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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Dresdner Kunstbrief
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Münchner Kunstbericht
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Nr. W

Die Nun st-Halle.

s5s

Blick, im Zittern der Nüstern sich kundgiebt, die den
Ausdruck Horträt als rechte Bezeichnung dieser Studien-
köxfe empfiehlt. Diese (Qualitäten finden sich verdichtet
in dem lebensgroßen Reiterbildniß, das schon im
vorigen Sommer im Münchener Glaspalast brillirte.
Die übrigen Arbeiten sind meist älteren Datums; doch
kann man sagen, daß ein Bild wie die „Alte Frau"
jetzt, nach Leibl's Tod, wohl keiner seinem Meister
nachmachen dürste. „Ks pkintro ls plus pkintrsZ den
Deutschland jetzt besitzt, bleibt hoffentlich unserer
Gallerie nicht mehr lange ein Fremder.
Ueber die Segantini-Ausstellung im Kunst-
verein sind nur wenige Worte zu verlieren, nicht weil
sie in irgend einer Weise eine Enttäuschung brächte,
sondern nur, um den Rausch der Begeisterung, den die
Kritik zur Zeit mit dem Publikum theilt, als psycho-
logisches Phänomen einmal zu charakterisiren. Denn
wenn man an die Zugenderlebnisse eben etwa eines
Trübner, dann eines Thoma, Böckün denkt, darf man
wohl fragen, ob das Entzücken über diese reine und
hohe, aber doch auffallend spröde Kunst wirklich ganz
echt ist. Die Logik der Geschichte wäre ein leerer
Wahn, wenn dieser Kunst die Wartezeit alles wirklich
Großen und Dauernden erspart bleiben sollte. Eine
Reaktion auf die forcirte Vergrößerung, die jetzt mit
diesen Arbeiten getrieben wird, ist fast unausbleiblich.
Und um so länger pflegt dann die sogenannte Unsterb-
lichkeit ihren Erkorenen warten zu lassen.
Zn das architektonische Leben unserer Stadt setzt
der neuerdings zum zweiten Mal ausgeschriebene Wett-
bewerb um Entwürfe für das Dresdener Rathhaus
einen neuen Brennpunkt. Nachdem das erste Preis-
ausschreiben kein irgendwie befriedigendes Ergebniß
gebracht hatte, hofft man jetzt, bei einer zweiten all-
gemeinen Konkurrenz, zum Ziele zu gelangen. Die
Preise, 9000 Mk., 5000 Mk. und zwei zu je 5000 Mk.,
sind nicht zu reichlich; in Leipzig betrug der erste Hreis
vor 5 Zähren doch wenigstens f2 000 Mk. Bedenkt
inan, daß für die schwierige Arbeit, die etwa W ge-
naue Hläne verlangt, nur 5 Monate Frist gegeben
sind, so wird man die Liberalität der Stadt nicht allzu
hoch einschätzen. Unter den 15 Preisrichtern haben
Wallot, Licht, L. Hofmann und Seidl das gewichtigste
Wort zu sprechen. Es gilt nun abzuwarten, ob unsere
kürzlich wieder zur Sprache gekommenen Bedenken
gegen derartige Wettbewerbe auch in diesem Falle be-
stehen bleiben dürfen.
Erich Haenel.


Mnckener Xonckdmcdl.
V/^ei Heinemann ist eine bemerkenswerthe Kollek-
tion von Gemälden undZeichnungenSegantini's
ausgestellt. Ein liebendes Hirtenxaar aus seiner
Frühzeit unterscheidet sich im Motiv und in der Mal-
weise nicht von den süßlichen Dutzendmalereien des
heutigen Ztaliens. Erst mit der großen Leinwand:
„Zwei Mütter" betritt der Meister Neuland. Ein
Stallinterieur, eine Kuh, zu deren Füßen ein schlafendes
Kalb ruht, und eine Bauernfrau daneben sitzend, mit
dem Säugling auf dem Arme eingeschlafen. Zch bin
dem Bilde vor fünf oder sechs Zähren bereits einmal

begegnet; es machte auch heute wieder Eindruck auf
mich, aus der ruhigen Sachlichkeit seiner Schilderung
spricht die Hrosa des Alltags in einer von allem Zu-
fälligen losgelösten Formel. Dann steigen wir mit
Segantini hinauf in seine Höhen des Engadins, dessen
durchsichtig klare Lust seine Malweise so einzigartig
wiederzugeben wußte. Hier in der unerbittlichen Helle
tritt uns die Sicherheit seiner Zeichnung besonders ent-
gegen, wie er jede Bewegung dieser patriarchalischen
Hirten und Herdenwelt scharfäugig gestaltet. Auch als
reiner Zeichner ist er mit großzügigen Blättern ver-
treten. Von seltsam träumerischem Linienreiz ist die
weibliche Gestalt in der Muschel, in welcher Arbeit
Segantini sich dem Stilisiren zuwandte. Die Preise
sind, soweit sie ausgezeichnet, ganz beträchtliche. Die
Kunstmode ehrt den großen Todten . . . wie ich höre,
will der Salon Heinemann uns nunmehr im öfteren
Wechsel bemerkenswerthe Kollektionen bieten. Eine
Zdee, deren Ausführung bei den wenigen Ausstellungs-
möglichkeiten unserer Winter-Saison sehr erwünscht und
von mir an dieser Stelle schon oftmals befürwortet
wurde. Sonst bemerkte ich bei Heinemann noch einen
prächtigen Trübner von f872, einen Bauernbuben
auf grüner Matte, über der der Himmel in tiefster
Bläue lacht. Wundervoll in der Unerbittlichkeit der
Beobachtung des Burschen, wie der satten Koloristik,
welche doch malerisch so fein ineinander stimmt; dann
eine Schwarzwaldlandschaft und eine Heuernte von
Hans Thoma. Die innige Naturschilderung in beiden
ist voll schlichter Hoesie. Die Bauern erhielten auch
hier etwas Holzschnittsteifheit. Das Gesicht des von
der Sonne beschienenen Kindes im Vordergründe er-
scheint mir in seinen groben Zügen doch zu alt.
Bei Krause u. Finckh hat Kunz Weidlich eine
Kollektion Bilder zur Schau gestellt, zumeist Freilicht-
malereien, die theilweise, so in dem auf einem Bett
ruhenden weiblichen Akt, in der Wiedergabe der Reflexe
von unerbittlicher Herbheit sind, theilweise pretiöse
Wirkungen erstreben, wie die in die Droschke steigende
Dame zeigt, deren weißes Ballkleid wundervoll weich
und duftig gemalt ist. Aehnlich auch in der Skizze
„DerBesuch", wo die plsln air gesehenen rothblaugrünen
Farben ausgezeichnet zusammenfließen. Zn einem
dämmernden Znterieur zeigt er eine Dame „im Haus-
kleid", deren sattes Roth ganz prächtig im Ton ist. Sein
Selbstbildniß in kühlem weißem Licht redet eine etwas
sachlich nüchterne, aber überzeugende Sprache; das
Damenporträt, dessen rother Mantel malerisch sehr fein
wirkt, hat etwas Kokett-Modernes. Zm Gegensatz hierzu
sind seine Kinderporträts schon in der Haltung von
trefflicher Beobachtung und von frischer Natürlichkeit.
Auch der Kunstverein bietet z. Zt. manches
Znteressante. Der Nachlaß des vor einigen Monaten
in hohem Alter verstorbenen Gskar von Boxen geht
bis auf die Torneliuszeit zurück. Apollo und die Musen,
die Madonna, das Bacchanale zeigen ihn als einen
bedeutenden Koloristen. Zn der „Geburt der Venus"
erscheint manches von herzlich akademischer Langweilig-
keit, anderes verblüffend gut, so die ausgezeichnet
lebendigen Hutten. Am bedeutendsten ist Boxen in dem
imposanten, wirklich großzügigen Hoseidonszug, der in
Bezug auf Komposition wie Malweise ein Kunstwerk
von Bedeutung ist. Wir kennen nicht die Ursachen,
welche die in Boxen sicherlich schlummernden Ent-
wicklungsmöglichkeiten nicht völlig zur Reife kommen
ließen, jedenfalls haben die weiteren Gemälde kaum
Anspruch auf unser heutiges Znteresse. Die satten
Farbentöne machen matten, nüchternen Hlatz, eine Hietg.
ist ohne Znnerlichkeit. — Zn der Kollektion Klementine
 
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