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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Brosch, L.: Venedig: V. Internat: Kunstausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.61999#0318

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276

Die Aunst-Halle.

Nr. f8

Sehr anspruchsvoll ist über einer Thür ein Hochrelief
angebracht, das die Bildhauerei versinnbildlichen soll;
dann läuft ein gelber Teppich förmlich gegen die Bilder
schreiend durch den Saal. Gola erscheint in seinem
Porträt ganz dilettantenhaft, malerisch und zeichnerisch
unbedeutend; nicht viel anders Agazzi mit einer Nopf-
studie. Besser ist Heuer p. Thiesa mit seinem Triptychon
weggekommen, dessen Farben geschickt verschmolzen,
transparent wirken. Auf Belloni's Meer heben sich grell-
hart die Wogen im Hintergründe ab. Spießbürgerlich
und süßlich ist die Tempera Mantessi's: eine Mutter,
die ihr Nind herzt. Feragutti besitzt nicht den Muth,
seine Figuren kräftig zu modelliren, aus Nücksicht wohl
auf die Stimmung. Ob zwar Morbelli's Pointillismus
nicht Jedem sympathisch sein mag, muß man zugestehen,
daß er das Beste im Saale bringt. Seine „Weihnachten
der Zurückgebliebenen" sind ganz vorzüglich; der Sonnen-
strahl, welcher eine der Figuren beleuchtet, hat gar nichts
Absichtliches, auch das Milieu ist gelungen. Von dein
Meister ist noch: „Die winternächtliche Siesta", die nicht
forcirt erscheint, aller Anerkennung werth, weniger gut
„Die zwei Winter", in welchem Bild die Gestalten zu
sehr auf dein Hintergrund kleben. Mose Bianchi ist in
seiner Thioggia-Vedute ganz Tanaletto, sein „Stürmisches
Meer" ist gar zu unbestimmt in der Bewegung, denn
so wild auch die Welle emporzischt, hat sie immer etwas
plastisch Anschauliches. Tarcano ist noch mit einein
guten Bild aus seiner früheren Zeit vertreten.
Die Haare steigen Einem zu Berge, wenn man in
den exzentrischen Saal der Aemilia tritt: er gleicht einem
überladenenWaarenmagazin. Außer ewigen Zeichnungen
Serra's, die makellos in der Perspektive sind, und einer
gefühlvoll, mit feinen Uebcrgängen modellirten Bronze-
gruppe von Noinagnoli, steht alles Uebrige, was hier
geboten wird, von A bis Z auf dem Niveau der Mittel-
mäßigkeit. — Alsdann kommt inan in einen veneziairischen
Saal, der, grün getönt, auf den Friesen rothe Fahnen
zeigt, die der Ausstattung des Ganzen ihren Tharakter
verleihen. Selbst der begabte Ettore Tito enttäuscht
hier den Beschauer. Zn der „Geburt der Venus" ist
alles Figürliche zaghaft, verschrumpft behandelt, trocken
in der Farbe gehalten und locker gemalt. Unter eiirer
Laube, die sein altes Lieblingsmotiv ist, stellt er
Venezianerinnen dar, von welchen einige verzeichnet
sind — auf einem andern Bild läßt er einige hübsch
hingcmalte Ninder flaniren; aber das Ganze etwas roh
in der Intonation; immer muß der Wind die Nleider
bauschen, um Fülle der Nomposition hcrbeizuschaffen.
So auch bei seiner Bildnißstudie, deren Gewand zart
getönt ist, schmutzig dagegen das Gesicht. Vielleicht
sein Bestes in der Mache sind: zwei Pferde, die ein
Mädchen, im Mittelpunkt stehend, lenkt, fein ist da die
Nässe des Terrains und der dumpfe Luftton gegeben.
Man erwartet aber von einem Tito weit mehr. Ebenso
wenig befriedigt uns dieses Mal Lugi Nono, wenn
er, in akademisch gelecktem Vortrag, zwei arme Ninder
in geflickten Nleidern, was das Hauptsächlichste auf
seinem Bild ist, vor einem Thor lungern läßt. Zn dem-
selben Saale ist noch eine kleine Vedute des Fragia-
como zu erwähnen; das solide Bildchen stammt aus
alter Zeit des Meisters, Neueres von ihm ist bedeutend
minderwerthiger.
Von Malereien der Piemontesen verdient Balla's
Porträt im Freilicht Beachtung, er ist der Einzige, der seine
Figur wirklich im Freien athmen läßt. Thialiva ist ganz
schottisch, Ferro imitirt Alma Tadema, Petiti den
deutschen Thoma, und Falchetti den Segantini. Grosso's
lebensgroßem Damenbildniß hätte es nicht geschadet,
wenn er die Fleischpartien abgestumpft hätte, auch ist

etwas an Tallone Mahnendes an dem Bilde nicht zu
verkennen. Das Beiwerk in demselben ist sehr gelungen:
ein schwer zu malender polierter Tisch, das schwarze
Nleid, die Tapete im Hintergrund, ein Hündchen, Alles
ist technisch ungemein geschickt ausgeführt. Tavernier's
Landschaften sind entweder kühl und monoton oder bouquet-
artig aufgefaßt. Dies ist der letzte dekorirte Raum,
wenn man von dein Porträt- und dem Iournalisten-
saal absieht; letzterer nimmt sich wie das Boudoir einer
launenhaften Nokotte aus.
Norrekt wie immer treten Ti ar di Vater und Sohn
auf, sehr distinguirt; charaktervoll, mit wirksamen
Farbenakkorden und Email ist die schön ausgeschnittene,
leuchtende Landschaft von Emma Tiardi. Bezzi inalt
immer nach derselben Schablone, es kommt bei ihm nie
zu einem frischen Zug oder kühnen versuch. Die duf-
tigen Hintergründe und ihre ziehenden Wolkenmassen
wirken zwar wie hingehaucht, aber schließlich machen
sie doch nur den Eindruckder Routine. Scattola zeigt sich mit
zwei mißlungenen Stücken; während eine „Mondnacht"
ihin besser gerathen ist, nur die Schattenpartien auf
dem Bilde sind zu hell ausgefallen. Flott und lebendig ist
eine Pastellskizze von Talamini, dekorativ und plastisch
Laurenti's weibliche Figur im „Präludium"; weich und
sauber ist auch seine Hirtin modellirt.
Ferner sieht man in den Räumen der Fremden
zerstreut verschiedene italienische Arbeiten, z. B. von
Dall' Oca Bianca, die wieder erfreulich frisch in
der Farbe sind. Ein feines, abendliches Landschafts-
motiv hat auch Dal' Bo, sehr hübsch in der Linie.
Die eminente Leistung des Antonio Rizzi darf nicht
übergangen werden. Er ist der einzige Italiener,
welcher uns etwas Neues zu sagen weiß: auf einen:
Bauernhof sind unter glühender Mittagshitze Bauern
und Bäuerinnen vereint, welche die Maisernte herein-
bringen. Mit einer wuchtigen, kühnen Breite sind die
leuchtenden Farben hingehauen. Das Ganze wirkt, ob-
wohl wie aus einen: Gusse, ungemein bewegt: lachende
Bäuerinnen, tobendes junges und altes Blut, apathisch
dastehende Ochsen, von der Sonne beschienen und von
Staub umwirbelt; ganz in: Vordergrund ein altes paar,
das emsig bei der Arbeit ist, wie wenn es in: Schweiße
seines Angesichts Gold grübe. Lichtstrahlen wachsen
förmlich aus den: Terrain und durchzittern das ganze
Bild, das in den Sinnen des Beschauers unverwischbar
haftet.
Neinen starken Eindruck machen die Ausländer,
die etwas durckeinander gehängt sind. Man scheint sich
draußen überhaupt immer weniger aus der Ausstellung
zu machen, und beschickt sie zum Theil mit sehr alten
Atelierhütern. Erfreulich ist u. A. das Tafo-Nonzert
von M. Liebermann, dreist ist die Farbe aufgesetzt,
charaktervoll die Pinselführung, nichts Anekdotisches
hat sich eingeschlichen — kurz ein Stück gesunder
einheitlicher Malerei. Stuck tritt mit drei Bildern auf:
seinen: märchenhaften „Johanniswürmchen", eine Lein-
wand, die stimmungsvoll intimes deutsches Wesen
charakterisirt; dann nut seinen: „Herbstabend" und den:
dekorativen Nnaben mit Trauben. Schade daß er auf
die Ausstellung nicht auch eines seiner plastischen Werke
geschickt hat. Besten Eindruck machen die „Barm-
herzige Schwester" von Uhde und Oppler's gut beleuch-
tetes porträit; breit und flott ist Dettmann's „Windstoß";
besonders liebevoll studirt eii: Interieur voi: G. Nuehl;
sehr bewegt das aufbrausende Meer H. v. Bartels,
breit in der Mache desselben bereits verkaufte, „Milch-
händlerin in Dordrecht". Angelo Jank hat ein Damen-
porträt zu Pferde etwas schmutzig in: Ton, breit wie
immer sind Schramm's Federvolk wie auch Zügel's
 
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