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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Dworaczek, Wilhelm: Wien: 15. Ausstellung der Sezession
DOI Artikel:
Galland, Georg: Berlin: 6. Kunstausstellung der Sezession [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.61999#0139

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Die Run st-Halle.

Nr. 8

Ur

jüngsten und ältesten Arbeiten erweist dies), mit all dein
Sturm und Drang der „Sezession" gemeinsam haben soll,
ist mir^ allerdings auch diesmal unerfindlich geblieben.
Das soll aber gewiß sür Alt keinen Dorwurf bedeuten.
Ferdinand Andri hat wieder sechs Grotesken in
Holz geschnitten, deren Aunstwerth sehr zweifelhaft ist.
Man fragt sich nur, wie solche Faschingsscherze in eine
ernst'zu nehmende Ausstellung hereinkommen. Sehr fein,
kräftig und voll eigenem Reiz sind die Nadirungen von
Eduard Munch in Lhristiania. Landschaftliches von
Werth haben F. Ruszozyc (zwei prächtige Winterstudien),
ferner Jan Stanislawski (Arakau) geliefert. Letzterer
hat eine Reihe kleiner, aber überaus flott gesehener
Bildchen ausgestellt, die mir zu dem Liebsten der Aus-
stellung gehören. Auch Henryk Szczyg linski's „Nacht",
Josef Chelmonski's (Auklowka) „Rebhühner" und
L. Trojanowski's (Arakau) „Winterlandschaft" fallen sehr
angenehm auf. Stanisl. wyspianski's (Arakau) „Glas-
fenster"; „Heinrich der Fromme", „Aasimir der Große"
und „Der heilige Stanislaus" gehören zu dem Abstrusesten,
das ich kenne. Man könnte sich in diesem Chaos von
Farben ebenso gut alles Andere denken, als die bezeich-
neten Dorwürfe. Ich kann sie mir höchstens als Glas-
fenster für einem Tempel denken, dessen Inneres mit
Werken von George Minne geschmückt ist.
Die Elastik benimmt sich im großen Ganzen recht
vernünftig. Es sind sogar eine Reihe ganz vorzüglicher und
eigenartiger werte vorhanden. So ist Szymanowski's
(Haris) „Triton" voll feinem Humor, während desselben
„Improvisation von Mickiewicz" ein bedeutender Zug
innewohnt.
Alfonso Lanoiani's Arbeiten erinnern lebhaft
an Meunier, ohne das Dorbild annähernd erreichen zu
können. R. de Saint Marceanx' (Haris) „Vier
Jahreszeiten" sind überaus feine Basreliefs mit
millimeterhohen Abständen von der Bildfläche, überaus
virtuos gearbeitet und voll Grazie in der Aomposition.
Albert Bartholomss „Das todte Aind" ist etwas
outrirt und theatralisch, während sein „Geheimniß" vier
nackte Grazien darstellt, die dem Beschauer den Rücken
kehren, und die Aöpfe zusammenstecken — warum? —
das ist wohl dabei das „Geheimniß".--- Die kunstgewerb-
lichen Darbietungen bringen nicht allzu viel Anregendes.
Oft sind sie höchst primitiv, manchmal von heraus-
fordernder Lrfindungslosigkeit wie ein paar „Gläser"
von Aoloman Moser, zuweilen haben sie Geschmack, sind
aber weit entfernt von Zweckdienlichkeit, und erscheinen
gradezu unpraktisch, wie Leopold Bauers Sekretär
aus grauem Ahornmaser mit Einlagen aus Holisander-
holz, und die eckigen Zigarettendosen von Antoinette
Arasnik; oder sie sind wieder nichts weniger als ge-
fällig und geschmackvoll wie die langftiligen, an
Aindertromxeten erinnernden Girandolen von Josef
Hoffmann. Auch ein paar Damen haben mit ihrer
kunstgewerblichen Geschicklichkeit vor der Ausstellungs-
jury Gnade gefunden, und man findet in der That
einige recht talentvolle und eigenartige Arbeiten darunter,
wie von Jutta Lika, Gisela Baronesse Falke und der
sehr begabten Tochter unseres berühmten Radirers
William Unger, Fräulein Else Unger, die sich mit ihrem
künstlerischen Geschmack und voll ehrlichen Eifers der
„Sezession" verschrieben hat. Immerhin hat man auch
trotz mancher Verschrobenheiten von den dekorativen
Arbeiten den Eindruck eines frischen und fröhlichen
Sichlosringens aus der Aonvention und den alten, nicht
immer guten Geschmacksrichtungen. Und man fühlt
auch, daß beim Aunstgewerbe, wo der subjektive Ge-
schmack eine tiefere Rolle spielt, als bei dem doch auf
bedeutsameren Grundlagen beruhenden Aunstwerken

ein wenig Revolutioniren weit weniger Schaden und
Unheil anrichten kann, als auf den Gebieten ernster
und großer Aunst. Schließlich: äs ZustibuZ uou äi8-
putauäum 68t. — Bei der Aunst giebt es aber wichtigere
Gesichtspunkte zur Beurtheilung, als der individuelle
Geschmack. . . .


Jerlin:
VI. Run;i2UL5tel!ung öer 5ere§§ion.
II. (Schluß).

hne daß uns die hier zur Schau gestellten Er-
gebnisse des deutschen Beobachtens, Sinnens und
Dichtens in ihrer verschwenderischen Mannig-
faltigkeit und abgestuften Eigenart überraschen, nehmen
wir sie doch gern als Beweis dafür hin, daß unsere
Graphiker jetzt wieder in der ersten Reihe des
zeichnerischen Schaffens der Aunstnationen stehen. Mag
der Zeichenstift des Hariser Meisters das stärkere
Temperament, die leichtere Empfänglichkeit, die ge-
schmeidige Eleganz des französischen Volkes mit nirgends
anders erreichbarer Fähigkeit frappant und zugleich un-
gezwungen zum Ausdruck zu bringen wissen, mögen die
englischen, wie die amerikanischen Radirungen graziöser,
verfeinerter in der formalen Behandlung, duftiger, be-
seelter in den Lichtspielen wirken — uns scheint dennoch
in diesen deutschen Arbeiten die künstlerische Hhantasie
vollere Akkorde anzuschlagen, die Natur, indem sie auf
uns bald ernst, milde oder lächelnd, bald spöttisch,
höhnend oder grausam blickt, ihren reichen, bunt-
schillernden Zaubermantel zu enthüllen. Neben den
scharfen Beobachtern von Menschentyxen aller Art
interessiren vor allem die Schilderer der Landschaft,
und dazwischen bewegen sich mit jedem Grad von Ge-
schicklichkeit die Zeichner, die in verschiedensten graphischen
Techniken Sittenbilder, Interieurs, Volksszenen getreu-
lich wiedergeben oder in poetischer Sprache Natur und
Leben versinnlichen.
Dem Aktzeichner xar exoeUsium Otto Greiner
ist ein eigener Raum zugewiesen, der ca. 70 Nummern
enthält. Ls sind zumeist figürliche Studieti Zu Aom-
xositionen, Diplom-Entwürfe, Ax libris, Horträts von
ihm zu sehen, die er sämmtlich in kräftigen, scharfen,
genau modellirenden Strichen in Federzeichnung, Nöthel,
Hastell — das Figürliche unmittelbar nach der Natur —
ausführte. Das Figürliche hat auch noch in den litho-
graphirten idealen Aomxositionen, z. B. im Haris-Ur-
theil, Herkules am Scheidewege, den naturalistischen
Charakter jener Modellstudien beibehalten, und in solcher
Frische des formalen Ausdrucks, nicht etwa in poetischer
Empfindung liegt der Reiz dieser zeichnerisch eminenten
Arbeiten Greiner's. In sauber durchgeführten Horträt-
 
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