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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Leipziger Kunstbericht
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Kunstbrief: Frankfurt a. M.
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Die Kunst-Halle.

f33

Nr. 9

haben. Der Eindruck dieser von Klinger ost genug betonten
Raumkunst — Werk und Umgebung zu möglichst einheitlicher
Wirkung zu bringen — ist ein ungemein stimmungsvoller.
Die Kunstvereinsausstellung enthält zur Zeit einige recht
interessante Sonderausstellungen, nämlich die Skulpturen von
Stephan Sinding in Kopenhagen und Gemälde von
Ludwig von Hofmann in Berlin. Diese, zu einer besonderen
Gruppe vereinten Arbeiten der beiden Künstler, welche die
Hälfte des großen Gberlichtsaales einnehmen, ergänzen und
unterstützen sich gegenseitig in ganz vortrefflicher weise. Neben
diesen Schöpsungen sind besonders die Poesie- und stilvollen
Landschastsschilderungen von Larl Haider in Schliersee her-
vorzuheben. Bei Del Vecchio hat sich, zum ersten Mal in
Deutschland, der holländische Maler Hobbe-Smith in Amster-
dam mit einer größeren Kollektion seiner Arbeiten eingesunden.
Der sehr vielseitig veranlagte Künstler zeigt neben einer An-
zahl Darstellungen, welche auf die Verherrlichung der Frauen-
schönheit hinanslausen und, wenn auch nicht in der technischen
Behandlung, so doch in der Wahl der Motive und Auffassung
unwillkürlich an Makart gemahnen, auch Darstellungen aus
dem holländischen Volksleben, Interieurs, Landschaften u. dergl.,
die zweifellos mehr Innerlichkeit und feinere malerische Dua-
litäten besitzen, als die erstgenannten Bilder, Herr Andreas
Mischer (Inhaber der Firma Hietro del Vecchio) wird diese
Ausstellung auch in anderen Städten aufstellen.
In der Ausstellung des Künstlerhauses interessiren diesmal
hauptsächlich die Arbeiten Arno ld Rechb ergs, eines Schülers
Larl Sessn e rs. Rechberg, der vor einigen Jahren national-
ökonomischer Studier: willen nach Leipzig kam, lernte hier
Seffner und Klinger kennen, die ihm beide, nachdem sie seine
gelegentlich entstandenen Naturzeichnungen und Kompositionen
sahen, dringend anriethen, sich ganz der Kunst zu widmen.
Vor ungefähr Jahresfrist trat Rechberg als Schüler in Seffner's
Atelier ein und jetzt zeigt er nun als frucht dieses Jahres,
außer acht gezeichneten Kartons mit symbolisch-allegorischen
Darstellungen, eine lebensgroße plastische Figur, den „Fürst
der Finsterniß", und mehrere Büsten und Studien. Die Energie
mit der Rechberg diese Summe von Arbeit bewältigte, ist ebenso
anerkennenswerth wie der Grad künstlerischen Könnens, den
er in dieser verhältnißmäßig kurzen Spanne Zeit zu erreichen
wußte. Selbstredend ist Rechberg vorläufig durchaus als ein
werdender zu betrachten, jedoch das läßt sich schon heute
erkennen, daß er mit kühnem wagemuth nach dem höchsten
in der Kunst strebt. In seinen Arbeiten macht sich, trotz den
ihr noch ganz naturgemäß anhaftenden formalen Mängeln,
eine glückliche Verbindung von Dichtung und Wahrheit, idealer
Gesinnung und realer Anschauung, und ein unverkennbarer
Ausdruck des Schönen geltend. Mit aller Entschiedenheit be-
tont Rechberg in diesen Arbeiten seinen künstlerischen Stand-
punkt: daß die bloße Wiedergabe der Natur keineswegs das
höchste Ziel der Kunst sei, deshalb sucht er auch in seiner
Kunst die Natursormen nur als formales Mittel für einen
höheren Zweck hinzustellen. Der von Rechberg genommene
Anlauf im Gebiet der Kunst ist zweifellos ein sehr bemerkens-
wertster; wie weit nun die daraus entspringenden Hoffnungen
Erfüllung finden werden, wird von ihm selbst, d. h. von seiner
Ausdauer und seinem Fleiß abhängen.
Ernst Kiesling.


Xunrtbrief: ^z^surt S. jil.
(Verspätet.)
Segantini, der Meister von Maloya, eine der
VÄst/ fesselndsten Erscheinungen der ganzen zeitgenössi-
sehen Kunst war, wird wohl auch von denen nicht
bestritten werden können, die seinen Schöpfungen ohne
tiefere Sympathie gegenüberstehen. Zum zweiten Male
innerhalb Jahresfrist sehen wir im Kunstverein eine
Sammlung Merke des Einsiedlers vom Engadin ver-
einigt, und auch diesmal sind es in erster Linie zwei
an sich verschiedene Eindrücke, die auf den Beschauer
einwirken. Fürs Erste ist es die ganz ohne Vorbild
dastehende Technik, die wir an den Skizzen, Studien
und fertiger: Bildern Segantini's genau studieren können.
Mit zähen, dicken Farbtheilen ist die Leinwand „ge-
mauert", wie der tzerminn8 tsostniLns lautet. Hierauf
ist die Oberfläche glatt abgeschliffen und die feinen
Nisse und Fugen sind mit Goldstaub eingeftäubt. Daraus
resultirt diese seltsam fesselnde koloristische Wirkung der
Bilder Segantini's, die durch die eigenartige Stoffwahl
noch gehoben wird. Die stahlharte Luft wunder-
barer Fernen, die wir auf seinen Landschaften an-
staunen, ist wirklich studirt — es ist „Höhenluft", die
aus Segantini's Bildern weht. Zn den ländlichen
Motiven kann man freilich nicht dieselbe Originalität
der Auffassung konstatiren; immer wieder drängt sich
mir die Erinnerung an Millet auf, dessen Spuren
Segantini — bewußt oder unbewußt, sei dahingestellt —
folgte. In seinem Triptychon: „Werden, Sein und
Vergehen" finden wir eine Stimmung ausgedrückt, die
fast wie ein Schwanengesang anmuthet. Konstatiren
möchte ich schließlich noch, daß die Hreissätze geradezu
fabelhaft — „morganatisch" in die Höhe geschraubt sind.
Line der seltsamsten Kollektionen, die im Kunstverein
seit Langem zur Schau gestellt wurden, ist wohl die
Serie von Ferdinand Hodler-Genf. Die Arbeiten
solle:: bereits in der Berliner Sezession ausgestellt gewesen
sein und dort natürlich „verdiente Anerkennung" gefunden
haben. Gegen Sascha Schneider, mit dem Hodler
manches Gemeinsame hat, erscheint Ersterer noch als
Waisenknabe. Diese kreidigen, kalten Farben, die harten
safrangelben und giftig grünen Landschaften wirken wie
ein Horror auf allen guten Geschmack. Ich zweifle
nicht, daß diese ganze Manier im monumentalen
Fresko eine ganz andere Wirkung übt, als hier im
geschlossenen Naum, aber hier in diesen Arbeiten fallen
lediglich zeichnerische Mängel, unedler Farbensinn und
rohe Mache unangenehm auf. — Im Nebensaal zeigt
Hrof. Franz Hein-Grötzingen eine große Sammlung
Studienköxfe, Landschaften, Figurenbilder und dekorative
Entwürfe. Auch dieser Künstler ist wie Hodler für das
Monumentalbild prädestinirt, aber Hein ist im Kolorit,
wie in der Zeichnung ein durchwegs sympathischer
Meister; das große, allegorische Bild „Königskerzen"
wirkt wie ein schönes Altarblatt. —- Der Wiener
David Kohn ist als Genremaler ganz uninteressant,
aber seine großen Nöthelporträts von österreichischen
Staatsmännern und Politikern sind unglaublich scharf
gesehen und minutiös in der Durchführung. Line sehr
schöne Terrakottagruppe von Nich. Böltzig-Berlin und
einige warm empfundene Skulpturen von Fritz Haus-
mann dürfen nicht unerwähnt bleiben.
Hermes, dessen Rührigkeit dem hiesigen Kunstleben
einen neuen Impuls gegeben, brachte von den von ihm
eingeführten Brüsselern Mathieu und Gilsoul zwei
neue schöne Serien. Mathieu brillirt diesmal mit
 
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