Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst-Halle — 8.1903

DOI issue:
Berliner Kunst
DOI issue:
Kunstchronik
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.61999#0162

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
f38

Die A u n st - L) al l e.

hüpfend, durch seltsame Gesten zum Ausdruck bringt.
Deutlicher noch als hier sieht man in seinen dunklen
Porträts mit scheinbar zu großen Röpsen und kümmer-
lichen Oberkörpern: wie diese Zwintschersche Art nicht
aus persönlichem Drange und Zwange hervorging,
sondern aus der Absicht, die befangene schwerfällige
Auffassung und Naturwiedergabe der alten heimischen
Meister nachzuempfinden. Aus der Geschicklichkeit, mit
der er deren alterthümliche Sprache mit modernen Dar-
stellungsmitteln zu beleben wußte, ergab sich seine per-
sönliche „Note". Diese Bildnisse von Männern und
Frauen, deren Namen ich nicht nennen will, tragen nur
äußerlich eine Erstarrung wie eine Maske zur Schau,
hinter der sich ein zurückgedämmtes Empfindungsleben
zu verbergen scheint. Jedenfalls kann Zwintscher mit
gleichem Recht ein jDrae-Eranachianer heißen, wie ge-
wisse englische Pinselführer Prae-Naffaeliten.
Neben diesem Meißener Stilisten giebt hier der
Däne Lorenz Lsinrichsen drei treue Naturausschnitte,
einfache Landschaften im Spätsommer oder Frühherbst
von länglichen:, ausgedehntem Format, Gemälde, in
welchen nicht nur der kräftige Mahrheitsstemxel, sondern
auch echte, von der Natur empfundene Stimmungen
den Beschauer fesseln. Zn einer derberen Malweise
weiß ebenso der Schleswig-cholsteiner ch. p. Feddersen
die schlichten Reize seiner peimath, sowie nordfriesischer
Gegenden, im Frühling wie zumal im schneereichen
Winter, malerisch wirksam zu gestalten. Freilich reicht
nichts, was diese Ausstellung landschaftlich bringt, an
die tonige Wahrheit des kleinen, entzückenden Winter-
bildes „Rauhreif" von Fritz Thaulow, Paris; hier
allein ist vollendete Meisterschaft zu finden. Und so
liegt denn auch eine weite Kluft zwischen solcher Kunst
und den Arbeiten z. B. einiger jungen Berliner Maler,
von denen Pans Licht und Karl Wendel mit land-
schaftlichen, Mar Fabian mit figürlichen Bildern und
Studien am besten vertreten sind.
Georg Galland.


Unrere Milöung.
Polland, die peimat einseitiger Malercharaktere, hat doch
wiederum zu allen Zeiten Künstler hervorgebracht, welche mit
Leichtigkeit in der Mundart vieler Vorbilder redeten. Ein
solcher war im t6. Jahrhundert z. B. der Kupferstecher pendrik
Goltzius, der in seinen Originalblättern bald an Raffael's,
bald an Michelangelos, bald an Dürer's formale Behandlung
erinnert. Gegenwärtig verdient der Polländer Pobbe-Smith,
der im Leipziger Kunstsalon von Pietro del Vecchio zum
ersten Male in Deutschland seine Werke, ideale Schilderungen,
Porträts, Volkstypen, Interieurs, Landschaften u. s. w., aus-
stellt, den Preis des Eklektizismus. Die Fähigkeit des An-
und Nachemxsindens, seine äußerst geschickte Mache und sein
kräftiger Farbensinn, die auch die malerische Verwerthung
selbstständiger Beobachtungen begünstigen, tragen dazu bei,
daß er in fast allen Gattungen, die er schaffend beherrscht,
Tüchtiges leistet und den Beschauer lebhaft zu fesseln weiß.
Auf unserer Beilage haben wir zwei ganz verschiedene Gegen-
stände des Künstlers vereinigt, eine Probe für seine wunder-
vollen Schilderungen antiken Lebens und reifer Frauenschön-
heit und ein Beispiel seiner holländischen Landschaften, die in
Ton und Stimmung an Echtheit nichts zu wünschen übrig lassen.


Nr. 9

Runrtckromk.
^Annaberg. In der St. Annenkirche wurde unter
dem putze einer wand eine alte Malerei mit der Jahreszahl
sso; kürzlich aufgefunden.
* Berlin. Kgl. Gemäldegallerie. Aus Madrider
Privatbesitz erwarb die Gallerte eine langgestreckte Tafel
(2P2 : l m), die man als einen pugo van der Goes be-
zeichnet. Sie stellt in fast halblebensgroßen Figuren eine Ge-
burt Lhristi mit Engeln und pirten dar, links und rechts mit
geöffnetem Vorhang, den ein in palbffgur sichtbarer Prophet
hält. Noch seltener ist eine zweite neuerworbene Tafel, ein
Martin Schongauer, ebenfalls eine „Geburt Ehristi", die
z. Zt. noch nicht öffentlich gezeigt wird. — Abgeordneten-
haus. Die Städtebilder des Sitzungssaales werden im Sommer
vollendet sein und sind, wie folgt, vertheilt: Max Koch: Berlin,
Magdeburg, Königsberg; Konrad Lessing: Köln, Frankfurt am
Main, Münster; Karl Schirm: Danzig, Kiel, Stettin; O. Günther-
Naumburg: Breslau und Posen; von Voigtländer: Pannover.
* Berlin. In der Angelegenheit der Ausstellung der
Münchener Sezession in Berlin ist diese durch Veröffent-
lichung des Briefwechsels mit ihrer bisher Verbündeten schnell
aus der Reserve getreten. Die Antwort der hiesigen Sezession
in ihrer jede Aussprache ablehnenden Schroffheit hat eigentlich
keinen Menschen überrascht. Auf sie ganz besonders waren
jene Bemerkungen in unserem Artikel: „Die Reform der
Künstlerjury", S. 2 und 3 dieses Jahrgangs, gemünzt: „Fast
überall haben sich die ehemals Schwachen, die der Groll gegen
die bestehenden Einrichtungen zusammenkittete, als eigen-
inächtige perrscher entpuppt u. s. rv." Im klebrigen haben
wir zur Sache selbst bereits im vorigen pefte Stellung ge-
nommen.
* Breslau. Die Gemäldegallerie des Schlesischen
Museums der bildenden Künste hat gegen Austausch ein Ge-
mälde von Gertrud Staats „Abendstimmung" erhalten.
* Florenz. Die gewaltsam zerbrochene, berühmte antike
Frangois - V ase des Archäologischen Museums ist aus
637 Bruchstücken vom Restaurator p. Zei wieder zusammen-
gefügt; ein Fragment fehlt, doch ist ein neues Stück hinzu-
getreten.
* Frankfurt a. M. Das neue Schauspielhaus erhält
Plafondmalereien im Theatersaal; Skizzen hierzu haben Prof.
Norbert Schrödl und peinz Wetzel entworfen.
* Pannover. Der diesjährige historische Festzug zum
Bundesschießen wird nach Entwürfen des Stadtbauinspektors
Rowald und des Malers Dieckmann zur Ausführung kommen.
* Jena. Eine neue llniversität wird auf dem Terrain
des alten Schlosses erbaut werden.
* Leipzig. Für Klinger's Beethovenstatue ist im
Rahmen des Dberlichtsaales im Städtischen Museum ein
eigener Raum geschaffen und angemessen ausgestattet wordeiv
* München. Alte Pinakothek. Mit dem berühmten
Dürer'schen Paumgartneraltar PsoP, den die Nürnberger
im Jahre ;6t3 verloren, ist neuerdings eine überraschende
Umwandlung geschehen. Die Flügel stellten bisher die Altar-
stifter, die Patrizier Stephan und Lukas paumgartner im Pelm,
zur Seite je eines Rosses in freier Landschaft dar. Ls hat
sich nun herausgestellt, daß Pelm, Roß und Landschaft Zu-
thaten des kurfürstlichen Pofmalers Fischers sind; und nach
der durch Prof, peuser vorgenommenen Restauration, welche
jene Zuthaten des ;7. Jahrhunderts opferte, präsentiren sich
die beiden Nürnberger Patrizier jetzt mit einfachen Gold-
hauben, weiße Fähnlein in der pand tragend, und auf
schwarzem Grunde. Außerdem stellte es sich heraus, daß die
Rückseiten der Tafeln ursprünglich eine „Verkündigung" von
Dürer's pand enthielten. Leider ist diese Malerei auf der
einen Tafel völlig vernichtet, während auf der anderen, nach
Fortnahme eines rothen Aeberzuges, die wunderschöne Madonna
der „Verkündigung", obwohl mit einigen Defekten, wieder zum
Vorschein kam.
* Poitiers. Line antike Minervastatue hat sich ^902
im Erdboden der Rue du Moulin L vent gefunden; sie wurde
dem Museum in: Rathhause übergeben. Louis Gonse erblickt
hier ein hellenisches Original der nachpraxitelischen Zeit.
* Spei er. Aeber alle Einzelheiten der Ausstattung der
Kaisergräber haben die Mitglieder der Kommission für
kunstgerechte Ausstattung der Kaisergräber Beschluß gefaßt.
 
Annotationen