köln für das dortige neue städtische Museum entworfen
und bis ins Einzelne ausgestaltet hat.
Hier wird das Interesse vor allem durch das große
Tafelgemälde „Die Weihe am mystischen (Duell" in Anspruch
genommen, dessen nicht mit ausgestellter, ebenfalls von Leckster
entworfener Rahmen, wie im Katalog mitgetheilt wird, den
Leitspruch trägt: „Berufen durch des mystischen (Duelles Trank
empfange den heiligen Rausch, aus dem geboren geweihte
Werke." Man steht vor einem mit Goldfarbe gemalten,
ornamentirten Tempelbau, der den emporsxrudelnden (Duell
überdacht, eine ätherische, in weites Gewand gehüllte, von
einem Heiligenschein umstrahlte weibliche Gestalt, die in den
überzarten, gespreizten Händen die Krystallschale hält, in der

sie dem vor ihr knieenden Berufenen den „mystischen Trank"
reicht, während Weihrauchfässer schwingende Gestalten zu beiden
Seiten stehen. Leckster hat dem. Begnadeten offenbar die
allerdings stark idealisirten Züge seines geistesverwandten
Freundes Stefan George verliehen, dessen vielfach allzu
„mystischen" Werke er mit Vorliebe illustrirt.
Aus dekorativen und stilistischen Gründen jedenfalls hat
das Bild die Form des neuerdings so sehr in Aufnahme ge-
kommenen Triptychons erhalten, dessen mittlerer Theil hier
den geschilderten Vorgang zeigt, während auf dem rechten
Flügel ein musizirender Genius, auf dem linken schwebende
Rosen tragende Gestalten dargestellt sind. Blumenübersät ist
die Erde ringsum — in der Ferne dehnt sich ein See, in dem
der brennendrothe Himmel sich spiegelt.
Das Ganze, dem Stil der altitalienischen Meister angelehnt
und ihm nachgebildet, giebt eine farbenschöne, kraft- und
stimmungsvolle Dekoration und beweist im Einzelnen wieder,
welch' ein Meister des Zeichnens Leckster ist. Die volle Wirkung
des allerdings sehr eigenartigen Gemäldes wird natürlich, wie
in dem ganz mit großen Buchstaben gedruckten, nur mit Mühe
zu entziffernden Katalog richtig gesagt wird, erst am Grte
seiner Bestimmung möglich sein, wenn es eingefügt ist in die
streng stilisirte Umgebung und überfluthet wird von dein
goldene:: Dämmerlichte der tieffarbigen Glasgemälde. Was
Leckster als Glasmaler leistet, ist allgemein bekannt — die
Kartons zu den Glasgemälden lassen hier nur die Schönheit
des Entwurfes und der Zeichnung ahnen. Die zahlreichen
Studien beweisen ebenso sehr den unermüdlichen Fleiß, wie
den Ernst des in seinen Schöpfungen oft so seltsam anmuthen-
den Künstlers und sie lassen mehr noch, als manches seiner
Gemälde sein großes Können erkennen.
Wie inan auch denken mag über das in mancher Hinsicht
etwas geschraubte und gesuchte Drum und Dran — der Ein-
druck, daß man ein hohes, ausgerciftes Kunstwerk, daß man
die Arbeit eines große:: Künstlers vor sich hat, ist vor dieser
„Weihe am mystischen (Duell" zwingend und unabweisbar.
Hanl warncke.
Bei A. Wertheim wird eine „ G esammtan l age
moderner Wohnräume" vorgeführt, die nach den Ent-
würfen einer Anzahl neuerdings oft genannter Künstler her-
gestellt worden ist. Als Leiter der Veranstaltung hat hier
Curt Stoeving seine vielseitige und schätzbare Kraft auf
einen: Nebengcbiete bewährt. Von ihin selbst sind zahlreiche
Bronzen vorhanden, Figürliches, Reliefs und selbst Gebrauchs-
gegenstände; die letzteren von jener einfach-herben aparten
Behandlung, die wir früher schon charakterisirt haben. Für
jeden der Räume, bestehend aus Wohn-, Arbeits-, Speise-,
Schlafzimmer, Salon, Kinderstube, Küche, Vorzimmer u. s. w.,
hat der betreffende Künstler eine Lösung der Einzelstücke wie
der Gesammtausstattung erstrebt, die sich von den bisherigen
Tendenzen der dekorativen Wohnungsausstattung zum Theil
erheblich unterscheiden. Schon in früheren Epochen ist bekannt-
lich einmal versucht worden, einen „neuen Stil" als „Dokument
der Zeit" zu erfinde::: man scheiterte freilich damals, weil man
zu sehr an neue Kunstformen dachte. Unsere heutigen Kunst-
gewerbler mit ihren: bescheidenen Maß von Phantasie wollen
und suchen scheinbar überhaupt nicht künstlerische Aequivalente,
sondern beschränken sich auf den konstruktiv-technischen Ersatz,
der uns manchmal in einem äußerst kunstarmen Gewand ent-
gegentritt und unsere Empfindungen durch seltsam primitive
 
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