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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Dresdner Kunstbrief
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https://doi.org/10.11588/diglit.61999#0176

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hoffentlich auch die Sächsische Kunstausstellung, die hier
im Mai eröffnet wird, weitreichend Zeugniß ab-
legen.
In Richter's Kunstsalon traten eine Anzahl
Dresdener Künstler aus, denen der Impressionismus
die selbstverständliche und durchaus harmonische Form
der Auseinandersetzung mit der Natur bedeutet. Das
gilt vor Allem von Gotthard Kühl, dessen Stellung
als Importeur und Vermittler der französischen Er-
rungenschaften heute als geschichtlich allgemein be-
kannte Thatsache gelten darf. Den Dresdenern ist er
in den letzten Jahren noch dadurch besonders werth
geworden, daß er die malerischen Reize ihrer schönen
Stadt zum Gegenstaud seiner vollendeten Darstellungs-
kunst erkor. Als Schilderer der Augustusbrücke, die er
von seinem Atelierfenster auf der Brühl'schen Terrasse
so gut beobachten kann, der Frauenkirche, der ver-
schwiegenen Ecken im Zwinger, fa der alten Dresdener
Barockarchitektur in Gassen und Höfen überhaupt, hat
er, ein moderner Lanaletto, die Phasen verschiedener
Beleuchtung mit glänzender Vielseitigkeit studirt. Wie
geistvoll weiß er durch deu bunten Fleck, den ein rother
oder gelber Trambahnwagen im Nebelgrau auf der
ehrwürdig-stämmigen Brücke bildet, die Intensität des
Lufttones zu steigern! wie gestalten sich längst bekannte
Schaubilder durch die raffinirte Wahl des Aufnahme-
punktes, geschickte Vertheilung der Vordergrundmaffen
u. dgl. zu gänzlich neuen und pikanten Bildeindrücken!
Neben solchen Leistungen, die in Deutschland und viel-
leicht sogar in Frankreich zur Zeit kaum ihresgleichen
haben dürften, hat jede, auch die feinste Arbeit schwer
um ihre Existenzberechtigung zu kämpfen. Wenn trotz-
dem Robert Sterl's hessische Landschaften auch dem
Verwöhnten eine ungetrübte künstlerische Freude be-
reiten, so verdanken sie das deni lebendigen Zug echten
poetischen Gesühls, der ihren schlichten Motiven inne-
wohnt. Der fungs Künstler, der mit Recht immer
mehr Beachtung findet, ist nicht nur seines Stoffes stets
technisch vollkommen Herr, sondern versteht auch seinen
Schöpfungen über den Nahmen der Studie hinaus und
doch diesseits des mehr auf laute Wirkung ausgehenden
Ausstellungsproduktes den Reiz einer Arbeit zu ver-
leihen, die erst im engeren Raume, in der Ruhe der
Häuslichkeit ihre echtesten Werthe zu erkennen giebt.
Das Gepräge warmer Innerlichkeit tragen auch die
liebenswürdigen Gemälde von Wilhelm Tlaudius,
von den eines, „Schafheerde bei Morgenstimmung", am
gelungensten erscheint. Richard Müller's, des
fetzigen Lehrers an der Akademie, zeichnerische Virtuosität
zwingt, in einer Gewandstudie, einer Landschaft u. A.,
immer wieder zu kühler Bewunderung. Um so dringen-
der aber mag inan nun wünschen, diese unübertreff-
liche Korrektheit möge endlich zu einem Ziele führen,
das der Persönlichkeit etwas weiteren Spielraum läßt.
Denn in dieser Richtung ist ein weiterer Fortschritt,
selbst nach heutigen Verhältnissen, schlechterdings nicht
mehr denkbar.
Ein seltener Gast in seiner Heimathstadt, zeigte
Tharles Palinie, eines der bekanntesten Mitglieder
der Münchener Luitpoldgruppe, daß seine Individualität
setzt an der Schwelle seines fünften Jahrzehnts, zu aus-
gesprochener Harmonie und Stilsicherheit durchgedrungen
ist. Von der Art seines einstigen Lehrers Ed. Leon-
hardi steckt freilich in diesen breit hingesetzten, tonigen
Landschaften, meist Nacht- und Dämmerlichtstimmungen,
keine Spur mehr; dafür habeu Ludwig Dill und die
schottischen Landschafter, dann wohl auch Hugo Bürgel und
I Marr den rüstigweiterstrebenden beeinflußt. Ein Zug
m s Große und ein gewisser dramatischer Schwung der

Nr. f O

Komposition ist sein vornehmstes Ligenthum; laute
Töne werden durchaus vermieden, die Reize des ge-
brochenen Lichtes mit hervorragenden: Feingefühl aus-
gekostet. Der Berliner Bischoff-Tulm errang sich,
an derselben Stelle, mit einer Reihe figürlicher Szenen,
meist Studien nach niederdeutschen Bauern, einen
warmen Erfolg. Seine Gestalten sind frei von feder
Pose, klar und einfach gesehen und farbig gut
charakterisirt. Das träumerische junge Mädchen in der
„Dämmerung" erinnert sogar an Dagnan-Bouveret's
bretonische Bäuerinnen.
Lugen Bracht, der seit einen: Jahre Friedrich
Preller s d. I. Meisteratelier für Landschaftsmalerei an
der Akademie inne hat, stellte sich den Dresdenern in
einer Sonderausstellung mit 26 Werken zum ersten Male
in weiterem Rahmen vor. Die Wandlung seiner künst-
lerischen Anschauungen, die Bracht noch im reiferen Alter
durchgemacht hat, war, so energisch der Maler sich ihr
hingab, doch nicht intensiv genug, um alle Fäden zu
zerreißen, die ihn mit der romantischen Kompositions-
landschaft seiner Lehrer, der Lessing und Schirmer, ver-
knüpften. Es steckt immer noch etwas idealistische
Schönfärberei ii: seinen Bildern, wenn auch der Punkt,
in dem der gestaltende Vorgang einsetzt, eingestandener-
maßen nicht mehr das stoffliche Motiv, sondern der
koloristische Gedanke ist. Zugegeben, daß alle diese
Bilder mit feinstem Empfinden für den farbigen
Grundton eines Stückes Wirklichkeit gestaltet sind, mag
man sich doch fast durchgängig eine stärkere Durch-
arbeitung nach der Seite des Intimen wünschen. Als
dekorative Flächen betrachtet, entsprechen die Gemälde
den höchsten Anforderungen: aber das Pathos, das
immer ein Geringes durchklingt, sagt eben doch heute
nur den wenigsten zu. Dazu kommt, daß die Farben-
verbindungen meist zu konventionell, fa zu weichlich sind,
als daß ihr Reiz dauernd bestehen könnte. Der „Lehm-
weg" und „Der Waldsee" sind dafür besonders ge-
wichtige Beispiele. Vollkommen groß und ernst tritt
das Naturbild nur auf in den: mächtigen Gemälde „Herbst".
Pier verdienen die meisterhafte, großzügige Technik, die
Kraft der Lichlführung und die Wärme der Empfindung
das höchste Lob. Daß Bracht's Können ihn in her-
vorragenden: Maße dazu befähigt, als akademischer
Lehrer thätig zu sein, läßt diese Ausstellung unzweifel-
haft erkennen. Nnd vielleicht geben die Zeichen, die
uns im vergangenen Jahr aus München gekommen
sind, seiner Naturauffassung auch für eine weitere Zu-
kunft mehr Recht, als man heute, auf dem Höhepunkt
des Impressionismus, wohl erwarten möchte.
Kein größerer Gegensatz wohl zu solcher Kunst als
die Wilhelm Trübner's, die zu gleicher Zeit in
einer gewählten Ausstellung bei Arnold vorgeführt
wurde. Dem Schüler Leibl's, der in Paris an den
Klassikern des realistischen Impressionismus, einem
Tourbet und Manet, seine Kunst weiterbildete, kann
man als ehrendstes Beiwort den Namen eines Mannes
schenken, der mit beispielloser Konsequenz, ohne jede
Rücksicht auf die Meinung der Menge, dem von ihm
als richtig erkannten Wege nachgeschritten ist. Näherte
er sich dabei im Malerischen oft einem Grade der
Meisterschaft, der eines velazquez nicht unwürdig wäre,
so blieb das Zeichnerische, ungleich solchen Vor-
bildern, vielfach in einem rudimentären Stadium der
Entwicklung stecken. Als Werke, in denen ein harmo-
nischer Ausgleich beider Momente zu Tage tritt, können
die sieben Pferdeköpfe gelten. Das Mosaik glänzender
Flächen, das die lebendurchzuckte Haut bietet, ist mit
virtuoser Sicherheit wiedergegeben. Dazu kommt eine
Schärfe der Beobachtung auch des psychischen, das im

Die Kunst-Halle.
 
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