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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Berliner Kunst
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Die Aun st-Halle.

Nr. 9

Lande wahr und ansprechend geschildert, und fügte
hier noch einige markig hingestrichene Studienfiguren,
die zu einem seiner Historiengemälde der letzten Zeit
gehören, hinzu. Müller-Schönefeld schuf eine kleinere
ideale Szene im Freien mit nackten Bogenschützen und
Tänzerinnen, doch von nur geringer Ligenart. . .
Schließlich kommt im Künstlerhause auch der Freund
der Plastik auf seine Kosten, in einigen farbig getönten
zierlichen Wachsfigürchen von Martin Schauß und
kleinen sehr zarten Basreliefs von H. Hidding.
Linen Dorgenuß mit Hinblick auf die geplante
Ausstellung der Münchener Sezession in Berlin bereitet
eine Sammlung von neuen Werken, Gemälden und
Skulpturen von Franz Stuck, der unbestritten der
diesmalige Hauxtmeister desKunstsalons vonLd.Schulte
ist. Du Stuck tritt uns eine frühzeitig abgeklärte kraft-
strotzende Künstlernatur entgegen mit edlen phantasie-
gebilden von eigenthümlichen, oft plastisch empfundenen
und stilisirten Formen, die gleichzeitig von stark male-
rischer und dekorativer Wirkung sind. Mit seiner Dor-
liebe für schwarze Hintergründe verbindet er gern eine
Heiterkeit der farbigen Erscheinung, die auch da einen
vollen idealen Reiz zu erreichen vermag, wo man einen
feineren Kolorismus vermißt. Man darf ihn nicht in
einem Zuge mit Böcklin nennen, von dem seine Richtung
sich allerdings ableitet, mit dem verglichen er aber als
Kolorist nur ein Zweitrangiger ist. Stuck's Begabung
ist eine so eminente nach der dekorativen Seite hin,
daß seine Gemälde nie aus tiefinnerem Bedürfnis;
heraus entstanden, nie eigentlich empfunden scheinen,
vielmehr durch äußerliche Gesichtspunkte bestimmt, so
geschickt gemacht wirken, daß die mit Recht geschätzte
Münchener Malkultur — nächst Lenbach — keinen
glänzenderen Vertreter heute aufweist, als Stuck.
Die eine große Leinwand bei Schulte, auf welcher
sich der Meister selbst im langen Gehrock vor der
Staffelei im Profil darstellt, den Blick fest auf seine als
Venetianerin aus Tizian's Zeit festlich kostümirte Gattin
gerichtet, ist ein echter, vollwerthiger Stuck, obwohl
ohne feine malerische (Qualitäten. Hier findet sich aber
gerade in dem Kontrast, den die beiden Figuren zum
Ausdruck bringen, der nonchalanten Haltung des ernsten
Malers und der steifen Haltung der lächelnden Dame,
die Bedingung starker dekorativer Wirkung erfüllt, zu
der dann noch der Reiz des Gegenständlichen hinzutritt.
Mithin sollten Diejenigen, welche das Bild tadeln, nicht
vergessen, daß es für Stuck doch sehr charakteristische
Eigenschaften offenbart. Das andere Hauxtbild der
Sammlung „Die Furien" erscheint als Neubearbeitung
eines früheren Themas mit der Veränderung, daß die
eine der Rachegöttinnen sich dem flüchtenden Mörder
entgegenstellt; hier steigert der Aufwand an Leidenschaft
das Dekorative zur Monumentalität, mit dem kräftige
malerische Effekte verbunden sind.
ß)n einem rücklings ausgestreckten, vorzüglich ge-
malten Leichnam Lhristi, von zwei buntgeflügelten
Eroten beweint, die eine Rosenkette halten, lehnt sich
Stuck im Wesentlichen an ältere Vorbilder an. Die
Personifikation der „Sünde", ein aufrechter, üppig
leuchtender Frauenleib, den ein zu kleines Haupt im
Halbdunkel krönt, eine buntschillernde Schlange um-
rahmt, ist gleichfalls eine aufgefrischte ältere Bekannt-
schaft, wie ferner die „Kämpfenden Faune", die in
dieser Neubearbeitung an Temperament des Anpralls
der Köpfe nichts eingebüßt, an Farbenleuchtkraft eher
gewonnen haben. Zn anderen Bildern meist kleineren
Formats weiß der Künstler frohe Laune, Liebesfreude,
Tanzeslust, Kindlichkeit, alle Seiten seines manchmal

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gern ins Derbe und Sinnliche schlagenden bajuvarischen
Humors zu entfalten, wovon uns hier zu unserm Ver-
gnügen ein an Böcklin anklingender „Nixenraub", ein
von Amor an Rosenketten geleiteter weinfeliger Zentauren-
greis, das koloristisch so reizende Bild „Glühwürmchen",
ein nacktes Kind mit Trauben, die Liebesschaukel,
Susanna, eine „Danzarina" u. a. köstliche Proben be-
scheert sind. Von den ausgestellten Porträts Stuck's
vermag ich den puppenhaft ausdruckslosen und roh
kolorirten Köpfen nebst einer Halbfigur der Tänzerin
Saharet gar keinen Geschmack abzugewinnen. Weit
besser gefallen mir der im Helldunkel so weich schimmernde
Kopf einer Ungarin und das mit „Grün in Grün"
charakterisirte Bildniß einer Dame. Von Männerbild-
nissen sind ein frontal gestellter Beethoven und das
schlichte Konterfei des Generalmusikdirektors Levi be-
merkenswerth. Lin Hundebildniß „Der Pips" ist sicher-
lich in seiner Art etwas ganz Vortreffliches.
Zur Erhöhung des schönen, wahrhaft künstlerischen
Gesammteindrucks dieser Stuck-Kollektion hat zweifellos
die Hinzufügung mehrerer, schon bekannter Plastiken,
des Athleten, der reitenden Amazone, einer archaistisch
behandelten antiken Tänzerin, einer Beethovenmaske
mit eingesetzten Augäpfeln u. a. Bronzen, sowie zweier
Terrakottareliefs, noch erheblich beigetragen.
Noch zwei Münchener Linzelschöpfungen erregen
berechtigtes Znteresse: Lenbach's Halbfigur der Gräfin
Leonie Wedel, die, mit reicherer Palette als sonst ge-
malt, Anmuth mit Adel der Erscheinung wirksam ver-
bindet, und Uhde's große, etwas unruhig wirkende,
braungetönte Leinwand „Anbetung der Hl. 3 Könige",
die eine stallähnliche Zimmermannswerkstatt umschließt,
in welcher ein fürchterliches, aber malerisches Durch-
einander herrscht. Zwei jüngere Maler, Eugen Spiro-
Breslau und Viktor Scharf-Paris, haben umfang-
reicher ausgestellt. Jener, Spiro, wirkt zumal in einem
großen Familienbild, aber auch sonst manchmal noch
unfrei in der Anordnung, wie im Ausdruck der Köpfe,
derb und selbst roh in der Farbengebung. Künstlerisch
geläuterter erscheint Scharf nicht nur in mehreren
Männerbildnissen, sondern auch inhelltönigenStimmungs-
landschaften und Genrebildern, die durchweg tüchtiges
Können verrathen. Zahlreiche zierliche farbige Stift-
zeichnungen von Ernst Liebermann bieten kleine, leise
stilisirte Naturausschnitte mit und ohne Figuren, sie
sind frisch und fest gezeichnet und wirken vortrefflich.
Während man den impressionistischen Arbeiten in Gel
und Pastell, die Max Kurzweil-Wien hier ausstellt,
nur wenig Theilnahme entgegenbringt. Die Original-
radirungen von Marie Stein bieten neben minder
gelungenen Blättern auch verschiedene fein individuali-
sirte Köpfe.
Auch die Kunstausstellung Wertheim hat kürzlich
wieder ihren Bestand gewechselt und bringt außer
Arbeiten uns ihrem Wesen nach vertrauter Maler, wie
Andersen-Lundby, H. von Bartels, E. Bracht, Ludwig
Dill, R. Haug, E. Harburger, Hermanns, p. Höcker,
Liesegang, W. Löwith, Thedy, Z. Wenglein u. A., auch
sehenswerthe Bilder von jungen oder seltener bei uns
auftretenden Künstlern. Von letzteren nimmt dieses
Mal Oskar Zwintscher-Meißen den größter: Raum
ein, dieser seltsame Heilige, desten pinsel Menschen mit
halb erstarrten, melancholischen Zügen und erträumte,
aber glatt und fest gemalte Landschaften auf die Lein-
wand bannt. Der düsteren, romantischen Szenerie
„Klosterruinen" stellt er einen helltönigen „Lenzrausch"
gegenüber, eine foroirte Heiterkeit, die eine Gruppe
antik gekleideter Gestalten, auf stilisirtem Wiesenboden
 
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