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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Kiesling, Ernst: Sächsische Kunstausstellung Dresden 1903
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Kunstchronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.61999#0376

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328

Die A u n st - H a l l e.

Nr. 2 t

das deutsche Wesen in künstlerischer Form im (9- Jahr-
hundert am zutreffendsten wiederzugeben vermochte, eine
Sonderausstellung seiner Werke zu veranstalten, war
wirklich ein glücklicher Gedanke der Dresdner Kunst-
genossenschaft, welcher zweifellos dazu angethan ist,
fruchtbringend nachzuwirken, wie diese Aufgabe gelöst
wurde, in wie reicher Zahl es gelang, die Schöpfungen
Richters aus öffentlichen und privaten Sammlungen
zusammenzutragen, um sie der Sächsischen Kunstausstellung
anzugliedern und ihnen durch die Art der Gruppirung
ein so reizvolles anziehendes Gesammtbild zu geben,
verdient rückhaltlose Anerkennung. Durch die Errichtung
kleiner Linbauten sind Räume von höchst wohnlichem
Gharakter geschaffen, die nun die schlichten Bleistift-
zeichnungen, leicht kolorirten Aquarelle und in technischer
Einsicht auf das primitivste Maß beschränkten Gel-
gemälde des Meisters zu voller Geltung kommen lassen,
und ihren eigenartigen, unwiderstehlichen Zauber un-
beschränkt entfalten können, welche Fülle tiefsten Innen-
und reichsten Geisteslebens geht von dieser engbegrenzten
Stätte aus, und welche Liebe und Hingebung zur Natur
athmet jedes Blatt! wem bei diesem Anblick nicht das
Herz und die Augen aufgehen, wem hier nicht zur
Lrkenntniß kommt, worin das eigentliche Wesen reinster,
von allen Äußerlichkeiten freier und höchster Kunst
begründet liegt, der mag immerhin von Mache und
Malenkönnen etwas verstehen: was aber wahrhaftes
Kunstempfinden heißt, hat er nie begriffen.
Auch Ludwig Nichter's gesammelte Werke lehren
uns, wie auch er gerungen, wie auch ihm nicht erspart
blieb, erst durch Zrrthum zur Wahrheit zu kommen, daß
es auch für ihn eine Zeit gab, wo er einem falschen
Idol nachging, bis es ihm endlich gelang, in der ihn
unmittelbar umgebenden Welt das zu finden, was im
Bilde darzustellen er berufen war. Als ihm das Auge
für diese Welt aufgegangen war, da erst entfaltete sich
sein Naturempfinden, seine Beobachtungsgabe und sein
Gharakterisirungsvermögen, seine Phantasie und sein
unnachahmlicher, geradezu göttlicher Humor zu voller
Blüthe, von da an schuf er jene Werke, die den reinsten
Spiegel der deutschen Volksseele bilden, in welchen
deutsches Gemüthsleben zu klarstem Ausdruck gelangte.
Ls gab eine nicht gar so weit zurückliegende Zeit
in der diese Schöpfungen eines echt deutschen Meisters
fast vergessen waren und nur von einem kleinen Kreis
still beschaulicher Kunstfreunde noch Beachtung fanden,
und es ganz den Anschein hatte, als ob der Deutsche
sich selbst verloren, als ob er sein eigenstes Wesen ver-
leugnen wollte — aber wir dürfen uns doch heute
freuen, daß dies wieder anders geworden, daß doch
auch wieder weitere Kreise anfangen zu lernen wie ein
Kunstwerk betrachtet sein will, erkennen, daß nur ein
stilles Sichversenken uns die Sprache des Künstlers zu
offenbaren vermag. Und so wird die Sonderausstellung
der Werke Ludwig Richter's mit dazu beitragen, daß
sein künstlerisches wirken, das er zu einer so seltenen
Vollendung, Schönheit und Harmonie zu gestalten
wußte, aufs neue lebhaften Widerhall im Herzen des
deutschen Volkes finden wird. Kein wirklicher Freund
unserer Kunst sollte daher versäumen, sich an diesem
reinen Born neue Erfrischung zu holen.


Unsere MilSung.
Unter den Publikationen, die in letzten Jahren den Be-
wegungen der sog. angewandten Kunst in ausgiebiger weise
Rechnung tragen, spielt das regelmäßig erscheinende Unter-
nehmen „Der moderne Stil", das der rührige Stuttgarter
Verlag von Julius Hoffmann herausgiebt und dessen
IV. Jahrgang uns vorliegt, für die künstlerischen Interessenten
eine besonders wichtige Rolle. Dieser unbestrittene Werth des
artistischen Werkes, das eine seltene Fülle und Mannigfaltigkeit
kunstgewerblicher Erscheinungen aus allen heutigen Kunstländern
in jedem Jahrgang enthält, sagt um so mehr, als die Zahl
ähnlicher Publikationen fast mit jedem Monat wächst. Um
solche Abwechselung für alle Stoffgebiete zu bringen, bedarf es
zweifellos der fortgesetzten Aufmerksamkeit und eines in alle
Arbeiten der künstlerischen Kräfte tief eindringenden Ver-
ständnisses des Herausgebers. Einige Proben (Sitzmöbel) aus
dem „Modernen Stil" haben wir in der illustrativen Beilage
dieses Heftes vereinigt.


Aunckckronik.
* Aachen. Der neuen Kreuzkirche wurde von einem
Ungenannten ein künstlerischer Hauptaltar, dessen Herstellung
über 20 ooo Ulk. gekostet, kürzlich gespendet.
* Bamberg. Der verstorbene Freiherr von Marsch alk
hat die Stadt in seinem Testament reich bedacht. Außer der
ethnologischen Sammlung erhält sie die werthvollen, umfang-
reichen Kunstsammlungen und seine Villa am Schönleins-
platz zur Errichtung eines Muse u m s. Die Zinsen der Stiftung
von 250 ooo Nk. sollen hauptsächlich zu Reisestipendien für
junge Künstler verwendet werden. Die HO ooo Bände
zählende Bibliothek fällt gleichfalls der Stadt zu.
* Berlin. Dem neuen Kaiser Friedrich-Museum ist
eine Porträtbüste von Tamagnini (ca. t5oo) aus dem ehe-
maligen Besitz der Kaiserin Friedrich von deren Erben, dein
Prinzen und der Prinzessin Friedrich Karl von Hessen, ge-
schenkt worden. Dieses lombardische Marmorbildniß stellt den
Bankier Acellino Salvago vor.
* Gießen. Einen Theaterbau plant der hiesige
Theaterverein. Vorsitzender: Oberbürgermeister Mecum.
* Kopenhagen. Zu Ausgrabungen aus Rhodos hatten
die dänischen Gelehrten Blinkenberg und Kinch die Lrlaubniß
von der Pforte erlangt. Gegraben wurde in Lindos an der
Südostküste der Insel. Dort erhebt sich am Meere die Akropolis
der alten Stadt. Auf ihr hat inan den Grundplan des
Athenetempels und Theile seiner Mauern und Säulen wieder
aufgefunden. Der dorische Bau stammt etwa aus dem Jahre
H00 v. Ehr. Tempelinschristen und Reste von zwei archaischen
Marmorstatuen wurden an Ort und Stelle gefunden. Die
Akropolis selbst war von einer Säulenhalle umgeben, in der
mehrere Basen von Bildsäulen und anderen Weihgeschenken
noch standen. Ihre Inschriften sind besonders für die Kunst-
geschichte von Bedeutung, denn sie verzeichnen häufig die
Namen der Künstler. Namentlich über den Bildhauer Boethos
ergiebt sich mancherlei Neues. Außerhalb des Tempels wurde
in einer Grube eine große Menge von Terrakotten und vajen
entdeckt. Auch Funde aus viel früheren Perioden sind zu ver-
zeichnen, wo die Insel ein Mittelglied zwischen Griechenland
und den: Orient darstellte.
* Mailand. Eine Gallerie für moderne Kunst
wurde am zp Mai in den restaurirten Sälen des alten Sforza-
schlosses feierlichst eröffnet. Allerdings sind die älteren Epochen
des ^9. Jahrhunderts weit besser als die neueren vertreten,
und von deutscher Malerei sieht man nur je einen A. und
O. Achenbach. — In der Brera nimmt die alte Pinakothek
Nflch ihrer Neuordnung jetzt 32 Säle ein, Lin eigener Saal
 
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