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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Galland, Georg: Zur Weihnachtslitteratur 1902 [2]
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Harrach, Max: Darmstädter Kunstbrief
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https://doi.org/10.11588/diglit.61999#0107

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Nr. 6

Die A u n st - b) a l l e.

89

ihrer physischen Eigenschaften, wir gewinnen hier ein
anschauliches und belehrendes Ruiturbild, dessen Eigen-
art und Seltsamkeit kaum übertroffen werden kann und
für nicht Wenige einen außerordentlichen Reiz besitzt.
Noch kurz vor Weihnachten ist eine Geschichte
der kirchlichen Runst von Richard Bürkner fertig
geworden, die von allen ernsten Runst- und Geschichts-
freunden willkommen geheißen werden wird, die sich
endlich einmal über die Entwickelung des christlichen
Gedankens in der kirchlichen Runst — Architektur, Elastik,
Malerei und Kleinkunst, — von dem Ursprung des
Lhristenthums an bis zur Gegenwart, im ununterbrochenen
Zusammenhänge eingehend belehren lassen mögen. Die
bisher erschienenen Schriften, welche zumeist nur Bruch-
stücke des vorliegenden Gegenstands behandeln, sind
wohl ausnahmslos von gelehrten Archäologen für Fach-
leute verfaßt worden, während das Bürkner'sche Werk
durch seine verständliche Schilderung, die sogar auf
Fußnoten und (Quellenangaben verzichtet, einem durchaus
volksthümlichen Zwecke dient. Der Verfasser ergeht
sich ausführlich über die künstlerischen Anfänge des
Urchristenthums dann über das byzantinische, romanische
und gothische Mittelalter, um die Entstehung der grund-
legenden Stilformen der kirchlichen Runst aus allen ein-
wirkenden Momenten zu erklären und die fernere
Entwickelung der ursprünglichen Runstgestaltungen zu
verfolgen, in Wort und Bild zu erläutern. Obwohl
Protestant, hat Bürkner den ältern katholischen Runft-
epochen bei weitem mehr Beachtung geschenkt, schenken
müssen, als den spätern protestantischen Epochen. Das
ist nur zu verständlich, weniger gerechtfertigt erscheint
uns aber die gar zu lakonische Schilderung der Neuzeit.
Weder wird ein Führich in der Malerei, noch werden
in der Architektur die Bauten I. Ötzens erwähnt. Das
sind indeß kleine Lücken, die künftig bei Erneuerung
der Austage dieses schätzbaren Werkes ebenso leicht aus-
zufüllen sein werden, wie die chinzufügung eines noth-
wendigen Sachregisters.
G. G.


ZsrmckMer Xonridries.
/D
^^"or einigen Wochen wurde am wilhelminenplatz
das Denkmal der verstorbenen Großherzogin
Alice enthüllt. Das Denkmal, von Ludwig
chabich, einem ehemaligen Mitglied der „Darmstädter
Sieben", entworfen, rexräsentirt eine neue Stilauffassung
auf diesem monumentalen Gebiete, unter grundsätzlichem
Verzicht auf Musen, Grazien und Nymphen, auf Thier-
allegorien, Karyatiden u. dgl. mehr. Und weil dieser
versuch mit Geschmack sich paart, ist ihm im voraus
die Beachtung weiterer Kreise gesichert, chabich's
Denkmal tzeigt in der Grundform den schlanken Pyra-
midenaufbau: ein Sandsteinobelisk erhebt sich auf einem
piedestal, dessen Ecken von weiblichen Idealgestalten
(Also doch! D. Red.) stankirt sind. Das Porträt der
Großherzogin ist als Bronzerelief in Medaillonform am
Obelisk angebracht. Das Ganze macht in der That
einen ebenso diskret-harmonischen wie formal eigenartigen
Eindruck.
Die Darinstädter Gemäldegalerie erwarb für die
Sammlung moderner Gemälde ein Werk von Ludwig von
Hofmann, eines geborenen Darmstädters, das Bild:


„Frau am Meer," einen Freilichtakt in kräftiger Farben-
stimmung, das wohl unter Besnard's Einfluß entstanden
sein dürfte.
Line Ausstellung von weitgehendem Interesse war
die große Sammelkollektion „Die Runst im Leben des
Rindes". Zum ersten Male ist hier der Versuch unter-
nommen, die mannigfachen Wechselbeziehungen, die
zwischen Runst und Haus einerseits und Runst und
Schule anderseits bestehen, in geschlossener weise zur
Anschauung zu bringen. Der künstlerische Wandschmuck
konzentrirt sich vorwiegend auf die ausgezeichneten Dar-
bietungen der Runstdruckerei des Karlsruher Künstler-
bundes (Verlag Voigtlaender). Diese großen, in den
Farbenskalen oft prächtig gelungenen Steindrucke
stehen weit über dem üblichen lithographischen Maschinen-
futter unserer „Runstanstalten"; kein Sammler wird
sich diese Proben moderner Graphik entgehen lassen.
Die Landschaften von Rampmann, Volkmann, Rallmor-
gen und Fikentscher und die figürlichen Darstellungen
von Arthur Kampf und Rob. Haug treten besonders
hervor. Die Abtheilung von Zeichenversuchen von
Rindern zwischen F und 9 Jahren sind an und für sich
gewiß interessant, aber für die künstlerische Beurtheilung
der Ausstellung können sie nicht in Betracht kommen.
In der dritten Abtheilung, der Sammlung älterer, neuer
und neuester Iugendschriften und Märchenbücher über-
wiegt dagegen das künstlerische Interesse das pädago-
gische. von Ludwig Richter, den prächtigen, urdeutschen
Altmeister, der die Rindesseele wie kein Zweiter zu be-
lauschen verstand, bis auf Rreidolf — einem der Mo-
dernsten, dessen „Fitzebutze" für „Rinder von Heute"
bestimmt ist, finden wir eine fast unübersehbare Reihe
von Publikationen, darunter auch englische und franzö-
sische Werke, mit denen jedoch die deutschen Leistungen
auf diesem Gebiete getrost in den Wettbewerb treten
können. Einzelne Bücher, darunter einige wiener Aus-
gaben und eine englische lmit Illustrationen von Walter
Trane), sind so splendid in der Ausstattung, daß sie
eigentlich weniger in die Rubrik der Rinderschriften, als
vielmehr in die der Prachtwerke zu zählen sind. Alles
in Allein giebt die Ausstellung ein sehr instruktives Bild
von den dankenswertheil Bestrebungen, der Runst den
gebührenden Platz in Haus und Schule zu sichern.
Von der Mathildenhöhe, wo vor zwei Jahren
die Emanationen des „neuen Runststils" eine neue Offen-
barung für die moderne Ruiturwelt zu werden ver-
sprachen, ist es heute recht stille geworden. Von den
„Sieben" ist außer Olbrich und Habich keiner mehr zu
finden — sie sind in alle Winde verstreut. Die Villen
standen lange Zeit zum Verkaufe — Niemand wollte
sie erwerben, am allerwenigsten die Darmstädter. Und
doch ist noch heute der Großherzog ein schwärmerischer
Anbänger der „neuen Richtung"— im Darmstädter
Schloß sind eine ganze Reihe Appartements im Stile
van der velde's, Mac-Rintosch's und Olbrich's arrangirt.
wird die Darmstädter Neukunst und die „Kolonie" eine
Wiedergeburt feiern? wer in Darmstädter Kreisen nach
Auskunft über diese Frage forscht, dem ergeht es wie
dem Jüngling, dem die Zigeunermutter die Zukunft
weissagte — aus dem Kaffeesatz. Bezeichnend ist, daß
der „Darmstädter Stil" gerade in den reichen Nach-
barstädten, in Mannheim, Wiesbaden, Mainz, Frank-
furt, am wenigsten festen Fuß fassen konnte, und auf
das Interesse von dieser kaufkräftigen Seite hatten die
Kolonisten doch so bestimmt gerechnet. In den neuen
Villenkolonien der vorgenannten Städte wird inan kaum
eine Villa finden, die in der Architektonik in den Stil-
formen von Olbrich, Thristiansen oder Behrens gehalten
ist. Merklicher dagegen ist der Einfluß auf die Innen-
 
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