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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Haenel, Erich: Dresdner Brief [1]
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Gustav, Leopold: Münchener Brief [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.61999#0033

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D i e A u n st - H a l l e.

25

wünschte man öfters zu begegnen. Dagegen steckt in
dem Bildniß vogeler's schon ein Zusatz Manier, und
ein Schritt weiter in dieser Art der Lharakterisirung,
würde bald zur Karikatur führen. Das gilt auch von
der großen Phantasielandschaft „Lenzrausch"; hier ist
nicht nur der Maßstab ungeschickt, sondern auch die
Komposition, eine Gruppe von Tanzenden auf grell-
grüner wiese, über die im Hintergrund ein seltsamer
Tempelbau aufragt, leidet an Bizarrerie ohne sichtbare
Innerlichkeit. Doch zweifeln wir nicht, daß der noch
im Anfang des vierten Dezenniums stehende Künstler
Kraft genug besitzt, um mit solcher Art Wahrtraum-
deuterei allmählich auch etwas durchaus Anschauliches
uud Eigenes ins Leben zu rufen.
Die Gede der Kunstvereinsausstellungen ist
noch durch keine Mass künstlerischen Eigenbaus unter-
brochen worden. Eine architektonische Konkurrenz
unserer Dorstadt Striesen bot insofern Beachtens-
werthes, als es sich hier um die Gruxxirung von
Kirche, Gemeinde- und Pfarrhaus auf einer verhältniß-
mäßig schmalen und langgestreckten Fläche handelte.
Die Entwürfe enthielten eine Anzahl vortrefflicher
Lösungen des Problems, die beste wohl der von Schilling
und Gräbner, den Erbauern unserer neuen Kreuzkirche,
die mit der Anlage eines freistehenden Lampaniles und
dem sehr eigenartigen Grundriß des Gemeindehauses
wiederum bewiesen, wie frisch und gediegen sie das
alte, auch von ihnen selbst so oft behandelte Thema
durchzuarbeiten gewohnt sind.
Im Kunstgewerbemuseum sind die 550 Ent-
würfe zu einem Smyrnateppich ausgestellt, die das
Preisausschreiben der wurzener Teppich- und Velours-
fabriken zusammengebracht hat. Diese Betheiligung
hat in der That etwas Ueberraschendes, wenn man
bedenkt, daß gerade für dies Gebiet der angewandten
Kunst schon zahlreiche und vortreffliche Muster, u. a.
von H. Thristiansen, O. Eckmann, B. pankok vorhanden
sind. Der künstlerische Ertrag ist kaum reicher, als er
bei derartigen öffentlichen Wettbewerben in der Kegel
auszufallen pflegt, wir haben schon früher darauf
hingewiesen, daß wir den Werth solcher Konkurrenzen
für eine heilsame Entwicklung der tieferliegenden künst-
lerischen Schaffenskräfte nur recht geriug anzuschlagen
vermögen. Auch hier wieder ist das Mißverhältniß
zwischen der Niesensumme an Arbeit und Mühen, die
in den 550, im Maßstab 80:60 em gehaltenen Ent-
würfen steckt, und den drei Preisen von zusammen
(800 Mk. so offensichtlich, daß man den Künstlern nur
immer dringender rathen kann, gegen solche, wenn
auch unabsichtliche Ausnützung ihrer wirthschaftlichen
Kräfte ernste Maßregeln zu ergreifen. Obgleich sowohl
der orientalische wie jeder der historischen Stile nach
dem Wortlaut des Ausschreibens zugelassen war, ver-
suchte doch die größte Mehrzahl der eingereichten
Blätter, die gegebene Fläche ohne jede Anlehnung an
geschichtliche Formen, in selbständigem, also wenn man
es so nennen will, „modernem" Stil zu gestalten.
Neben jenen oben genannten Vorbildern hat auch der
Iaxonismus viele Anhänger gefunden, so z. B. in dem
mit dem ersten Preise gekrönten Entwurf von Nudolf
und Fia Wille (Berlin), der sich mehr durch geschmack-
volle Farbengehung als durch Eigenart des linearen
Motivs auszeichnet. Allerhand Gutes und Ernsthaftes
trifft man nebenbei, natürlich dann auch Absurditäten,
wie Nachbildungen eines Wasserbeckens mit Fischen,
naturalistisch sorgfältig behandeltes Pflanzen- und
Blätterwerk, allerhand aus der Wanddekoration ent-
lehnte Muster, schließlich sogar eine veritable Mondschein-
landschaft, ein Bild des gestirnten Himmels u. a. m.

wie lange wird es dauern, ehe unsere Künstler erst
einmal die stilistischen Grundgesetze eines solchen, zum
praktischen Gebrauch bestimmten Gegenstandes sich klar-
machen, ehe sie den Gebilden ihrer Phantasie Form zu
geben versuchen?


Mnckeim Zriej.
(HA^ie junge Künstlervereinigung Phalanx fährt fort, an-
regende Ausstellungen zu veranstalten, welche Be-
mühungen einstweilen mehr durch kritische Anerkennung,
als durch regen Besuch belohnt werden.
Albert Weißgerber ist durch seine flotten, koloristischen
Studien in der letzten Frühjahrsschau der,"„Sezession" bekannt
geworden. Pier brachte er hauptsächlich Buchschmuck und
Plakate, sowie Entwürfe zur dekorativen Ausgestaltung eines
Rathhaus- und eines Spielsaales. Er besitzt eine flotte, sichere
Hand und Geschmack, so daß seine Neigung zu starken Kon-
trasten nie unvornehm wirkt, weißgerbcr's Buchschmuck zeigt
eine nicht gewöhnliche Phantasie, die gern nach der Seite des
Humors gestaltet. Mehr noch als bei diesem dürfte ein ab-
schließendes Urtheil verfrüht sein bei dem jungen Karlsruher
Emil Rudolf weiß. Dieser läßt sich durch musikalisch-lyrische
Anregungen oft verleiten, über die Grenzen des durch die
bildenden Künste Ausdrückbaren hinauszugehen, statt dieser
Stimmungen, da er doch auch Dichter ist, durch das Wort
künstlerisch Herr zu werden. Es finden sich aber unter diesen
Phantasiestücken Werke — sie sind meist graphischer Art —
aus denen entschieden großzügige Anschauung und ursprüng-
liche Einbildungskraft spricht; nur wohnen eben das Erhabene
und das — komisch wirkende bei dem temperamentvollen
Künstler noch allzu eng nebeneinander. In seinen Landschaften
vermag der Künstler gut den Hauch der Atmosphäre zu geben,
die er auf pointillistische Manier zu bewältigen sucht. Die
Farbengebung seiner Blumenstücke ist von etwas robustem Ge-
schmacke. weiß kann technisch zweifellos sehr viel; es will
mir nur scheinen, als thäte er sich etwas mehr als nöthig
darauf zu gute. Auch durch pointillistische Malweise sucht Paul
Baum (Dresden) zu wirken. Seine Bilder machen freilich
einen abgeklärteren Eindruck. Baum malt gern weiche,
lyrische Frühlingslandschaften: blauer Himmel mit leise er-
zitternden, abendlichen Lufttönen und der Hauch des jungen
Morgens gelingen ihn: besonders gut. Seine Vorliebe für
Helle, sonnige Farben bethätigt er auch in Aquarellen, die meist
italienische und holländische Motive bieten. Die verschwimmen-
den Fernen und die reizvolle Aestelung der Bäume sind hier
hervorzuheben. Die Bilder hinterlassen einen ungetrübten
Genuß.
Das Ausland vertrat in der Phalanx Axel Gallen. In
seinen Landschaften und portraits wird man Kraft und Können
seiner künstlerischen Ausdrucksweise unmittelbarer genießen
können, als in seinen stilisirten, stark primitiven Arbeiten. Zur
Bizarrerie auf der einen Seite kommt dann noch, gegenüber
den Gouache-Schilderungen aus den finischen Sagen, das Un-
vertrautsein mit der eigenartigen Kultur des Nordländers, das
unseren unbefangenen Genuß verhindert. Letzteres gilt auch
von einer großen Zahl seiner Bücherzeichen u. s. w., bei
welchen jedoch der kräftige Strich der Zeichnung und die klare
Einfachheit der Komposition imponiren. Als portraitist zeigt
Gallen sich von seiner günstigsten Seite. Das Bildniß eines
Berliner Schauspielers und ein Frauenkopf wirken durchaus
überzeugend. Gallen's Schneelandschaften in Gel oder Gouache
sind mehr geniale Skizzen, die von unmittelbarer Natur-
erfassung sprechen.
Auch über den plastischen Theil der Ausstellung ein paar
Worte. Wilhelm Hüsgen's portraitbüsten haben einen ein-
fachen Stil; in seinen Faunköpfen und dem Ueberbrettldämon
zeigt er eigenartige Phantasie für humoristische Gestaltungen,
in denen Linzeleindrücke sich dennoch zur Einheit organisch
 
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