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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Berliner Kunst
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Die Run st-Halle.

s36

einer reicher entfalteten Hügelstaffage. Das Porträt
von Böcklin stellt eine schlanke blonde jüngere Dame
im geöffneten Pelzmantel mit kleinem schwarzen Barett
von vorn gesehen dar, in Böcklinischer Weise vornehm
umrahmt von einer farbigen Marmorterrasse, die einen
Garten abschließt. Das Kolorit der etwas steif da-
stehenden sinnenden Frauengestalt ist nicht gerade kräftig,
mannigfaltig und leuchtend, wie man vielleicht erwartet
hätte, eher scheint mir der Weister durch Helle milde
Töne die sanfte Natur der Dargestellten individualifirt
zu haben.
Die übrigen, sehr zahlreichen Werke theilen sich in
drei Gruppen: ältere Gemälde und Zeichnungen,
moderne Bilder und Plastiken in Marmor, Holz und
Bronze. Die erste Gruppe darf als erwünschte Er-
gänzung der alten Bestände der Gallerie willkommen
geheißen werden. Am meisten entzückt ein kleines
Zimmerinterieur Ad. Menzel's von (8^5; es ist hier
ein so malerisch delikater Ausdruck von Licht- und Luft-
bewegung geschaffen, daß einerseits der alte Delfter
Vermeer nichts ähnlich Leines, andererseits die modern-
sten Znterieurmaler nichts Besseres aufzuweisen haben.
W. Trübner's dunkelfarbiges Herrenbildniß von (876
erfüllt mit dem frappant gelungenen Ausdruck eines
häßlich struppigen Männerkopfes alle Wünsche, die an
den Realismus Lourbet-Leibl'scher Art zu stellen sind.
Zwei zierliche, koloristisch ungemein fesselnde Bildchen
von Karl Spitzweg rücken uns diesen liebenswürdigen
alten Münchener näher. Von zwei älteren Frankfurtern,
Peter Burnitz und Viktor Müller, überrascht der
nur Wenigen bekannte Burnitz mit einer überaus fein-
tönigen kleinen Taunuslandschaft, während von dem
anderen das erst kürzlich in Berlin in einer Ausstellung
aufgetauchte Märchenbild „Schneewittchen und die
Zwerge" herrührt, das in der landschaftlichen Staffage
an den grün - bräunlichen duftigen Farbenton jener
Taunuslandschaft erinnert. Zu den älteren Meistern
des Saales gehört auch ein L. D. Friedrich sch lMO)
mit einer sehr nachgedunkelten „Meeresküste bei Mond-
schein", die als Motiv, als landschaftliche Stimmungs-
szenerie für die Epoche der Romantik sicherlich sehr
merkwürdig ist. Noch früherer Entstehung sind zwei
„heroische" Landschaftszeichnungen niit antiken Figuren,
deren Autor, ein waschechter Klassizist Hildesheimer
Ursprungs, Lhr. H. Kniep (j- (825), aus Goethe's
Aufenthalt in Süditalien bekannt ist. Unter den Zeichnern
dieser Gruppe sind übrigens noch Schnorr von Karols-
feld mit einem kleinen bildmäßigen Blatt in Ureide
und W. Leibi mit zwei durchgeführten Federzeichnungen
zu nennen.
An der Spitze der neuen Werke verdient Lenbach's
kraftvoll hingestrichenes Bildniß von Reinhold Begas
((902), obwohl es koloristisch nicht sehr befriedigt, an-
geführt zu werden, eine Leistung, die alles wesentliche
der Persönlichkeit packend herausholt. Weiter erwähne
ich nur kurz die erworbenen Bilder von Frd. Kall-
morgen („An die Arbeit"), L. Dettmann („Friedhof"),
H. Herrmann (Holl. Fischerdorf), G. H. Engel
(Friesische Mädchen), Nob. Weise (Dame in Herbst-
landschaft), Paul Baum (Ansicht von Neapel, farbige
Zeichnung); sie sind unzweifelhaft sämmtlich ganz ver-
dienstvolle Arbeiten der Gegenwart, liefern aber un-
beabsichtigt den vollen und untrüglichen Beweis, daß
diesen Arten moderner Malerei heute jeder große Zug
fehlt. Gegen die wuchtigen Leistungen, welche die
Gallerie aus früheren Kunstexochen besitzt, stehen sie
auch so erheblich zurück, daß man sich die Bewunderung,
mit welcher gewisse Kritiker jetzt alle Gallerieankäufe
gewohnheitsmäßig begleiten, nur aus dem knechtseligen

Nr. 9

Verlangen erklären kann, das Lob des Herrn Gallerie-
direktors zu gewinnen.
Endlich die Plastiken. w. von Rümann's
Marmorakt eines sitzenden jungen Mädchens, im vorigen
Jahre bei uns mit der großen Goldenen gekrönt, kehrt
hier wieder, ebenso p. Lanonica's wundersam be-
seelte, gelblich getönte Marmorbüste mit Händen einer
zarten jungen Frau. Hermann prell's prächtiger
Prometheus in Bronze, den unsere Nr. 6 kürzlich ab-
gebildet zeigte, läßt selbst in dieser Verkleinerung die
monumentale Wucht des Dresdener Originals ahnen.
Z. Lagae's gleichfalls schon früher von uns gewürdigte
Büste des Brüsseler Herrn Lequinne, ein eminent scharf
beobachteter Koxf, begegnet uns hier in Bronze.
Weitere Arbeiten, zum Theil ganz kleine Bronzen, mit
deren Anschaffung die Gallerie erst neuerdings begann
und Zustimmung verdient, sind von Max Kruse, Fürst
Troubetzkoy, Emil Lauer, von Hayn, N. Friedrich,
E. M. Geyger, Hosaeus, Klimsch, Lederer, Freese, Gaul,
Felderhoff vorhanden.
-i-
Die Räume des Künstlerhauses haben sich dieses
Mal einigen hiesigen Künstlergruppen, der Gesellschaft
Deutscher Aquarellisten, dem Westklub u. s. w. geöffnet.
So tritt eine bunte Vielheit vor den Beschauer; aber
sie bietet nirgends etwas Neues, wenn auch an hübschen
Arbeiten kein Mangel ist. Selbst ein tüchtiges Werk,
das bei intimer Betrachtung die Wirkung nicht versagt,
taucht in solcher Bilderfülle leicht ungewürdigt unter;
denn nicht nur das Bessere, auch die Masse ist ein
Feind des Guten. Dem Kritiker bleibt im vor-
liegenden Falle nur die Aufgabe: die Summe von
Fleiß und Talent unserer heimischen Landschaften fest-
zustellen, die beinahe vollzählig erschienen sind — und
aus dem Ganzen ein paar Einzelheiten herauszugreifen.
So Karl Langhammer mit einem römischen Lamxagna-
motiv von einfacher, fast großzügiger Schilderung,
F. Skarbina mit einer impressionistischen Mitternacht-
studie, F. Kallmorgen mit einer braungetönten Ham-
burger Hafenszene,. L. Dettmaun mit einer Gewitter-
landschaft, die wie Vieles, was dieser allzuproduktive
geschätzte Künstler neuerdings ausstellte, durch gewisse
koloristische Rohheit einiges Befremden erregt, Max
Fritz mit zwei seiner sorgsamen feintonigen Aquarelle,
von denen besonders die Birkenallee den Beschauer
besticht. Und unter den Mitgliedern zweier märkischen
Künstlerbunde verdienen namentlich A. Gesteritz und
Hans Pigulla durch die lebhafte und doch harmonische
Farbenwirkung ihrer schlichten Motive Anerkennung.
Künstlerisch bedeutende Leistungen sind mir auch
unter den figürlichen Darstellungen dieser Ausstellung
nicht ausgefallen. G. H. Engel's kräftig kolorirte
Typen junger friesischer Bäuerinnen, PH. Frank's
Kaffeetisch, der im sonnigen Garten zur Tauffeier ge-
deckt ist, H. Herrmann's Amsterdamer Grachtenszene,
Max Fabian's Dorfzimmermann, M. Schlichting 's
leuchtende Dünenbilder mit buntkostümirten Damen
belebt — sie und andere Stücke vertreten hier den weiten
Begriff des Realismus. K. Züttner schildert in seiner
grotesken Art einen Spaziergang alter würdiger Herren,
K. Ziegler stellt, außer seinem Selbstbildniß, die
imposante Figur einer eleganten Dame in Schwarz mit
Federhut, herkömmlich in Haltung und Behandlung,
aus; während Julie Wolff-Thorn auch dieses Mal
wieder ihren Frauenbildniffen jenen gesuchten grünlichen
Ton, offenbar die „persönliche Note", giebt, mit der
heute mancher Künstler, wie der Student mit seinem
Backenschmiß, paradirt. A. Kampf hat nach Rhde's
u. A. Vorgang einen barmherzigen Samariter auf dem
 
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