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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Dworaczek, Wilhelm: Wiener Ausstellungen, [1]
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Kunstausstellungen der Berliner Secession
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https://doi.org/10.11588/diglit.61999#0247

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Nr.

Die A u u st - b) a H e.

hervorzubringen. Er packt feine Motive mit zu wenig
künstlerischem Bedenken an, ist noch ein wenig roh in
der Farbe, hat aber zweifellos etwas von dem klaren
und Hellen Blick für das Eindringliche und Bedeutsame
in der Landschaft. Josef Lngelhart hat sich — man
darf sich dessen freuen — wieder einmal auf seinem
urwüchsigsten Gebiete, dem wienerTypus ausgesprochen.
Beine Meisterschaft hierfür ist die gleiche geblieben. Er
erfaßt mit scharfem Blick das Lharakteristische seiner
Figuren, weiß dies mit Prägnanz festzuhalten und eine
gute Dosis bsumor, der nicht immer höflich, aber stets
wirksam ist, dareinzumischen. So sind seine Typen-
bilder „Blumenmädchen", „In den Blumensälen",
„ImSophiensaal"und„Mauerblümchenbeimwimberger"
überaus keck und flott gemacht und scheinen mir nur
im Format zu prätenziös. Ein Viertel der Leinwand
hätte, (das Bild vom Blumenmädchen ausgenommen),
dem Künstler vielleicht noch stärkere Wirkungen gesichert.
Der Genre und die scharfe Beobachtung sollen sich
aber nicht zu sehr in große Dimensionen verbreiten.
Auch zwei Plastiken des vielseitigen Künstlers verdienen
Erwähnung. Gust. Klimt hat zwei Landschaften
„Buchenwald" und „Sonnenaufgang" ausgestellt, die
trotz ihrer feinen (Qualitäten keine genügende
Entschuldigung bilden für das dritte Bild „Irrlichter".
Lfier lodert der koloristische Irrsinn wieder einmal in
Hellen Flammen auf und man muß nach einem Modus
suchen, um derartige Verirrungen mit einem wirklichen
Künstlerempfinden in Einklang zu bringen. Anhänger
Klimt's meinen, das sei doch ein „eminent interessanter
Farbenfleck". Damit ist vielleicht das Bild und sein
Wesen am besten bezeichnet. Mehr habe ich auch mit
bestem willen nicht herausbringen können!
wie rein und fein wirkt dagegen die stille und
echte Kunst Emil Grlik's, des berühmten Pragers,
dessen Kunstempfinden voll zwingender Naivität und
dem ein kluges und scharfes Schauen eigen ist, um das
ihn mancher beneiden könnte. Seine kleinen Blätter,
Dorftypen oder auch Motive aus seinem böhmischen
Vaterlande athmen echte bseimathkunst. Auch ein
paar prächtige Nadirungen müssen besonders erwähnt
werden. Stiller, tiefer und ernster in sich gegangen ist
auch Ernst Stöhr. Er ist ein sinnender Melancholiker der
Farbe geworden. Es ist etwas Träumerisches in seinem
Wesen, das noch nach dem duftigen und zarten Ausdruck
ringt. Daher ist noch manchmal eine Unausgeglichenheit
zwischen seinem dämmernden Empfinden und der Kraft
seiner Technik zu finden. So ist „Die Geburt der Venus"
figural ganz verunglückt, während „Der Abendstern"
und andere Naturstimmungen angemessene Empfindungen
im Beschauer auslösen. Fritz v. Nadler hat von seiner
kecken Ursprünglichkeit eingebüßt, während ein Porträt
I.V.Krämer's recht frisch wirkt. Friedrich König scheint
mir gleichfalls schwächer zu sein, was auch von Auch en -
taller gilt. Alfred Roller hat in elf verschiedenen Stim-
mungen dasselbe Motiv „Ein Blick über Wien" gemalt und
so vielleicht mit einiger Selbstverleugnung eine sehr gute
Grundlage zum Anschauungsunterricht über Beleuchtung,
Luft, Licht und Naturstimmung geschaffen. Ls ist eine
ernste Arbeit mit vielen Vorzügen, die schon um ihres
pädagogischen werthes willen aufrichtiges Lob verdient.
Ferdinand Schmutzers Zeichnungen, Nadirungen,
Aquarelle und Pastell, achtzehn an der Zahl, gehören
zu dem Besten der Ausstellung. Es ist eine ganz prächtige
in sich abgeschlossene Künstlernatur, die sich hier ohne
Prätension, ohne Manier oder Vordringlichkeit aber
dennoch voll schöner Eindringlichkeit ausspricht. Lin
echtes, volles Können, das erst herangereift, nur reife
Früchte seines Kunstfleißes bietet, und sorgfältig das

Unreife oder wurmstichige von uns ferne hält. Darum
macht die kleine Kollektion einen so überraschenden
Eindruck des Seriösen und Vollgiltigen. Wilhelm
List ist ein interessanter Kolorist und hat gute Akte.
Alfred Kubin's Gedankenkompositionen stehen wohl
unter dem Einflüsse Sascha Schneiders und wohl auch
Klingers. Es ist aber eine starke, dem Alltäglichen
abholde Note darin, die interessirt. Auch Alois bsaenisch
fällt nicht unangenehm auf und die „Graphiken" Adolf
Zdrasila's verdienen ein Wort besonderen Lobes.
Auch Freiherr v. Myrbach's „Granitwerk von Maut-
hausen" soll als feine vornehme Arbeit nicht übersehen
werden. Karl Anton Reichel gehört zu der Gruppe
der Sezessionshumoristen. Ich will aus Dankbarkeit
für die heiteren Minuten, die er mir bereitete, nicht
allzuscharf mit ihm in's Gericht gehen. Zweifellos muß
es auch solche Käuze geben. Sie bilden eine überaus
gesunde Gymnastik unserer Lachmuskeln. Nun möchte
ich noch der Plastiken Tanciani's gedenken: „Der
Schmerz" und „Die Somnambule". In Beiden ist eine
eigenartige, fast perverse wehmuth. — Linien voll heim-
licher Empfindung und Formen voll süßer müder
Grazie! — wie sehr vermag es doch dieser eigenartige
Künstler weich und herb zugleich im künstlerischen Aus-
druck zu sein, tief in der Wirkung, ohne Süßlichkeit
oder Sentimentalität. Auch Therese I. Nies, die hoch-
begabte Dellmerschülerin hat diesmal mit ihrem „Grab-
denkmal eines Jünglings" ein prächtiges Werk geschaffen.
Der Einfluß Nodin's ist in der Kühnheit der Kom-
position wohl unverkennbar, der Gedanke ist aber so
stark wuchtig und muthig behandelt, daß in dieser Kunst
auch nicht mehr eine Spur von Feminismus nachzu-
weiseu wäre. Ein Jüngling schwebt empor, wie von
Wolken umhüllt durch eine riesenhafte Gestalt, die ihn
umfängt und zu sich emporzieht. Das kühne Wagnis,
den starren Stein zu visionären Formen zu gestalten,
scheint beinahe geglückt!
Nun wäre noch der Berliner Franz Metzner zu
nennen. Er ist durch seine Betheiligung an der Kon-
kurrenz zum Elisabeth-Denkmal hier plötzlich in den
Vordergrund gerückt. Sein Projekt, das den 4. Preis
erhielt, war — wenn auch nach meinem Gefühl gerade
für ein Denkmal der Kaiserin Elisabeth nicht recht
geeignet, doch bildhauerisch vielleicht der werthvollste
Entwurf! Die starken (Qualitäten, namentlich der feste,
sichere Ernst, die herbe Formengröße, die zwingende
Art: zu stilisireu und dennoch eine überzeugende
Unmittelbarkeit des Eindrucks heroorzurufen, werden
in den hier ausgestellten Werken noch besonders klar.
Ls ist ein gedanklich strenger Zug in diesem Künstler
und seine Art zu modelliren, ist von überraschender
Eigenart. Seine Reliefs „Schicksal", „Der Tod" u. A.
sind großzügige Kunst. Man wird den Namen dieses
Künstlers bald unter den Besten nennen müssen.
MM

VII.RlM5tsuL5teIkngöerZerlmer5ereLLioa.

ff Z:e am fl. April eröffnete Ausstellung der Berliner
V I/ Rezession trägt eine von den anfänglichen
Unternehmungen dieserKunstparthei abweichende
Physiognomie. bsat sie nun damals, als der Ein-
druck des Ganzen durch die große Zahl unfertiger
und schrullenhafter Produkte bestimmt wurde, oder
 
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