Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst-Halle — 8.1903

DOI Artikel:
Harrach, Max: Düsseldorf 1902: Deutsch-nationale Kunstausstellung, Schluss [6]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.61999#0031

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Nr. 2

Die A u n st - H a l l e.

2s

ist von Berlin nach Weimar übergesiedelt, um dort den neuen
Stil heimisch zu machen. Die guten alten Weimaraner —
die „Unentwegten" — müssen sich im Grabe umgedreht
baden . . . wer van der Velde's Kunstart kennt, wird hier
wenig Neues und Ueberraschendes entdecken. Lin Vorzug kenn-
zeichnet diese Arbeiten vor vielen: ksarmonie! Nicht nur die
Möbel, die nur „Linienwirkung" haben und merkwürdig
praktisch im Gebrauch erscheinen — nicht nur die Tapeten, die
Teppiche, die Möbelstoffe —, auch die Keramiken, die Silber-
geräthe und Schmucksachen sind einheitlich und „passen zu-
sammen". Ls ist also lediglich eine Geschmacksfrage, wie man
sich zu diesen Darbietungen stellen will.
Zwei Räume haben ferner die „Münchener Vereinigten
Werkstätten für Kunst und Vandwerk" mit ihren Erzeugnissen
gefüllt. Da ist vor allem ein Damenzimmer mit polirten
Kirschbaumholz-Möbeln, entworfen von Bruno Paul. Das
Ganze ist sehr feinsinnig ausgeklügelt und mit apartem Ge-
schmack zusammengestellt. Vom gleichen Künstler ist noch eine
Wohnzimmer-Einrichtung in gleichem Material und eine
Garnitur von Lampen und Leuchtern ausgestellt. Schmuz-
Baudis hat u. A. eine aus 57 Theilen bestehende Porzellan-
serie da, die, wie alle Keramiken dieses Künstlers, einen feinen
Farben- und Formensinn bekunden; auch I. Scharvogel,
Rich. Riemerschmid und wilh. Krieger sind mit keramischen
Arbeiten vertreten. Sehr zahlreich sind die Bronzen und
Metallarbeiten. Becher, Lampen, Tafelaufsätze, Uhren, Tisch-
glocken und Briefbeschwerer aller Gattungen sind da zu sehen.
Auf Sachen näher einzugehen, muß ich mir versagen; nur die
Uhrensammlung des jungen Darmstädters Ferd. Morawe sei
der Kuriosität wegen besonders erwähnt.
Wien, das in der hohen Kunst so lange rückständig ge-
blieben ist, hat sich mit Eifer und mit einer wahrhaft über-
raschenden Anpassungsfähigkeit der neuen Stilbewegung zu-
gewandt. Sezession und kfagenbund haben in Düsseldorf aus-
gestellt. Das leichtblütige, geschmeidig an der Oberfläche
tändelnde Naturell der wiener scheint eine günstige Voraus-
setzung für die Modernität in der angewandten Kunst zu sein.
Zwei Interieurs zeigen uns den wiener Geschmack in feiner
feinsten Emanation: Lin Damenzimmer von ILray sVagen-
bund) und ein Theezimmer von Leox. Bauer sSezession).
Das erstere hat acht wände, die mit Seiden-Panneaux be-
spannt sind: rapsgelber Grund mit Applikationsstickerei in
kaltem Stahlblau. Der Teppich blau und grau gestreift. Die
Möbel, theils vergoldet, theils braun polirt Ahornholz mit
Intarsien. Der Möbelstil ähnelt einem schwerfälligen Empire.
Zum warmen Braun stimmt der graugrüne Stoffbespann sehr
eigenartig. Die ganze Farbenzusammenstellung ist raffinirt
ausgeklügelt — aber die Sache hat 'nen lfaken. wie wird's,
wenn ein paar Besucher in den Raum treten, von denen eine
Dame ein knallrothes Kleid, ein perr grell karirte Pantalons
trägt? . . .
Das Theezimmer von Bauer hat weißgetünchte Wände,
die über einem pfauenblau irisirenden Sockel aufsteigen; es
sollen gläserne Kobaltplatten aus einer böhmischen Glasfabrik
sein. An einer Seite des Gemachs ist ein wandbrünnchen an-
gebracht; das Wässerchen plätschert nicht — es tropft in regel-
mäßigen Intervallen — auch ein modernstiliger Effekt. Die Möbel
hielt ich anfangs für rothgestrichen — da sah ich näher zu und
gewahrte, daß es beinhartes, echtes Korallenholz ist.
Diese beiden Erempel, die ich hier anführe, werden ge-
nügen, um die Eigenart des wiener Neustils im Interieur zu
kennzeichnen. Zwei Pauptmatadore der wiener Sezession,

Jos. poffmann und Koloman Moser, zeigen allerlei
Kleingeräth von stark persönlichem Stil, ersterer z. B. schöne
Tafelaufsätze und Sportpreise in Silber, sowie niedliche Wand-
uhren und Keramiken, letzterer eine Serie zierlicher Kunstgläser
und „Vasen in Phänomen". — Als Charakteristikum des
ganzen Wiener Neustils darf ich wohl noch anführen, daß
auffallend viele Erzeugnisse für weibliche Bekleidungszwecke
zugelasfen sind.
Die Kunstwebeschule in Scherrebeck stellt elf Webereien
aus. Christiansen, Lckmann, Ubbelohde u. A. haben die Ent-
würfe angefertigt. Die Arbeiten der Scherrebecker sind im
Laufe der letzten Jahre so oft ausgestellt worden, daß ein
Anlaß zu weiterer Besprechung kaum vorliegt. Wohlthuend
berührt immer aufs Neue die fein abgetönte Farbenwirkung,
das weiche Ineinanderfließen der Linien und Flächen, die der
Wirkung auf alten Gobelins in nichts nachsteht. — Die
Dresdener Werkstätten für lhandwerkskunst sandten vor-
nehm stilisirte Möbel, Länger-Karlsruhe zeigt seine Keramiken,
die Münchener w. v. Beckerath und L. de Bouchä brilliren
mit Schmucksachen und Glasgemälden, die Berliner w. Collin,
Eckhardt und Leistikow mit Bucheinbänden, Kunstverglasungen
und Gobelinteppichen.
Düsseldorf selbst ist mit Proben neueren Kunststils nicht
zurückgeblieben, wenn sich hier auch weit weniger Enthusiasmus
offenbart wie in den Abtheilungen, wo Wien, München und
Berlin dominiren. Sehr reichhaltig ist die Kollektion von
lhugo Leven. Allerlei zierliche Schränkchen und Metallsachen
in Gold, Silber und Email sind mit gutem Geschmack ent-
worfen. wilh. Zaiser handhabt den Lederschnitt mit Fein-
gefühl und sicherer Technik, auch in einigen Stickereien steckt
geschmackvolles Anordnungstalent.
Dem Freunde der neuen „Angewandten Kunst" ist in
Düsseldorf somit reichlich Gelegenheit gegeben, den Werdegang
der ganzen Richtung in seinen Vauptetappen zu verfolgen.
Aber auch dem Anhänger der alten Richtung bietet die
Ausstellung genug des Genußreichen, und er kann den Trost
gewinnen, daß sich das gute „Alte" noch immer neben dem
„Neuen" sehen lassen kann. So bringen u. A. die Kölner
kunstgewerblichen Erzeugnisse hier die konservative Stilrichtung
rühmlich zur Geltung.
Ein Prunkstück, das eigentlich Anspruch auf einen Ehren-
platz in der kunstgewerblichen Abtheilung hätte, ist das Raths -
silber der Stadt Aachen, entworfen und modellirt von
Amberg, Charlottenburg und Lfeilbronn, ausgeführt von
Bruckmann u. Söhnen-Veilbronn. So eminent die ganze
Arbeit in rein technischem Sinne durchgebildet erscheint, läßt sie
doch wegen der steifen, eckigen Stilisirung, die sich in alt-
romanisch-karolingischem Geschmack bewegt, unbefriedigt. Unser
Auge empfängt durch die primitive Gesuchtheit dieser Stil-
gebung einen befremdenden Eindruck, der noch verschärft wird,
wenn man sich z. B. des prächtigen Rathssilbers der Stadt
Köln erinnert.
Ich habe mich bei Anführung der oben genannten kunst-
gewerblichen Arbeiten vorwiegend an die Serien und Einzel-
arbeiten gehalten, die im Kunstpalast die Abtheilung für
„Angewandte Kunst" repräsentiren. Indeß ist auch in
den außerhalb dieses Gebäudes befindlichen Sammlungen,
Pavillons und fallen das kunstgewerbliche Fach mannigfach,
doch leider theilweise recht unauffällig vertreten. Das industrielle
Gebiet ist hier allein tonangebend, und die kunstgewerblichen
Arbeiten dienen lediglich als dekorative Folie. In dieser
Gruppe sei das große Giebelfenster des Mittelbaues genannt
 
Annotationen