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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Heilmeyer, Alexander: Internat: Ausstellung der Sezession 1903, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.61999#0374

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keitsfinn läßt ihn am unmittelbar Gegebenen, an seiner
nächsten Umgebung festhalten. Er lebt im Sommer
zumeist in der Nähe der Berge unter dem Landvolke
am Inn. Die dortige Natur bildet auch das Motiv
für sein Bild „Leierabend". Man sieht im Vorder-
gründe ein paar auf einer Bank mitten im grünen
blumigen Klee sitzen. Sie faltet die Hände über dem
Schoß wie ausruhend von der Arbeit. Er, im blauen
Schurze und hemdärmelig, spielt die Geige. Ls ist
ein ländliches Idyll, aber keines von den süßen
sentimentalen Bildern, wie sie uns häufig genug auf
Ausstellungen entgegentreten, kein Gartenlaubemotiv,
sondern ein warmgefühltes, realistisch gesehenes Bild.
Seine blühenden kräftigen Farben erfreuen das Auge.
Man wird dabei an einen Strauß Wiesenblumen er-
innert.
Das Detail im Vordergründe ist mit größter Sorgfalt
durchgebildet. Die Treue in der Wiedergabe einzelner
Blumen könnte einen Botaniker befriedigen. Das
Stoffliche wie z. B. die Schürze und Blouse des Mädchens,
die gestickten Hosenträger des Burschen, die Behandlung
des groben Linnens, alles das könnte Leibl nicht besser
gemalt haben. Doch bei aller werthung des Details
geht ein großer Zug durch das Ganze. Die Aufmerk-
samkeit konzentrirt sich doch in erster Linie auf die
Figuren, wir werden durch sie allgemach in das Bild
hineingezogen, eine kontemplative feierabendliche Stim-
mung überkommt uns. DerBesitzer des Bildes Ls. Noßner
in Zeitz hat Roßmann sozusagen entdeckt und sein
Talent durch Aufträge mehrfach gefördert.
Während sich bei Roßmann die Freude an starken
bunten Farben noch in einer ganz natürlicher! Weise
äußert, bemerkt man bei Julius Erter, der sich ja
auch in der Farbe nicht genug thun kann, doch schon viel
mehr Raffinement. Lxter ist ein ungemein geschickter
Künstler. Jeder Strich zeigt von Temperament und
vollständiger Beherrschung der Ausdrucksmittel. Lin
interessantes malerisches Problem behandelt er in dein
Porträt einer Dame in schwarzer modischer Kleidung.
Sie steht in einem Raume, der mit rothen Fließen ge-
pflastert ist, vor einer weißgetünchten Wand. Von der
Seite fällt das Sonnenlicht hinein und streift die Figur.
Dieser Moment ist unmittelbar und mit ausdrucksvoller
Anschaulichkeit wiedergegeben. Lin anderes Werk des-
selben Künstler behandelt ein kühn erfundenes Motiv.
Fischer lösen aus ihren Netzen den nackten prächtigen
Leib einer Seenixe, die sich verzweifelt wehrt, um sich
schlägt, kratzt und beißt wie eine Wildkatze. Das dritte
Bild, wohl das bedeutendste und eindrucksvollste schildert
eine Pieta, mit einem Realismus, der an mittelalterliche
Skulpturen, besonders an gothische holzgeschnitzte Bilder
des Gekreuzigten gemahnt. Der Dritte in diesem Kreise, ist
der seine Stoffe gleichfalls dem heimatlichen Boden ent-
nimmt, ist Adolf Hölzel. Lr lebt und schafft in Dachau.
Und Leute aus der Dachauer Umgegend sind es auch,
die er auf seinen Bildern „Der Zeiten Wiederkehr" und
„Ls will Frühling werden" dargestellt hat. Auch hierin
bilden Menschen und Landschaft eine Harmonie, wie
die Leute in der dämmerigen Frühe, wenn noch Nebel
und Dämpfe dem Boden entsteigen und über dem
Flusse schweben, eingehüllt in ihre groben Kleider zur
Kirche gehen, einige alte Frauen langsam und bedächtig,
andere eilig wieder dahinschreiten, das alles ist ungemein
sorgfältig beobachtet, studirt und in kräftigen Farben
und Linien anschaulich festgehalten. In Ludwig Dett-
manns „Friesländisches Lied" scheinen die Typen schon
weniger kräftig charakterisirt. Das Bild besticht da-
gegen mehr durch seine (Qualitäten und seinen Stimmungs-
gehalt. Dagegen bietetIgnazioZuloaga in seiner „Familie

rcr. 2s

des Stierkämpfers Gallito" ein ausgezeichnetes Beispiel
malerischer Charakteristik und Schilderung einer bestimmten
Nasse. Das Bild bietet in seiner Art so gut etwas vom
Wesen des spanischen Volkes, wie etwa ein Roßmann
oder Hölzel den oberbayerischen Bauernschlag.
Die internationalen Ausstellungen geben sehr häufig
Anlaß zu solchen anregenden Vergleichen, wie spezifisch
französisch empfunden ist das durch eine pikante Koloristik
ausgezeichnete Bild „Nach dem Bade" von P.A.Besnard.
Man sieht ein Stückchen hellschimmernder Luft mit einigen
Badehütten im Hintergründe. Das Licht spielt auf den
blonden Haaren und dem rosigen Busen eines jungen
Mädchens. Das alles ist mit entzückender Feinheit und
Frische geschildert und erinnert an ein Bouquetvon duftigen
Rosen und Nelken. „Erfahrung und Erwartung", ein
Werk von George Sauter, ist in seinem Arrangement
dem englischen Geschmack angepaßt: eine schöne junge
Frau und ein Mädchen, beide sehr elegant gekleidet,
sehr einfach und vornehm in Gebühren und Haltung.
Noch stärker fällt dieses Moment in's Auge bei Austen
Brown's „Junger schottischer Hochländer".
Ls handelt sich bei all' diesen Bildern wohl um
genaue Porträts im Zusammenhangs mit ihrer nächsten
Umgebung. Weist dieser junge Mann auf den Jagd-
sport hin, so Neven du Mont in seinem Selbstporträt
gleichfalls auf die liebste Beschäftigung junger Engländer
mit Pferden, Hunden und Jagd. In Harington Mann,
Bildniß des A. Kennedy Lnkine Lsq. of Dun, steht
ein Mann vor uns in ganzer Lebensgröße, gleichfalls im
Sxortanzug und die Reitpeitsche in der Hand. George
Henry giebt ein englisches Mädchen, im Lehnstuhl. Ls
ist eine hübsche frische Blondine in einer mit behaglichem
Komfort ausgestatteten Umgebung. Das französische
Wesen, speziell die französische Frau, die sich gern putzt
und schmückt und ihrer Schönheit und ihres Einflusses
sich bewußt ist, schildert Laro-Delvaille in überzeugender
Weise. In zwei Bildnissen giebt er zwei ganz ver-
schiedene Spezies von französischen Frauen. In der
„Dame mit der Hortensie" eine, die zu repräsentiren
versteht, die weiß, daß sie einem bekannten Maler sitzt,
und daß ihr Bildniß in der Geffentlichkeit beachtet,
gesehen und besprochen wird. In dem zweiten Werke
„Die Maniküre" sieht man einen Typus von Frauen,
die ihr Leben zu meist zwischen den Aufregungen und
Strapazen der Saison und auf der Chaiselongue der
Salons verbringt. Ls sind zwei treffende Gesellschafts-
figuren, die alte, die sich auf die pflege der Hände und
Nägel versteht, und die junge, deren Leben mit ihrem
Leibe und ihrem blühenden Fleische dahinwelkt. Auch
die „Schauspielerin" von Walter Sickert verräth eine
starke eigenartige Persönlichkeit; sie wirkt vor allein ganz
köstlich weiblich in ihrem putz, was nun die Malweise
anbelangt, so stehen die beiden Arbeiten von Caro-
Delvaille auf der Höhe der modernen Technik. Vor
allem berührt die strenge Zeichnung und die treffliche
Modellirung der Formen sehr angenehm. Man merkt
den Einfluß einer alten künstlerischen Kultur. Das Porträt
der Schauspielerin von Walter Sickert gemahnt in
seiner ungemein lebendigen geistreichen Auffassung aber
flüchtigen Durchbildung an eine moderne Illustration.
Tritt hierin schon mehr und mehr das Streben zu
Tage, das Bildniß den malerischen Problemen zu unter-
stellen, so tritt dieser Zug noch stärker in dem Porträt
der Gräfin M. von Hierl-Deronco hervor und zwar in
diesem Bilde bis zur rein dekorativen Uebertreibuüg.
Das persönliche der Erscheinung tritt ganz zurück
hinter der pompösen Farbgebung. Es fehlt der über-
zeugende Ausdruck, der z. B. Zuloagas Familienporträt
trotz mancher koloristischen Derbheit erträglich macht.

Die Kunst-alle.
 
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