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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Schapire, Rosa: Thoma's Wandgemälde in der Peterskirche zu Heidelberg
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https://doi.org/10.11588/diglit.61999#0281

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Nr. (6

Die K u n st - H a l l e.

2^3

wie eine stille Insel wirkt die etwas tiefer als das
Straßenpflaster liegende Epheu-umsponnene Kirche im
Schmucke der alten Grabplatten. Im Innern freilich
war sie kahl genug. Das ist fetzt anders geworden.
Den Abschluß der beiden Seitenschiffe — das Mittel-
schiff verläuft apsidal — bilden zwei Szenen aus
Christus' Leben, sie beherrschen den ganzen Raum.
Dargestellt sind das Xoli me kanZ-ero (Evangelium
Johannis 20, (7) und Christus über den wassern
(Loang. Matthäi sch 27).
Stürmisch in hohen Wellenkämmen geht das
Meer, aber leicht wandelt Christus' Lichtgestalt über den
Wellen, während Petrus, der kleingläubige, bis zur
Hüfte im Wasser versinkt und Hülfe heischend die
Hände nach dem Herrn ausstreckt, wir glauben das
Wunder, denn wir fühlen es. Von dem blassen Mann
mit den gesenkten Augenlidern und den hülfebereiten
Händen geht alles Licht im Bilde aus, selbst die
Wolken bilden einen Glorienschein um ihn. Christus
ist kleiner, zarter, ätherischer als Petrus gebildet. Sein
verwaschen kalkblaues Gewand, in dem grünlich-weiß-
liche Töne spielen, flattert im winde. Petrus ist im
Profil gegeben, sein mattes, mauvefarbenes Kleid
stimmt wundervoll zu den grünlich-bläulichen Tönen im
Wasser, den hohen weißlichen Schaumkronen und dem
dunklen, wolkigen Hintergründe. Ain den geheimniß-
vollen Charakter zu erhöhen, spielt sich der Vorgang
zur Nacht ab. Regenschwere, in's Schwärzliche über-
gehende Wolken decken den Himmel, vereinzelte Sterne
verbreiten spärliches Licht. Alle „vorspringenden"
Farben (Roth, Orange und Gelb) sind vermieden, nur
die „zurücktretenden" (Blau in seinen verschiedenen
Nüancen) angewandt. — Viel irdischer ist der Christus
auf dem Koli wo tMZ'sro. Bart- und Kopfhaar sind
dunkler, die Züge ausgeprägter, aber weniger edel, der
visionäre Charakter verschwunden. Ins Leichentuch ge-
hüllt, das nur die linke Schulter frei läßt, mit den
Wundenmalen auf Händen und Füßen ist er durch die
offene Gartenpforte getreten. Maria Magdalena ist
nicht die schöne Liebende mit seidigem Haar und reichem
Gewände, wie unsere alten deutschen Meister sie so
häufig gebildet haben. In ihren verhärmten Zügen
liegen die Spuren des Grames, durch den sie gegangen,
aber ein seliges Erkennen blitzt in ihren Augen auf, sie
sinkt in die Knie und breitet die Arme sehnsüchtig nach
dem Herrn aus, der ihr erschienen. Er aber wendet
sich mit doppelt abwehrender Bewegung von ihr:
Rühre mich nicht an, denn ich bin noch nicht auf-
gefahren zu meinem Vater. . . . Lin hoher, schlanker
Orangenbaum mit reicher Krone trennt die Gestalten.
Im Garten blüht es. Dunkelblaue Iris, krapprothe,
ins Bläuliche übergehende Tulpen stehen im Vorder-
gründe. Mit welcher Liebe ist der Habitus der
Pflanzen beobachtet und wiedergegeben! — Der Blick
schweift über die Gartenmauer hinaus in die weite
Landschaft. Noch sind die Bäume kahl. Strahlen-
förmig geht die Sonne unter, bläuliche Abendschatten

breiten sich über die Hügel und ergießen sich ver-
söhnend über die ragenden Kreuze auf Golgatha. Nur
auf den höchsten Bergspitzen liegt noch verglühendes
Abendroth. wundervoll sind beide Bilder in den spitz-
verlaufenden Wandbogen komponirt. Auf dem Aoli ms
tLNA'ers bilden die sich verästelnden Kronen der Orangen-
bäume — die Komposition ist zu beiden Seiten von
schlanken Orangenbäumen begrenzt — mit dem reichen
Schmucke der leuchtenden Früchte den Abschluß nach
oben. Auf dem petrusbilde schimmern Sterne über
den schweren Wolken und erwecken die Vorstellung
eines Unendlichen.
Thoma nannte das Chriftusbild, das er im Wett-
bewerb mit acht anderen Künstlern ((896) für Th. Bierck
geschaffen hat, „den Sammelpunkt für sein ganzes
Schaffen". In erhöhtem Maße gilt dies für seine
Kompositionei: in der peterskirche, und daß es ihm ge-
gönnt war, über den Nahmen des Tafelbildes hinaus,
an den: Orte, wo Gottes Wort verkündet wird, zu
sagen, was ihn erfüllt, ist ein Glück für ihn und mehr
noch ein Glück für uns.

Srorse Miner Xun5tsu55teIInng IW.

I.
(Affs ist der „Großen Berliner" dieses Mal in der
That gelungen, die hiesige presse zu verblüffen.
Das ist viel und doch wiederum wenig; viel und auf-
fallend, wenn man sich der früheren Animosität gegen die
„Kunstmarkthalle" erinnert, wenig, wem: man zusieht,
wie leicht es unter den obwaltenden Umständen war,
mit dem Außerordentlichen dieser Ausstellung Eindruck
zu machen. Da genügten einige effektvolle Um-
gestaltungen der Säle und eine Anzahl Bilderimporten
aus Paris, Belgien und Amerika, um die meisten der
Herren, welche den Griffel der Tageskunstbeschreibung
in den Händen halten, für den „neuen Geist" in:
Moabiter Glaspalaste zu enthusiasmiren. Hier in
Berlin spitzt sich Alles gern auf Persönlichkeiten zu.
Lob und Tadel werden wie auf Vereinbarung nach
gewissen Prinzipien, hinter denen Personen stehen, ver-
theilt. Hätten die früheren Arrangeure dieser „Großen
Berliner" dasselbe gemacht, was wir heute sehen, es
wäre doch nicht dasselbe gewesen, wenigstens dem Ein-
druck auf die kritischen Machthaber nach; hätten sie,
um bildlich zu reden, selbst den Ossa auf den pelion
gewälzt, es wäre einer gewissen Kritik trotzdem nichts
zu Liebe gemacht worden. Jetzt aber, da Herr Kampf,
der ehemalige Ianssenschüler aus Düsseldorf, der kürz-
lich ohne eigentliche Erfahrungen zu uns kam, der
offizielle Leiter der Berliner Kunst ist — lieft und hört
 
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