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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Gustav, Leopold: Münchener Brief [2]
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Berliner Kunstschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.61999#0052

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Die A u n st - a l l e.

^0

Nr. Z

diese Ausstellungslokale den Reiz des völlig Bewohnbaren haben.
In Eß- und Schlafzimmern herrscht der englische Geschmack;
eingebaute Kamine mit bequem-traulichen Ruhebänken zu beiden
Seiteri sind sehr reizvoll in der Anlage. Ron den verschiedenen
Möbeln, die Pössenbacher für Ludwig's II. Schloßbauten lieferte,
finden sich in einer Verkaufshalle auch Muster vor. Ron Bildern
sind alte Meister theils Original, theils in Kopien bevorzugt. Liu
von Pössenbacher entworfener Schrank war uns in seiner har-
monischen Struktur aus pirth's „Deutschem Zimmer" bekannt.
Auch von Beleuchtungskörpern ist manches schöne Stück vor-
handen, dieselben entstammen ebenfalls den Werkstätten der
Fabrik, welche in ihrer Ausstellung die Erzeugnisse des allerneusten
Kunstgcwerbes minder bevorzugt. Ror allem verdient die künst-
lerische Art der Aufstellung Anerkennung, welche jedem Käufer
einige ästhetische Fingerzeige aufdrängen muß.

Zerliner Aunrkcksu.
Den beiden Nordländern Kallstenius und Fjaestad ist bei
Eduard Schulte ein dritter Skandinavier gefolgt, der Däne
Peter Severin Kroper. Mit einer stattlichen Zahl von
Werken ist er erschienen — sie füllen den ganzen Oberlicht-
saal —, und kaum eines ist unter ihnen, das man entbehren
möchte. Freilich gleichwerthig sind seine Schöpfungen darum
nicht. Aber unter den sorgfältig durchgeführten großen Bildern
findet sich ebensowohl vortreffliches, wie unter den flüchtig
hingestrichenen Studien, und wenn die charakteristische Dar-
stellung des geistvollen Georg Brandes in der Ausführung an
Frische und Temperament im vergleich mit der unmittelbar
daneben gehängten kleinen Skizze etwas verloren hat, so wird
man sich vor anderen Arbeiten darüber klar, daß der Maler
auszuführen versteht, auch ohne daß jene köstlichen Eigen-
schaften verloren gehen. Es ist schwer, das beste dieser Bild-
nisse herauszuheben, dieser in die Tiefe der Persönlichkeit
dringenden Lebens- und Charakterschilderungen, die technisch
mit Kühnheit und Sicherheit gegeben werden, vielleicht aber
steht ein älteres Porträt, das bereits im Jahre ^883 entstanden
ist, allen voran. Es stellt eine jugendlich schöne Frauengestalt
im schwarzen Reitkleide dar; vor ihr auf einem Tischchen liegen
Taschentuch, put, Stock und ein paar Rosen. Die junge Dame
schließt mit der rechten pand den pandschuh der linken. Nur
wenige Farben hat der Maler hier verwendet, den Pauptakkord
gicbt das ganz schlicht gemalte schwarze Kleid. Aber wie fein
ist der dunkle Stoff gegen den mattblauen pintergrund gestellt,
wie anmuthig die biegsame Gestalt, die wie schwebend empor-
steigt, der Ausdruck des schönen Kopfes — alles den fein-
sinnigen Künstler verrathend.
In späteren Bildern freilich arbeitet Kröver mit größerer
Breite und kräftigerer Pinselführung, für diese Art ist das
Porträt von Ionas Lie und das des perrn Schandorph höchst
bezeichnend. In beiden Gemälden sind die Einzelheiten des
Interieurs liebevoll festgehalten, ohne sich vorzudrängen. Was
Kroyer übrigens in dieser Beziehung leistet, beweisen auch
einzelne zarttönige Aquarelle. Mehr noch das „Frühstück" in
des Malers Pause. Pier giebt er ein Bild voll Leben und
Stimmung. Blau und gelb sind die Paupttöne. Aber vor
allen:: wie ist das Stillleben auf dem Tisch gemalt.
Monumentale Wirkung erstrebte der Porträtist in den
großen Bildnissen polger Drachmann's, der an ein Boot
gelehnt am Strande des Meeres, und Björnsons, der vor einer
großzügig erfaßten Landschaft im vollen Sonnenlicht mit kraft-

voller Charakteristik dargestellt ist. Eine lebensvollere, mehr
gesteigerte Persönlichkeitsschilderung läßt sich kaum denken.
Und wie weiß er andererseits den Ausdruck holder Kindlichkeit
in seine Kinderbildnisse zu bannen! Man sehe nur dies Bab'p
„vibeke" im Steckkissen, mit großen erstaunten Augen in's
Unbekannte schauend, und dasselbe Kind ein paar Jahre älter!
Und welche Grazie der Linienführung verleiht dem farbig
übrigens weniger befriedigenden Bilde der „pelga Melchior"
die in der Rechten nachgeschleppte Puppe! In der That auf
fast allen Gebieten bewährt sich in dieser Ausstellung Kroyer
als Meister der Malerei. Die Skizzen zu einigen seiner figuren-
reichen Versammlungsbilder beweisen, wie sein Auge große
Massen künstlerisch beherrscht, und eine Landschaft „Sommer-
abend am Strande", die den Maler mit seiner Gattin zeigt,
ist bei aller verblüffenden Einfachheit der technischen Mittel ein
Stimmungsbild ersten Ranges.
Ja, letzteres Bild Kroyers allein wiegt das Meiste auf,
was an Landschaften sonst zur Zeit bei Schulte zu sehen
ist. Aber nachhaltigen Eindruck machen uns u. a. noch
einzelne der farbenkräftigen Landschaften von Ludwig von
Seng er - München. In diesen Straßenbildern ist wirklich
Soune; nur in „Letzte Strahlen" könnten wohl die Töne etwas
kräftiger gewählt sein. Zu den besten Arbeiten des Künstlers
zählen zwei, die einen nicht gerade günstigen Platz erhalten
haben, das stimmungsvolle „Am Nachmittag" und das andere
„Im Regen" vor dein man das Rauschen des Regens zu
hören glaubt. —
Gleich Lenbach hat auch Josef Israels vieles von den
Alten gelernt, von den großen Meistern seiner holländischen
pcimath. In ihren: tiefen Ton, ihren: saftigen Kolorit, ihrer
eminent malerischen Wirkung gemahnen seine Gemälde an
Rembrandt, ohne je in Nachahmung zu verfallen. Die Werke
des nunmehr fast Achtzigjährigen, die zur Zeit bei Paul
Casfirer ausgestellt find, liefern einen neuen sprechenden
Beweis für seine noch immer jugendliche, starke Kraft.
Pier wird das Interesse zunächt durch das riesige Bild
„Der alte Jude" gefesselt. In einen: von tiefer Dämmerung
erfüllten Raum, der indeß durch ein Fenster zur Seite spär-
liches Licht empfängt, sitzt ein alter Mann schreibend vor einen:
langen Tische. Alles Licht ist auf seine Person, ja auf sein
durchgeistigtes Antlitz konzentrirt, das sich mächtig, das Paupt
eines Weisen, heraushebt aus dem Bilde. Alles nebensächliche
ist unterdrückt, im Dunkel der Rückwand bemerkt inan die
Krücken des Alten. Schwer zu sagen ist es, worin der starke
Reiz des Gemäldes besteht, wenn nicht einzig und allein in
der Kunst, nut der cs gemalt und in der tiefen Empfindung,
die in dies Bild gebannt ist. Wohl könnte der schöne leuch-
tende Fleischton des Kopfes, wohl die Art gerühmt werden,
wie der lang herabstießende Bart wiedergegeben ist, aber man
würde den: Bilde unrecht thun, wollte inan es nicht lediglich
als Gesamtheit auf sich wirken lassen.
Und so wollen auch die übrigen Gemälde von Israels
gesehen sein. Doch wie feii: bringt er die Stimmung zum
Ausdruck in dem kleinen Aquarell, das eine Frau mit Säug-
ling am Kornfelde daherschreitend zeigt, wie sicher beobachtet
erscheint „Der Angler" und die sandkarrenden Arbeiter? Wie
treu spiegeln diese flüchtigen Bilder das Leben wieder! lind
wie sehr gilt das Gleiche von dem bildnißartigen Profil
„Jüdische Frau"! Scharf und doch weich steht es gegen den
dunklen pintergrund, ganz weich, fast verschwimmen!) ist das
Auge hineingesetzt. Mit wenigen Pinselstrichen hat der Meister
soviel ausgedrückt; n:it Schlichtheit und Einfachheit auch in dem
 
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