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Die Kunst-Halle — 9.1904

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Nummer 19
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Wolf, Georg Jacob: München: Ausstellung des "Deutschen Künstlerbundes"
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Kaiser und Kunstdezernet. Ein sezessionistischer Bekehrungsversuch
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Nr. ss) Die Kunst-Halle. 29z

lassen kann. Kuschel erinnert, rein äußerlich hinge-
sehen, wohl ein wenig an Hengeler, aber als wahlloser
Eklektiker läßt er sich auch anderswoher beeinflussen,
er tastet von Böcklin bis zu Th. Th. Heine und nie
kommt etwas Ganzes, Echtes, Geschlossenes bei ihm zu
Stande. Am liebsten von allen Böcklin-Imitatoren ist
mir der stille alte Karl Haider. Böcklin hat seiner
Kunst sicher das Beste gegeben, aber Haider hat sich
einen Nest Individualität aufgespart. In seinen Bildern
zittert eine seltsame Poesie, eine leise Mystik liegt über
allem. Lin Bauernmädchen, das einen Strauß Blumen
in der Hand hält, wird bei ihm zu einem undeutbaren
Symbol. Aber er spricht stark zu unserer Seele, und
das scheint mir der beste Beweis für die außergewöhn-
liche Kraft seiner Kunst. In seiner Technik fit er von
einer Virtuosenhaften Vollendung, die minutiöse Aus-
führung seiner Arbeiten gemahnt an Albrecht Altdorfer.
N. Niemerschmied schickt uns zu jeder Ausstellung eines
seiner delikat gemalten Temperabilder, vornehm in der
Farbe, präzis in der Zeichnung, diesmal hat er eine
„Eva" da, die allerseits viel Beifall findet. Tarl Piepho
hat eines seiner melancholischen Mädchen an einen
Wasserfall mit unmöglicher Perspektive gestellt, man
kann das fatale Gefühl nicht loskriegen, daß das liebens-
würdig gemalte Fräulein unbedingt naß werden muß.
Philipp Klein, der voriges Jahr noch bei der Luitpold-
gruppe im Glaspalast ausstellte, hat ein Bild „Freun-
dinnen" gebracht, das eine nackte Mädchengestalt einer
angezogenen gegenüberstellt. Man hat das Bild zu
hoch gehängt, als daß man darüber seine Meinung mit
einiger Zuverlässigkeit sagen könnte. Julius Diez, der
Phantast und liebenswürdige Märchenerzähler, hat einen
lustigen, spukhaften Irrgarten da. Der talentvolle junge
Künstler ist entschieden als Aquarellist, Zeichner und
Illustrator besser am Platz — siehe die famosen Blätter
„Nasse Liebe", „Der Kuppler" —- denn als Maler, wo
man den Mangel jeglicher frischen Farbe vermißt. Das
gilt auch von Th. Th. Heine, dem genialen Satyriker,
der mit seiner großen Leinwand „Der Kampf mit dem
Drachen" viel zu flächig wirkt. Das reine Tapeten-
muster. Dagegen ist das kleine, wohl als Illustration
gedachte Temperabildchen „Vestalin" eine Teufelei voll
blitzblanker Schneidigkeit und beißendem Witz. Zumbusch
ist der Gegenpol Heine's. Lr liebt es eine leise Melan-
cholie über seine Bilder auszugießen, er ist Maler
durch und durch: „Der Säugling" ist ein stilles, an-
spruchsloses, aber tiefpoetisches Bild, das einem in seiner
schlichten Einfalt und naiven Herzlichkeit wohl gefallen
kann. Das Interieur, das Richard Winternitz ausge-
stellt hat, findet namentlich unter den Malern viele
Bewunderer. — Unter den Münchner Porträtisten nimmt
Leo Bamberger eine angesehene Stellung ein. Er hat
sich eine großzügige Porträtauffassung angeeignet, auch
er hat von Lenbach gelernt. Bei dem „Kopf eines
Geistlichen" denkt man unwillkürlich an Lenbach's
Döllinger. Die Damenbildnisse Samberger's haben
einen merkwürdigen düsteren Ernst an sich, der einen
zuweilen befremdet. Alles ist schwarz in Schwarz. Am
besten gefallen mir die flott hingehauenen Augenblicks-
impressionen, Kohlezeichnungen, die für Samberger's
überlegene porträtirkunst sprechen. Hans Lesker's
Porträts sind von großer Natürlichkeit, sie wirken so
ungezwungen, wie es einem meist nur bei ganz reifen,
fertigen Künstlern zu begegnen pflegt, Adolf Levier's
Porträt des Malers Otto zu Gutenegg zeugt für eine
vornehme, elegante, dabei doch nicht leere Manier,
vornehm und elegant, aber leer und fad ist die heurige
Gabe Hierl-Deroncos, ein Doppelporträt. Gegen früher
ein starker Abfall! Auch Ferdinand Götz kann dies-

mal nicht befriedigen, dieses Damenporträt ist verzerrt,
das Lächeln ist erfroren. — von Pauline Eigner, die
mit brutaler Wucht ein Damenporträt aus der Lein-
wand heraushaut, soll im Zusammenhang mit ihrem
Lehrer Wilhelm Trübner die Rede sein. —
Von Heinrich Zügel, der als Lehrer von allen
Münchner Sezessionisten wohl die stärkste Wirkung aus-
übt, ist nur ein älteres Tierstück „Widerspenstig", ein
prächtig gemalter Ochse, da, aber seine Schüler, die
den Pfaden des Meisters getreu folgen, haben sich da-
für in stattlicher Anzahl eingefunden. Da ist Emanuel
Hegenbart mit seinen „Ochsen am Brunnen" und mit
seiner „Kranken Dogge", da ist Iunghanns, der eben-
falls Ochsen am Brunnen stehen hat, da ist Schramm-
Zittau mit seinen Gänsen, da ist Hajek mit seinen
Pferden. Tharles Tooby gehört nicht zur Zügel'schen
Richtung, aber ich stehe nicht an, sein Raubzeug trotz-
dem für ausgezeichnet zu halten; auch der koloristisch
sehr stark wirkende Hubert von Heyden geht seine
eigenen Wege. Neuenboru's „Schweinestudien" ge-
fallen mir besser als des nämlichen Künstlers Marabus
und ähnliches exotisches Geflügel. — Bleibt also noch
die Landschaft.
Benno Becker bringt das ewige Einerlei seiner in
violetten Abendduft gehüllten italienischen Landschaften,
Flad hat einen schlicht und gut gemalten Dachauer
Herbstabend da, Kaiser ist mit einer großzügigen Bodensee-
laudschaft entsprechend vertreten. Keller-Reutlingen
wirkt etwas zu sentimental, Lehmann etwas zu pathetisch,
dabei soll beiden ihr redliches Streben und erprobtes
Können nicht abgesprochen sein, pietzsch glaubt immer
noch, im Interesse einer eigenartigen künstlerischen
Handschrift auf alle Natürlichkeit verzichten zu dürfen.
Von Steppes ist man enttäuscht, nach den vorzüglichen
Proben seiner wurzelständigeu Kunst, die er uns seiner
Zeit bei Heinemann vorgeführt hat, glaubte man mehr
erwarten zu dürfen als diese armselig kahle Landschaft.
Trödel, Hänisch und Hummel mögen angehen. Das
Beste geben wohl Stadler und Buttersack. Namentlich
der Letztere hat so viel Sonne über seinen Birkenwald
ausgegossen, daß man sich in kalten Wintertagen an
dem Bild ordentlich mag wärmen können. —
Wie sich neben den Münchnern die auswärtigen
Künstler ausnehmen, will ich ein ander Mal berichten.
Georg Jacob Wolf.


Asker unS RunstSerernent.
Ein sezessionistischer Bekehrungsversuch.
^/^Xie Nachricht, daß der derzeitige preußische Kunst-
/ dezernent den seltsamen Versuch gewagt hat,
den Kaiser, dessen ästhetische Anschauungen längst
bekannt sind und zum Mindesten jene Achtung verdienen,
die man auf allen Seiten bereitwilligst jedem gleich aus-
giebigen Kunstkonsumenten einräumt, zu bekehren, hat die
Runde durch die Tagespresse gemacht und ist unwider-
sprochen geblieben. Das zwingt auch uns leider, von
der Sache, die anfänglich so ungeheuerlich klang, daß
man sie für eine plumpe Ausgeburt der jetzigen heißen
Tage hielt, Notiz zu nehmen: Ungeheuerlich weniger
wegen der Person des kunstgelehrten Mannes, der das
große Wunder an dem Monarchen vollbringen sollte,
 
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