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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Die bildende Kunst unter Papst Leo XIII.
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Harrach, Max: Die Neubelebung der Teppichweberei
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https://doi.org/10.11588/diglit.61999#0230

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l98

Die Aunst-Halle.

Nr. s3

Die Mbelebung öer Leppickveberei.
Issels im Vorjahre die wurzener Emyrnateppich-
(AsiE fabriken ein allgemeines Preisausschreiben für
0 moderne Teppichmuster erließen, war man
auch außerhalb der betheiligten Fachkreise auf die
Ergebnisse sehr gespannt. Die Misere, in welcher sich
die Teppichweberei in fast allen Kulturländern, dem
Orient ausgenommen, seit Jahrzehnten befindet, hatte
sich nachgerade zur Kalamität gesteigert. Fast alle
abendländischen Fabriken mußten, wenn sie einiger-
maßen marktgängige Erzeugnisse zu höheren Preis-
lagen liefern wollten, im Etile der türkischen und
persischen Vorbilder arbeiten. Trotzdem unterschied
man in privaten wie Händlerkreisen sorgfältig zwischen
„echten" und „unechten" Teppichen und die letzteren
waren eben die, welche nicht direkte Importartikel aus
dem Orient darstellten. Daß die abendländischen Er-
zeugnisse in Etil und Ausführung den „echten" Emyr-
naern mindestens gleichwertig waren, hatte auf die
Eache keinen Einfluß.
Gegenwärtig ist im Kunstgewerbemuseum zu
Frankfurt a. M. eine Eammlung Entwürfe aus-
gestellt, die in Folge des Eingangs erwähnten Wett-
bewerbs preisgekrönt wurden. Es sind sieben im Maß-
stab von je ca. 3X3/50 m gehaltene Teppiche, die nach
diesen Entwürfen in Emvrnatechnik hergestellt wurden.
Jeder Laie erkennt auf den ersten Blick sofort den
Unterschied, der zwischen den „echten" orientalischen
Teppichen und diesen hier gezeigten besteht. Es ist
der geläuterte moderne Etilgeschmack, der in diesen
Arbeiten zum Ausdruck kommt. Die Farbenwirkung
ist im großen Ganzen auf ruhige Kontraste berechnet,
wie es für das Auge, wenn der Blick sich zu Boden
senkt, am wohlthuendsten wirkt. Der mit dem ersten
Preis bedachte Entwurf von Rudolf und Fia Wille
in Friedenau-Berlin stellt auf mattgrauem Fond ein
kreisförmiges Ornament in Penseeart dar. Das
Dessin ist in zarten, variirenden Violetttönen abgestimmt.
Einige weitere Entwürfe zielen auf lebhaftere Farben-
wirkungen ab, z. B. stumxfrother Grund mit stahl-
blauen Dessins in großer Flächenmanier oder perlgrauer
Fond mit rostgelber bis hellchamoisartiger Grnamen-
tation. Unwillkürlich drängt sich bei diesen Entwürfen
ein Vergleich mit den Webereien der Echerrebecker
Echule auf. Aber die Aehnlichkeit ist doch nur eine
ganz oberflächliche, was in der webeschnle des
Echleswig-Holstein'schen Dorfes nach Lckmann's, Mohr-
butter's, Ubbelohde's, Vogeler's u. A. Entwürfen ge-
arbeitet wird, ist mehr als Beweis des Wiedererwachens
der Freude am Gobelin zu betrachten. Etoffliche
Ideen und eine bildmäßige Wirkung soll mit jener Webe-
technik erzielt werden, wie sie in Ekandinavien, nament-
lich in Norwegen als textile Hanskunst noch heute
während der langen Winterabende von der Land-
bevölkerung gepflegt wird.
Bei den hier erwähnten Bestrebungen handelt es
sich aber um jene industrielle Emyrnatepxichweberei,
für die wir bisher nur die orientalischen Muster als
unübertroffen und vorbildlich betrachteten. Den Ver-
such, den die Wurzener Kunstindustrie mit ihrem Preis-
ausschreiben unternommen, darf in rein künstlerischer
und auch in technischer Beziehung wohlgelungen be-
zeichnet werden. Für die billigeren Teppiche hat man
ja in der Iaquard maschine ein Hilfsmittel von
fast staunenswerther Brauchbarkeit und Nützlichkeit und
es wäre nur zu begrüßen, wenn auch für die wohl-
feileren Erzeugnisse, die für die „guten Etuben" der

Minderbemittelten bestimmt sind, die neuen Entwürfe
nutzbar gemacht werden könnten. — Die Etatistik hat
bewiesen, daß noch heute weit über die Hälfte des
Teppichbedarfs in Deutschland aus dem Orient be-
zogen wird, in erster Linie natürlich die Marke, die
wir als echte Emyrnaer bezeichnen. Daraus ist zu
ermessen, welchen Vortheil die heimische Industrie und
das deutsche Kunstgewerbe der textilen Technik und
einer erfolgreichen Neubelebung der Teppichweberei
ziehen könnte. Ein Haupterforderniß ist, daß der an-
gebahnte Versuch, geschmackvolle, moderne Muster zu
schaffen, weitergepflegt wird und daß sich vor Allem
die deutschen Konsumenten, auch Händler und „Kenner"
eingeschlossen, dazu entschließen, die Unterscheidungen
zwischen echten und unechten Teppichen fallen zu
lassen und die guten, deutschmodernen Muster
den orientalischen gleichzustellen. Unter dieser Voraus-
setzung wird der künstlerischen Geschmacksbildung ein
weiterer Erfolg sicher sein.
Max Harrach.

Die MenSe liimrt unter?sp§t Leo XIII.
ff Isis las römische Kunstleben unter päpstlichen! Echutze
bildet in der Neuzeit kein bedeutsames Kapitel
mehr wie in früheren Jahrhunderten. Dennoch
giebt das 25jährige Krönungsjubiläum Leo's XIII.
vielfach den Anlaß in der Presse, sich mit den unter den
Augen des gegenwärtigen katholischen Kirchenhauptes
angeblich blühenden Künsten in Nom zu beschäftigen.
Wesentlich unterschieden von dem Bilde, dein wir in
der Mehrzahl der Blätter begegnen, ist das Urtheil,
welches z. B. ein Mitarbeiter der „Neuen Zürich. Stg."
über jene Blüthe der römischen Künste entwirft. Durch
die von ihm vorgebrachten Thatsachen verflüchtigen
sich allerdings die Schilderungen der meisten anderen
Blätter zu bloßen Phantasiegebilden. Er schreibt:
„Leo übernahm mit der Tiara auch die künstlerische
Ueberlieferung Pius IX. und ist bis heute darüber
um nichts hinausgekommen. Fehlte es Leo XIII. auch
an der von seinem Vorgänger noch leider im Ueber-
maß genossenen Ellbogenfreiheit, jede noch so un-
bedeutende Restauration mit einer ruhmredigen Marmor-
inschrift zu versehen, so ward doch immerhin gebaut,
und zwar mehr als in irgend einem früheren Zeit-
raum. Allein in Nom sind während der Regierungs-
zeit Leo's XIII. nicht weniger als fünfzig Kirchen und
ungefähr doppelt so viel Kapellen errichtet worden;
außerdem wurden Dutzende älterer Kirchen restaurirt
und mit neuem bildnerischen Echmuck versehen. Nicht
ohne einige Besorgniß begann man gegen f88O, als
die Bauwuth alle Welt ergriffen hatte, Kirchen und
Konvente zu bauen, bald aber, als man sich über-
zeugte, daß selbst die allerliberalsten Kabinette nicht
daran dachten, das Gesetz über die Aufhebung der
Klöster zur Anwendung zu bringen, ward man sicherer.
Anter den Architekten jener ersten Bauperiode,
Vespigniani und Tarimini, hielt man im Etil noch
die römische Ueberlieferung des auf alle Bauformen
angewandten Barocks aufrecht, und die beiden Ge-
nannten thaten dies wenigstens mit leidlichen: Geschmack.
Bald aber wurden sie durch ein Heer neuer Archi-
tekten abgelöst, die um die wette Nom mit den aller-
 
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