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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Haenel, Erich: Dresdner Brief [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.61999#0068

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Die A u n st - a l l e

3^

Nr.

Dreröener Aries.

er außerordentlichen Entwicklung, die der Photographie
im Verlauf etwa des letzten Jahrfünftes fast einen
Platz Seite an Seite mit den freien malerischen Künsten
verschafft hat, einmal angesichts eines ihrer jüngsten Erzeugnisse
nachzuforschen, bot eine Ausstellung von Merken des Dresdner
Photographen Erwin Raupp in Richters Kunstsalon er-
freuliche Gelegenheit. Bis in die 40 er Jahre des vergangenen
Jahrhunderts heißt es zurückwandern, um der frühesten künst-
lerischen Porträtaufnahmen gewahr zu werden, die damals der
englische Naler David Gctavio Hill als Studien für seine
großen Figurenbilder anfertigte, von England aus drangen
dann auch, vor etwa zehn Jahren, die Ideen und Anregungen
einer von malerischen Gesichtspunkten der Raumvertheilung,
Mahl des Hintergrundes, Linienführung u. a. geleiteten Pho-
tographie nach dein Kontinent, aber noch heute stellt jenes
in Lraig Ann. z. B. die bedeutendsten Erscheinungen der
neuen Kunst. Bald folgte auch Amerika, wo Männer wie
Moore, Eikemeper, Käsebier, auch Frau Franeis Johnson das
Genre — und landschaftliche Figurenbild besonders pflegten,
allmählich Europa selbst, das den Errungenschaften des Im-
pressionismus hier ein neues Gebiet erschloß. Blieb auch
Frankreich etwas zurück, so griffen doch Mesterreich, mit dem
Miener Kleeblatt Kühn, Henneberg und Matzek, und Deutsch-
land, das in Hamburg ein äußerst leistungsfähiges Zentrum
fand — man erinnere sich der Namen Gebr. Hofmeister,
Arnim, H. M. Müller — bald energisch in die Bewegung ein.
E. Raupp weiß vor Allem den seit etwa 18Y6 Angeführten
Gummidruck so zu behandeln, daß die diesen: Verfahren eigen-
thümliche Zerstörung des scharfen Konturs, durch das mehr-
malige Uebereinanderdrucken von der Platte, zu einer (puelle
der feinsten malerischen Tonwerthe wird. Auf einem Motiv
vom Allrhein hebt sich die dunkle Baumgruppe in einer weise
kräftig und zugleich weich vom Hellen Himmel ab, wie man
es auf Gemälden schottischer Meister oder Ludwig Dills als
Erzeugniß des ausdrucksreichsten Impressionismus zu be-
wundern pflegt. Auf einem andern Blatt erreicht der Künstler
einen besonderen koloristischen Reiz, indem er die dunklen
Theile eines Waldes schwarz auf gelbgetöntem Untergrund
fixirt und die leuchtenden Birkenstämme selbst weiß ausspart.
Eine Reihe dickbeschnciter Meidenstümpfe, riesigen Ehampignons
gleich in ihrer grotesken Unförmlichkeit, dann eine Sandstraße
im tiefen Schnee, über der die eisige Ruhe unendlicher Mede
liegt, zeigen, daß auch die Accente des Herben und Schweren,
die dem winterlichen Naturbild eigen, der Kamera des
Kundigen nicht versagt sind. Hervorzuheben bleibt bei allen
diesen Blättern, die meist nach kleinen Aufnahmen 9 em und
12 ein vergrößert worden sind, das feine Empfinden für das
wesentliche eines landschaftlichen Eindrucks, der rasche Blick,
mit dem die Grenzen des Ausschnitts gezogen sind, die vor-
nehme und liebevolle Sorgfalt, die das Unscheinbare heraus-
hebt und sich vor dein Nachgehen ausgetretner Pfade hütet —
werthe, die den Namen „Kunstwerke" für diese Arbeiten wohl
gerechtfertigt erscheinen lassen. — Aehnliches gilt von den
Porträts. Die Gestalten stehen nicht mehr vor der konven-
tionellen, langweiligen Atelierkulisse, sondern ihre Haltung
entwickelt sich aus der räumlichen Umgebung, die nie den
Charakter des bewohnten Jnnenraumes zerstört. Sowohl der
Gummidruck, wie der die feinsten Details wahrende Pigment-
druck, beide vielfach auf grobkörnigem Papier, sind hier in

ausgezeichneten Proben vertreten, von Interieurs fesselt be-
sonders ein Gruppenbild, Paul Lindau in einer Regiesitzung
mit seinen Genossen am Berliner Theater; die scharfgeschnittenen
Schauspielerköxfe blicken wunderbar lebendig. Gewiß mögen
manche dieser Bilder, in denen das geistig Hervorragende
eines Kopfes mit allen Mitteln herausgeholt ist, den Dar-
gestellten bedeutender, interessanter aussehen machen, als es
ihn: die Natur verliehen hat. Aber als Rückschlag gegen die
sprichwörtlicheLangeweile der gewöhnlichen Porträtphotographien,
die in jeden künstlerisch behandelten Raum eine Banalität,
wenn nicht gar eine Geschmacklosigkeit setzten, wird man sicb
diese Manier doch gern gefallen lasten. Als Ganzes genommen,
stehen Rauxps Arbeiten sicher auf der Höhe des heute für die
Photographie künstlerisch Erreichbaren.
Fritz v. Uhdes „Karfreitagsmorgeu", das Bemerkens-
werthefte der gleichzeitig ausgestellten Gemälde, schildert die
innere Erschütterung der drei Frauen, die vorn Grabe des
Herrn heimkehren, nicht ganz mit der gewohnten Tiefe, von
w. Steinhaufen findet sich eine sitzende Lhriftusgestalt, Frag-
ment aus einer Bergpredigt, ein ernstes, innerliches Bild,
dessen Linien fast monumental heißen können. Mehrere Land-
schaften zeigen den Künstler im Besitze eines auch in: Rein-
Malerischen gesunden und natürlichen Ausdrucksvermögens.
Georg Lührig ist einer aus der Gruppe junger Dresdner, die
der im Studium der Schwarzweiß-Kunst erworbenen Be-
herrschung der Form eine Sonderstellung, und zwar eine mit
vielen künstlerischen Vortheilen ausgestaltete, auch in: Reiche
der Malerei verdanken. Freilich empfand man das erfreulicher
bei feinem „Pelikan" der Dresdner Gallerie oder dem schönen
„Jugend und Alter", das in Düsseldorf zu sehen war, als
jetzt in der Landschaft „Aus Rumänien", deren eigenthümlich
pedantische Formen hart und luftlos im Raume stehen. Da-
gegen ist der Kopf eines alten Mannes ein vortreffliches Muster
seiuer kraftvollen, germanisch ehrlichen Kreidemanier, und auch
die mit der Feder gezeichneten Baumgruppen verrathen, so
naiv und einfach die Technik auch aussieht, ein vollkommen
ausgereiftes Können.
Den Werken des im Vorjahre verstorbenen Landschafters
Friedrich Preller, Professor an der Akademie, die eine
umfangreiche Nachlaßausstellung vereinigt, gegenüber wird
man heute nicht ganz leicht den rechten Maßstab finden, von
ihnen zu den Kunstphotographien, die eben noch dieselben
Räume einnahmen, zierliche Fäden zu spinnen, kann dem
nicht schwer fallen, der sich erinnert, daß des so Geehrten
großer Vater und Meister noch 1860 der Ansicht war, die
Photographie sei all den antiidealistischen Kunstfalschmünzern
zum Untergang geboren, denn die Maschine gebe das ihnen
so schmackhafte Detail besser wieder; die Regimenter schreck-
licher Porträtmaler hätten den Todesstoß! u. s. w. Der
heroische Zug, den Prellers landschaftlicher Stil sich aus den
Tagen der Gdysseebilder bis in die der realistischen Stimmungs-
kunst bewahrt hatte, stützte sich zu ausschließlich auf lineare
Elemente, als daß er einer, im farbigen Sehen der Dinge ge-
schulteren Generation tiefere Wirkung machen könnte, was
von einem ursprünglicheren Kolorismus noch etwa in der
Studie lebte, verschwand fast stets in dem fertigen Bild, das,
als Kompositionsgedanke, seine Schatten schon in jene frischere,
unwillkürlich ja naturalistische Leistung vorauszuwerfen pflegte.
An Liebe zur Sache und Wärme der Begeisterung fehlte es
dem bis an seinen Tod emsig Schaffenden nicht. Zahlreiche
Skizzen beweisen dies, unter denen man den Erinnerungen
an die Bergwelt der Schweiz, speziell die Gotthardstraße auch
 
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