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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Die bildende Kunst unter Papst Leo XIII.
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Berliner Ausstellungen
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Die A u n st - H a l l e.

Nr. s3

s99

kläglichsten Kirchen und Klöstern vollpfropften. Gleich-
zeitig aber ereignete sich ein merkwürdiges Phänomen;
Redemptoristen, Franziskanerinnen, Nonnen vom
„Heiligen Herzen" u. A. brachten eine neue Kunst-
religion nach Nom; ihre gothische Seele verachtete die
Einfachheit des altchristlichen Baustils, wie die üppige
Fracht des Barocks — und in Rom erhob sich bald
eine Rlenge Kirchen und Kapellen traurigster Ver-
unglimpfung des gothischen Stils. Eine Ausnahme
macht passarelli's gothische Santa Theresa-Kirche. Da-
mals entstand auch die San Gioaochino-Kirche in den
prati: das Absurdeste, was je auf dem Gebiete der
Architektur hervorgebracht worden ist. Die beiden
Baumeister Ingami und De Rossi haben hier alle be-
kannten Materialien zur überladensten und formlosesten
Anwendung gebracht, ohne einen anderen Eindruck
hervorzurufen als den eines Musterlagers.
weit tiefer noch als die Architekten stehen die
Maler Leo's XIII., die sich darauf beschränken, die
kalte Ueberlieferung der römischen Schule zu pflegen,
wobei der Eine oder Andere dem erschöpften aka-
demischen Stamm das Reis eines falsch verstandenen
Verismus aufzupfroxfen getrachtet hat. Leute, wie
Virginio Monti und Eug. Listerna, sind weniger
Künstler als dekorative Unternehmer, denen es auf ein
paar hundert (Quadratmeter bemalter wände nicht an-
kam. Es giebt kaum eine neuere römische Kirche, wo
diese beiden Anstreicher sich nicht durch ein elendes
Freskobild verewigt hätten. Auf eher niedriger als
höherer Stufe stehen Leo's XIII. Bildhauer, wie
Aureli und Luchetti, während sich aus der Schaar der
Maler doch wenigstens ein wahrer Künstler heraus-
hebt: Prof. Seitz, ein Deutscher, dem es aber leider an
Muth gebricht, dem Papst seinen willen aufzuzwingen.
Prof. Diego Angeli nennt ihn einen „Mann von Genie
und tiefer künstlerischer Bildung", was in der Malerei
unter Leo XIII. geleistet wurde, gebt auf Seitz zurück,
der u. A. den Braccio Nuovo der vatikanischen Antiken-
sammlung mit schönen Deckengemälden geschmückt und
die vernachlässigten Borgia-Gemächer im Vatikan stil-
gemäß restaurirt hat. Für die wenigen Katholiken,
welche einiges Kunstverständniß besitzen, mag es wenig
tröstlich sein, daß die einzige Kirche Noms unserer Zeit
von wirklichem künstlerischen werthe, die S. pauls-
kirche auf der Via Nazionale, in Architektur und Aus-
schmückung, worunter die Burne-Zones'schen Mosaiken
am meisten hervorragen, ausschließlich ein Werk
protestantischer Künstler ist. Auch die schönste Orgel
ist dieser Kirche eigen; ihr Erbauer ist der Schweizer
Buff-Hedinger."


Zerliner Mrrtellungen.


ei Ed. Schulte hat die vorige Woche einen bemerkens-
wertsten Bilderwechsel gebracht und uns bei dieser

Gelegenheit mit dem großen ernsten Werk von Lugöne Burnanch
Bressonaz, „Das hohexriesterliche Gebet" bekannt gemacht,

ferner mit zwei Kollektionen von F. Strobentz, München, und
Anna Boberg, Stockholm. Den übrigen Raum nimmt die

Rassaölli-Ausstellung ein, mit Werken in der Technik der
trockenen Raffaölli - Gelsarben, Zu der deutsche, französische,

englische, schwedische und holländische Maler über 90 Werke
beigesteuert haben, von den deutschen Ausstellern seien er-
wähnt: F. Borchardt, Max Fritz, O. Modersohn, L. Oxpler,
F. Skarbina, die Düsseldorfer: I. Bergmann, G. Iernberg,
L. Kamps, H. Petersen-Angeln, L. Schultze, Ad. Schweitzer,
F. Westendorx und F. von Wille und noch einmal stingewiesen
u. a. auf A. Besnard, LH. Lesbron fils, I. Lhsret, A. Last,
Th. van Hoytema, N. Iungman, H. w. Mesdag, I. F. Raffaölli,
Th. Steinlen, Fritz Thaulow, G. Thomas u. s. w.
Die umsichtige und energische Art, mit der die neue pariser
Erfindung aus dem Gebiete der Farbenindustrie und Maltechnik
empfohlen und verbreitet wird, hat wohl die Ueberraschung
Vieler hervorgerusen. And doch liegt hierin garnichts Un-
gewöhnliches mehr. Künstler werden ja heutzutage „gegründet",
ihre Werke, ihre Erfindungen werden geschäftlich sruktifiziert
wie die Schätze von Goldminen oder Kohlenlagern. Ein Unter-
nehmer oder ein ganzes Konsortium von Busineßmen stehen
an der Spitze der Ausbeutung der Thätigkeit eines berühmten
Malers, der sein stilles Atelier in Haris, London, New-Hork
oder sonstwo hat. Die Nachlässe von Böcklin, Segantini und
Leibl wurden von Grt zu Ort geschleppt und die Reklame-
trommel rührte sich ohne Unterbrechung. Jetzt sind die trockenen
Raffaölli-Gel-Farben an der Reihe. Ueberall hat man den
heimischen Malern das neue Material, das eigentlich nicht so
absolut neu ist, da früher schon in Berlin Jemand dieses Ver-
fahren gekannt haben soll, an die Hand gegeben, und so weiß
sich der kluge Manager des pariser Meisters immer an dem
Orte, an welchem er gerade auszustellen beabsichtigt, eine An-
zahl heimischer Arbeiten zu verschaffen, die er neben eigens für
den Zweck xräparirten und erlesenen Bildern der vorausge-
gangenen Schaustellungen den naiven Beschauern vorführt.
Der Leser wird in diesem Hefte auch eine ziemlich optimistische
Besprechung der Londoner Rassaölli-Ausstellung finden.
Das genügt für alle Fälle. Wir werden es uns daher von
jetzt an versage:: müssen, dem Raffaölli-Unternehmen aus all
seinen Kreuz- und Ouerzügen künftig theilnehmend zu folgen.
In der „Schwarz-Weiß-Ausstellung Amelang" hat
man eine große Anzahl von Arbeiten von Otto Fischer-Dresden
und Gustav Kampmann-Grötzingen zu einem neuen Arrangement
vereinigt. Fischer ist vorzugsweise durch stimmungsvolle groß-
zügige Landschaften vertreten, die in Original-Zeichnung,
-Radirung und -Lithographie ausgeführt sind; die hier aus-
gestellte Sammlung, die auch mehrere charakteristische figürliche
Arbeiten enthält, bietet einen übersichtlichen Auszug aus dem
Lebenswerke des jungen Meisters. Unter den Arbeiten Gustav
Kampmanns sind auch einige Aquarell- und Pastell-Blätter zu
finden, in denen Landschaften und Blumenstudien dargestellt
werden; die schwarz-weißen Arbeiten des Künstlers in Kohle
und die Bleistiftzeichnungen sind reizvolle Wiedergaben von
Naturstimmungen, wie sie der Künstler zum Theil auch in
seinem Wohnorte Grötzingen selbst sand.
Im Uebrigen beschränken wir uns dieses Mal aus eine
knappe Ueberficht der Neuheiten der verschiedenen Ausstellungen,
welche dem niemals stagnirenden Berliner Kunstleben selbst bei
Beginn des Frühlings noch ein beträchtliches Interesse seitens
der Kunstkreise zweifellos sichern. So hat das Kunstgewerbe-
museum im Lichthose eine umfassende Ausstellung unter dem
Titel die Kunst Chinas und Japans eingerichtet und auch
für den Abendbesuch zugänglich gemacht. Sie veranschaulicht
das hohe künstlerische und technische Können der beiden ost-
 
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