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Die Kunst-Halle — 8.1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.61999#0282

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Die Kunst-Halle.

Nr. (6

2^^

man plötzlich, daß ihm ein bedeutendes Werk im
Moabiter Hause gelungen sei.
worin aber, so möchte ich skeptisch zu bemerken
mir erlauben, besteht wohl das Bedeutende dieser Aus-
stellung? Etwa in dem herrlichen blauen Repräsentations-
saal, den der liebenswürdige Architekt Alfr. I. Balcke
gestaltete? Oder gar in der großen Zahl amerikanischer
Bilder, die, näher betrachtet, nur zum kleineren Theil
auf der Höhe der heutigen franko-amerikanischen Kunst
stehen? Mir wäre sie nur dann bedeutend, wenn
solches Urtheil vor Allem der Gesammtheit der vor-
handenen deutschen Werke zukäme. Ebenso wenig
wie in den früheren hiesigen Sezessionsausstellungen
lasse ich mich hier durch die an sich gewiß ganz inter-
essanten Zuthaten, die dem Ausland zu danken sind,
über die (Qualität des Kerns der Ausstellung täuschen,
wie optimistisch auch das Urtheil über diesen quantitativ
vorherrschenden deutschen Theil der Ausstellung gefällt
werde, kann es dennoch nicht unser lebhaftes Bedauern
über die dieses Mal besonders klaffenden Lücken, zu
denen u. A. das Lernbleiben so vieler Münchener
rechnet, zum Schweigen bringen. Obwohl sogar mehr
als ^0 Namen von Münchener Malern im Katalog zu
lesen sind, sogar namhafte, z. B. willroider, H. v.
Petersen, Ad. Oberländer, G. Max, Karl Marr, w. Firle,
fehlen doch die führenden Leute von der Isar, so daß
von einer würdigen Repräsentation der Münchener
Kunst natürlich nicht gesprochen werden kann. Ebenso
wenig auch von einer Kunst der Karlsruher, Dresdener
u. s. w. Nur die Düsseldorfer Freunde sind in zwei
Hauptsälen sehr anspruchsvoll erschienen. Nach diesen
Leistungen aber hat es beinahe den Anschein, als habe
der jüngst daheim getriebene Kräfteaufwand schnell zu
innerer Abschwächung und geistiger Leere geführt.
Steht doch auf nicht wenigen großen Leinwandflächen
in diesen Sälen der Geist im fühlbarsten Kontrast zu
dem gewählten stattlichen Format der Bilder, während
freilich gar manche kleinere Arbeit köstlich anmuthet.
Jedenfalls vermag ich in dem Gebotenen nirgends
einen ausreichenden Ersatz für das, was speziell von
süddeutscher Kunst zu erhoffen gewesen wäre, zu finden
— zu erhoffen, wenn diese Ausstellungsleitung es nicht
so vortrefflich verstanden hätte, früheren Freunden vor
den Kopf zu stoßen, die, wie die Münchener, bei
richtiger Behandlung wohl in der Lage gewesen wären,
erheblich zu dem Glanz der deutschen Abtheilung dieser
Ausstellung beizutragen, vielleicht glaubte man, was
man positiv verscherzte, durch besonders scharfe Iurirung
— dem Herrn Kunstdezernenten war sie freilich noch
nicht streng genug — in anderer weise wieder gut zu
machen. Aber woher kommt dann der Kitsch, den die
Säle trotzdem in Hülle und Fülle aufweisen? Ist die
deutsche Kunst selbst in ihren besseren Regionen schon
so heruntergekommen? Oder war da wiederum eine
Jury bei der Arbeit, die mit einem strengen und einem
milden Herz — je nachdem — urtheilte? wer hätte
den Muth, von einer Lliteausstellung hier zu sprechen?

So war der Versuch wohl begreiflich, jene klaffenden
Lücken durch eine fremde Kunst — durch welche, war
den Herren zunächst offenbar ziemlich gleichgültig —
auszufüllen. Man kam auf die Kunst der pariser
Impressionisten, die der Monet, Sisley, Pissarro,
Tszanne u. A., auf welche unsere Sezession sich bisher
soviel zu Gute that, wie mir scheint, weil sie am
wenigsten schwer zu beschaffen war. Man zog auch
eine riesige dekorative Leinwand („Der Parnaß") und
einige Studien des verstorbenen puvis de Thavannes
heran, obwohl sie zu dem Uebrigen innerlich so fremd
wie möglich stehen. Modern muthen zumal die belgischen
Werke an, die sich in einem brillant geeigneten langen
Saale den Franzosen anschließen. Hier bildet das
kolossale Bild von Ti am b erl a n i-Brüssel, „Das heitere
Leben", den Mittelpunkt; aber es ist ganz in der
Farbenstimmung des puvis de Thavannes gehalten, ob-
wohl dazu die robusten vlämischen Typen schlecht genug
passen. Alles das ist ja an sich recht schön und sehens-
werth. Aber man muß sich, geht man den Dingen
auf den Grund, dabei ehrlich gestehen, daß so eine
fremde Bilderkollektion, die man sich auf dem Wege
des Kunsthandels unschwer beschafft, eine etwas wohl-
feile Manier ist, irgend einer beliebigen Ausstellung
einen modernen Anstrich zu geben. Den eigenen
Künstlern gegenüber scheint sich die Gesinnung im
Moabiter Hause kaum geändert zu haben, nur dem
Ausland gegenüber hat sich die Anerkennung des
„modernen" Geschmacks Bahn gebrochen: ein sonder-
bares Prinzip, das bereits das „gebührende" Lob in der
Geffentlichkeit gefunden hat.
Aber ich möchte in diesen einleitenden Sätzen
nicht härter erscheinen, als es zur Kennzeichnung der
diesmaligen Sachlage unbedingt nöthig ist. Es drängt
mich gleichzeitig dem Schöpfer der Umgestaltung der drei
Säle, die die Mitte der vorderen Ouerachse der Anlage
betonten, zu einem imposanten Nepräsentationsraum
von 60 Metern Länge, meine Bewunderung aus-
zudrücken. Herr A. I. Balcke hat zur Gliederung und
Belebung der ausgedehnten Wandflächen, sowie zu
deren Ueberspannung sich der wuchtigen Formen spät-
römischer Antike bedient. Die ursprüngliche Saal-
dreizahl ist an den Trennungswänden in massigen
Pfeilern mit darüber entwickelten breiten Gurten fest-
gehalten. Der farbige Ton von Bodenteppich, wänden
und Decken ist ein leise gedämpftes Blau, das mit den
lichten, aus Masken, Medaillons, Reliefs, Kränzen und
Blätterfriesen gebildeten, plastischen Dekorationen und
mit der gemalten Rankenornamentik, dank der Mit-
arbeit von Julius Senfs (i. Fa. M. I. Bodenstein),
einen äußerst vornehmen, sehr wirkungsvollen Zu-
sammenklang ergab, von vornherein war übrigens
nicht das Balcke'sche Projekt, das erst später entstand,
sondern ein anderer, nämlich der in Folge einer Kon-
kurrenz mit dem ersten Preise gekrönte Entwurf von
Max Ravoth zur Ausführung ins Auge gefaßt worden.
Aber man muß als Unbetheiligter bei dieser Sache ge-
 
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