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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Der Wechsel im Kunstdezernat
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370

Die A u n st - H a l l e.

Nr. 2fl

Kunstdezernent in der Wahl seiner Vertrauensmänner,
deren er bei seiner Unsicherheit in den künstlerischen
Angelegenheiten benöthigte, manchmal vergriff. Er
wählte sie aus dem Ureise der sog. Modernen. Ich
sage „sogenannten", weil ich einen reellen Begriff
„modern" für die Kunst nicht gelten lasse und ich daher
auf feuer Seite nur eine Koalition von Künstlern,
Kunsthändlern, Museumsgelehrten und Kunstschreibern
sehe, denen die heute vielgenannte Moderne nur ein
Deckmantel, ein Stichwort, ein Parteiname oder dgl.
ist, die es ihnen bequemer ermöglichen, die Andern zu
diskreditiren, zu isoliren und bei Seite zu schaffen.
Ich leugne indeß nicht, daß den Herrn, nachdem die
Verhältnisse für sie in Berlin anfänglich sehr ungünstig
lagen, in letzter Zeit mancher überraschende Erfolg in
der öffentlichen Gunst zu Theil geworden ist. Jeder
wußte, daß dabei die latente Mitwirkung des Geheim-
raths Müller, an dessen Kockschöße sich die Herrn mit
aller Kraft hängten, eine bedeutsame Rolle spielte.
Zu verargen ist es wohl keinem der Begünstigten, daß
er die schöne Gelegenheit, die sich seiner Partei bot,
beim Schopfe ergriff. Herr Müller aber fuhr unent-
wegt fort, die wunderbare Brücke zwischen diesen Herrn
und dem Königlich preußischen Kultusministerium zu
bauen, für jene Leute zu sorgen und zu arbeiten, zu
deren geistreichsten Scherzen es gehörte, die Kunst-
absichten des Kaisers heimlich und offen zu bespötteln.
Den Zuschauern bot sich zuweilen ein gar seltsames
Spektakel. Man hatte vielfach das Gefühl, als habe
in jüngster Zeit im Königlich preußischen Kultus-
ministerium an der zuständigen Stelle die Neigung
latent bestanden, dein kaiserlichen Einfluß, aus Rücksicht
auf sezesfionistische Anschauungen, direkt entgegenzu-
arbeiten.
Zeder, dem die Kunst eine ernste Sache ist, hat
zweifellos das unnehmbare Recht, seinen ästhetischen
Standpunkt gegen Jeden, wer es auch sei, in der ihm
zustehenden Weise zu betonen. Auch Herr Geheim-
rath Müller konnte das thun, wenn er dabei nur die
Grenzen seiner Zuständigkeit respektirt hätte. Daran
allein ist er gescheitert, nicht etwa, weil er ein Gpfer
seiner Reberzeugung wurde, die ich ihm in diesen
künstlerischen Dingen nicht recht glaube. Er ist das
Opfer eines Konfliktes geworden, den er nicht ohne
Verletzung seiner amtlichen Integrität selbst herauf-
beschwor. Man fasse die eidliche Verpflichtung eines
Kunstdezernenten, mit dem Schreiber dieser Zeilen, so
liberal wie nur irgend möglich auf. Es bleibt doch
noch eine Gebundenheit übrig, die für den Träger
jenes ehrenvollen Amtes eine entgegengesetzte Haltung
zu ganz bestimmten Willensäußerungen des Kaisers in
keinem Lalle zu rechtfertigen vermag.
Folgende peinliche Situation hatte sich eben daraus
im vorigen Jahre ergeben. Beim kaiserlichen Besuch
in der Großen Kunstausstellung hatte der auch vom
Kultusminister Vr. Studt und Geheimrath Müller be-
gleitete Monarch plötzlich, unerwartet den letzten nord-

westlichen Saal betreten, der damals einer Gruppe
Berliner Sezessionisten mit eigener Jury und Hänge-
kommission überwiesen war — überwiesen offenbar nur
auf Grund eines Bruches eines Ausstellungsreglements,
das vom Kaiser s. Zt. selbst gewünscht war. Der
Kaiser, dem diese Sonderausstellung auch sonst sehr mißfiel,
wandte sich kopfschüttelnd an den Minister und dieser
ersuchte Herrn Müller um Aufklärung. Herr Müller
aber schwieg. Warum schwieg er, der doch eigentlich
für den Inhalt dieser Ausstellung nicht verantwortlich
war? Er scheint also der Durchbrechung der herrschen-
den Bestimmungen für die Großen Kunstausstellungen
nicht fern gestanden zu haben. Herr Müller hätte
schon damals gehen können. Wenn er noch nicht gehen
wollte, so hatte das wohl eine eigene Bewandtniß ge-
habt. Er war jener Koalition, zu deren Zwecken er
seine Arbeitskraft brauchen ließ, noch zu unentbehrlich.
Seine Wirksamkeit durfte sich in der Folge noch in
einigen denkwürdigen Handlungen kundthun. Zuerst
war er der rücksichtslose Scharfmacher der Jury der
letzten Ausstellung. Sodann dankt man ihm die That,
daß durch seinen auf den Reichskommissar der Welt-
ausstellung in St. Louis ausgeübten Einfluß, die Deutsche
Kunstgenossenschaft von der Mitwirkung in St. Louis
ausgeschlossen wurde — zu Gunsten Einiger, deren
Objektivität bezüglich jedes der Herrn nicht über allen
Zweifel erhaben ist.
Am meisten aber hat die auffällig beschleunigte
Nachfolgerwahl für Reinhold Begas als Vorsteher des
hiesigen akademischen Meisterateliers Aufsehen erregt.
Er hatte zwar durch das offiziöse Regierungsorgan
damals erklären lassen, es sei Alles in schönster Ordnung.
Aber die Thatsache ließ sich trotzdem nicht aus der
Welt schaffen, daß der Nachfolger schon sprungbereit
auf die Wahl harrte, bevor der große Meister seine
unter dem Drucke der Verhältnisse gegebene Abdankung
„freiwillig" einreichte, auch nicht die Thatsache, daß
der Reichsanzeiger erst nach Monaten in den Stand
gesetzt war, diese so schweigsam betriebene Wahl vor
der Geffentlichkeit einzugestehen.
Und Wer war diese so unerhört begünstigte
Persönlichkeit? Lin Bildhauer, den der Herr Kunst-
dezernent seiner Freundschaft und seines vertrauens
wohl nur darum würdigte, weil er ihn für eine Größe
moderner Observanz gehalten, ohne das Urtheil auf
beiden Seiten erst kennen zu lernen. Liebe hat ihm solches
Verhalten in den Kreisen der Künstlerschaft nur im
verschwindend geringen Maße verschafft. Nur die,
welche ihm viel verdankten, weinen ihm eine aufrichtige
Thräne nach. Die Mehrheit aber hat wahrlich allen
Grund seines Rücktritts froh zu sein.
F. Z.
 
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