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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Dworaczek, Wilhelm: Wien: Die Herbstausstellung im Künstlerhaus
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https://doi.org/10.11588/diglit.61999#0102

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8^

Nr. 6

Die Kunst-Halle.

wenngleich es ungemein wohlthäte, wenn der Künstler
seinem Bild wenigstens eine noch so kurze Erläuterung
beigegeben hätte, philosophische Ideen müssen eben
entweder so deutlich dargestellt sein, daß sie sich wie
etwas Selbstverständliches ausdrängen, oder vom Künstler
in irgend einer Form dem verständniß näher gebracht
werden. Sonst wirkt das philosophische Gemälde als
große bemalte Leinwand ost vornehmlich dekorativ und
zerflattert in rein malerische Details. Dies ist leider,
trotz der großen künstlerischen (Qualitäten, auch bei dem
Sascha Schneider'schen Bilde der Fall. Es ist ein
Nebeneinander von Ideen, in das der leitende Gedanke
doch nicht machtvoll und vor allem nicht klar genug
zum Beschauer spricht. Die Mitte der oberen Hälfte,
die in sieben Theile zerfällt, nimmt die Gestalt der
Wahrheit ein, streng in den Linien eine indische Gott-
heit darstellend — vermutlich den Ausgang des Strebens
„nach Wahrheit" vom Buddhismus andeutend. Zur
Rechten und Linken sind der „Krieg" und der „Frieden"
symbolisirt, jener durch eine in Waffenrüstung starrende
Gestalt, dieser durch einen Greis, der von einen: Jüng-
ling mit dem Zweig des Friedens geführt wird. Die
beiden nächsten Felder sind von einem König und einer
Königin ausgefüllt. Der erstere wirft sich anbetend zur
Erde. Im Hintergründe stehen die Worte: „Also sprach
Zarathustra!" Die äußersten Felder nehmen links die
hebräischen Schriftgelehrten, rechts die Jünger Jesu
oder die Apostel ein. Damit soll jedenfalls auf das
alte und neue Testament verwiesen sein. Die untere
Hälfte des Bildes zerfällt in drei Theile. Der äußerste
linke stellt die Figur eines Schwarzen vor einer Schädel-
pyramide dar — jedenfalls eine Versinnbildlichung des
kannibalischen Heidenthums — dem aber die das äußerste
rechte Bildfeld erfüllenden beiden Figuren einer satan-
artigen menschlichen Gestalt und eines langbärtigen
Mannes doch nicht recht deutlich gegenübergestellt er-
scheinen, obwohl gerade der Satan auf diesem Bilde
mit den merkwürdig zum Schopf zugespitzten Haaren
und dem eminent bedeutungsvollen Kopf vielleicht die
wirksamste Figur der ganzen Komposition bildet. Das
untere große Mittelfeld ist von einem Kampf nackter
Gestalten au-gefüllt, dem wohl das blutige Ringen der
Menschheit überhaupt zu Grunde liegt. Trotz der
archaisirenden Behandlung der Linie sind darunter ein
paar vorzügliche Akte, wie mir überhaupt — dies ist
bei Sascha Schneider eigentlich nicht typisch — bei diesem
Bilde die zeichnerischen «Dualitäten über den gedanklichen
zu stehen scheinen. Die Farbengebung beschränkt sich
auf große Flächen und giebt so dem Ganzen den Ein-
druck dekorativer Malerei, etwa wie man sie mit möglichst
einfacher Farbgebung auf die nasse wand zu malen
pflegt. Immerhin ist das Bild interessant und bietet
manche bedeutsame Anregung. Ls ist nur schade, daß
der Künstler seinem Grundgedanken nicht deutlicheren
Ausdruck gegeben.
was die Ausstellung sonst noch in den Sälen zu
ebener Erde enthält, trägt vornehmlich den Charakter
der meisten Ausstellungen des Künstlerhauses. Es ist
so vielerlei und man möchte manchem ein freundliches
Wort sagen, ohne daß man sich gerade ungewöhnlich
angeregt fühlen würde. Robert Ruß, Brunner,
Alfr. Zoff, Holub, Schramm u. a. haben recht
hübsche Landschaften ausgestellt. Man kennt ihre Art
und schätzt sie.
August Schäffer überrascht diesmal aufs ange-
nehmste; er hat in einem „Am Richtberg" betitelten
Bilde die Schrecken des Hochgerichtes mit einer Land-
schaftsstimmung in grauendem Morgenlicht überaus fein
und glücklich zu verbinden verstanden. Auch Tom ec

und Ad. Kaufmann sind landschaftlich sehr gut ver-
treten. Im Porträt muß Pochwalski besonders er-
wähnt werden. Ls scheint, als hätte er seine frühere
Art etwas wiedergefunden. Sein männliches Porträt
erinnert in seiner kräftigen Durchführung an seine besten
Zeiten. Lenbach's prächtiges Bild der Münchener
Hofschauspielerin Emma Berndt bedarf wohl keines
Lobes. Es ist eben ein ganzer Lenbach, und das sagt
genug. Auch Paul Ioanowits und Hans Temple
sind recht gut vertreten. Iehudo Epstein hat ein großes
breit gemaltes Gelbild „Mathatias spricht zum Volke"
ausgestellt. Er hat in der Farbengebung manches von
Slevogt, ist aber exakter in der Zeichnung. Trotz vortreff-
licher «Dualitäten des Bildes waren mir aber seine kleinen
landschaftlichen Skizzen, die ich vor einem Jahre sah,
lieber. Louis Uhl hat einen fein gemalten Sensen-
Dengler, Hermann Goebel ein im Motiv hübsch
empfundenes „Interieur eines Hammerwerkes" und
Ed. Veith eine im Kolorit sehr reizvolle Halbdunkel-
studie ausgestellt. Ian Matej ko's „Aus der Geschichte
Polens" und Zizka vertreten mit tiefer Wirkung und
machtvollem Eindruck die ältere Malweise. Sein sattes
Kolorit und die großartige Zeichnung erweisen den
unsterblichen Meister, der leider noch viel zu sehr auf
seine nationale Bedeutung beschränkt ist.
Die Plastik ist diesmal recht schwach vertreten.
Porträtbüsten von Waterbeck und Carl Philipp
Ig. weirichs Bronzegruppe ^Oonsumatum est", sowie
Arth. Kaan's reizende Bronze „Hansel" und „Aethio-
pffche Fürstin" sind zu nennen. Adalbert Ed. Saff hat
einen größeren Fries (für das Stiegenhaus des neuen
Museums in Pilsen bestimmt) ausgestellt. Es ist ein
Zyklus nach einem böhmischen Mythus des 7. und 8.
Jahrhunderts und hat ganz vorzügliche Einzelheiten.
Manches scheint ein wenig derb empfunden, die Durch-
führung des Ganzen aber zeugt von viel Geschicklichkeit
und Verve. Jedenfalls eine tüchtige Arbeit.
An kunstgewerblichen Arbeiten sind einige feine und
mit subtilem Gescbmack gearbeitete Schmuckgegenstände
in verschiedenen Materialien von Carl Waschmann
besonders zu erwähnen.
Im ersten Stock hat sich die Künstlergruppe „Jung-
bund", eine Vereinigung der jüngsten stürmenden Ele-
mente innerhalb der Künftlergenossenschaft, mit einer
Kollektion vorgestellt. Und man muß zugestehen, daß
diese im großen Ganzen einen recht frischen und erfreu-
lichen Eindruck macht. Gtto Barth's breite panneaux-
artig gemalten Gletscherstudien, T. G. Tzeschka's reiz-
volle Färb- und Federzeichnungen fielen besonders auf.
Namentlich der letztere erweist sich als vortrefflicher
Illustrator. Er hat eine sichere und dabei witzige Art,
den Stift zu führen. DieIllustrationsvorlagen zu „Hebbels
Schatzkästlein" und anderer: im Verlage von Gerl ach
erschienenen Werken, namentlich zu dessen Jugend-
bibliothek sind voll Reiz und Anmuth in der Erfindung,
flott in der Durchführung und zuweilen keck und witzig
im Technischen. Man wird seinen Namen bald noch
mit größerer Anerkennung nennen müssen. Auch
H. Tomploi, Fahring'er, F. Beck, Alex, pock und
Carl Ederer haben vortreffliche Arbeiten ausgestellt.
Gleich hieran schließt sich eine Kollektion des Malers
Emil Strecker in Dürnstein a. D.; fast durchweg
Landschaftliches. Darunter finden sich viele feine Stücke.
Ein liebenswürdiger Farbensinn, Gefühl für das an-
muthige und idyllische in der Landschaft, vornehme
Empfindung und eine unaufdringliche, bescheidene Art
machen die Darbietung dieses Künstlers überaus sym-
pathisch. Man wird ihm immer gern wieder be-
gegnen.
 
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