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Die Kunst-Halle — 9.1904

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Nummer 21
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Heilmeyer, Alexander: Ignatius Taschner
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Zimmern, Helen: Die historische Ausstellung in Siena
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322

Die Kunst-Halle.

Nr. 2 s

aus dem Landsknecht- und Bauernleben von Wilhelm
von Diez ausspricht. Man darf sich Taschner auch dabei
nicht als eine hervortretende Persönlichkeit im Mittel-
punkte dieses fröhlichen Treibens denken, sondern als
einen, der gern abseits steht und in gemüthvoller, be-
schaulich sinniger Hingabe an das Ganze still beobachtet.
In diesem bunten Leben und Treiben tauchen dann
mitunter überaus originelle Erscheinungen auf, Gestalten,
die in ihrem barocken Aeußern an die Welt Teniers'
und Brouwer's gemahnen. Solche Figuren bewahrt
Ignatius in dem Schatzkästlein seiner Phantasie. Nur
auf diese Art können wir uns erklären, woher in seinen
Märchenbüchern Gestalten, die an den rothen Dieter
undZundelfrieder, an das Galgenmännlein, den fahrenden
Spielmann undanderes sehrverdächtigesheillosesGesindel
gemahnen. Auch die Anregung zu plastischen Arbeiten,
wie „Der Strauchdieb" (vgl. die Abbildung), „Der
Wanderer", leitet sich von dieser Münchner Auffassung
des mittelalterlichen Lebens her.
Der ganz lokale Lharakter, den Taschner's Arbeiten
anfänglich zeigten, fand seinen natürlichen Nährboden
in dem innigen Versenken und sich Einleben in das
urwüchsige bayrische Volksthum. Taschner hat wie
viele von unseren jüngeren Künstlern mehrere Jahre
ganz abgetrennt von dem Münchner Stadtleben auf
dem Lande zugebracht. Diese Abgeschlossenheit und
dieses Alleinsein mit seinem Genius hat Taschner zu
einer wohlthätigen Beschränkung seiner künstlerischen Aus-
drucksmittel und zu der großen Einfachheit im Stil, und zur
handwerklich tüchtigen Vervollkommnung seiner Technik
geführt. Er wurde durch seine Abgeschlossenheit be-
wahrt und beschützt, jeden Monat Neues in sich aus-
zunehmen, den Wandlungen der rasch hinfließenden
Strömungen zu folgen, er konnte ungehindert im ver-
traulichen Verkehr mit seiner Umgebung sich entfalten.
Ein treffliches Gegenbeispiel gegen die oft gehörte
Behauptung, der moderne Bildhauer könne sich nur
im Strudel und Treiben großer Kunstzentren entwickeln.
Das gesunde Talent geht gewöhnlich seine eigenen
Wege, die nicht weniger kraus und komplizirt erscheinen,
als die kleinsten und feinsten wurzeln, wodurch ein
kräftiger, nunmehr entwickelter Baum seine Nahrung
erhält. Als dritter bildender Faktor seines Talentes
kann die Nöthigung, seine Kunst, wo es nur anging, in
den Dienst der mannigfachen Bedürfnisse des Lebens zu
stellen, gelten, wir haben ja bemerkt, daß Taschner's
Eigenart im heimatlichen Boden wurzelte, in einem zwar
oft derben, aber durchaus tüchtigen, am Althergebrachten
hängendem Volke. Sein Talent sah nicht entfernt jenen
zarten, in derTreibhausluft der Akademien großgezogenen
pflänzlein ähnlich, die die rauhe Luft der Wirklichkeit
nicht ertragen können, die zwar manchmal verheißungs-
voll blühen, aber keine Früchte zeitigen. Im Gegen-
theil bethätigte sich Taschner, als er in das Münchner
Kunstleben eintrat, bald auf allen möglichen Gebieten.
Lange bevor Schlagworte, wie Heimat- und Volks-
kunst, angewandte Kunst rc. in Umlauf gesetzt wurden,

hatte sich Taschner überall praktisch bewährt. Denn
darin unterscheidet er sich von so vielen seiner Kollegen,
daß er es nicht bei bloßen theoretisirenden, oft unfrucht-
baren Bestrebungen, bei zwar wohlbegründeten künst-
lerischen Einsichten und ehrlichem wollen bewenden
läßt, sondern daß er die Dinge, die so heftig gefordert
und von denen soviel geredet wird, auch ausführt. Er
ist ein Könner, ein geschickter handfertiger Künstler, der
am Tage meißelt, modellirt, schnitzelt, ziselirt, oft auch
malt und auf der Kupferplatte hantirt, am Abend
entwirft, komponirt und Illustrationen zu reizenden
Märchenbüchern, Buchschmuck, Kalendern rc. zeichnet.
Ls giebt für ihn keinen Unterschied zwischen Kunst und
Handwerk. Er kann und macht Alles, was man von
ihm fordert. Er ist der Schöpfer reizvoller, in Form
und Technik gediegen durchgebildeter Kleinplastiken in
Holz und Bronze, er hat große dekorative Figuren in
Stein geschaffen, Entwürfe zur Bemalung von Haus-
fassaden und zu Kirchenfenstern hergestellt, ferner
Dekorations- und Gebrauchsgegenstände aller Art,
Relieffriese und gemalten Wandschmuck, Tapeten, Be-
leuchtungskörper, Uhren, Leuchter, einzelne Möbel und
ganze Zimmereinrichtungen, Metallarbeiten in Silber,
Kupfer und Messing, Bucheinbände in Lederschnitt mit
Metallbeschlägen, Vorsatzpapiers rc., Alles mit einer
Stilisirungskunst, die die passende Form eines Gebrauchs-
Gegenstandes aus seiner Bestimmung und Werke der
dekorativen Kunst aus dem Charakter und dem Lebens-
gefühl der unmittelbaren Umgebung hervorgehen ließ.
Gerade in der Befolgung eines so natürlichen gesunden
Prinzips unterscheiden sich Taschner's Arbeiten von den
oft so gekünstelten, ausgeklügelten Produktionen der
modernen angewandten Kunst. Taschner's Kunstweise
unterscheidet sich von dieser mit allerhand Ingredienzien
genaschten Mode-Kunst wie Naturwein von Kunstwein,
wer diesen Unterschied kennt und das Produkt eines
echten bodenständigen Gewächses einmal gekostet hat,
weiß gleich, woran er ist.


Ile liirtoriLcke Mckellung in 5ienr.
Von Helen Zimmern, Florenz.
(Schluß.)
ch kann nicht umhin, mit einigen Worten die Aus-
sicht von der Loggia, wo sich das wiederhergestellte
Original Ouercio's jetzt befindet, zu erwähnen;
ein Kunstwerk auch, von der Natur geschaffen. Zwischen
den das Dach stützenden Pfeilern sieht man auf die
frühlingsgrünen, vom Licht des toskanischen April-
himmels umflossenen Fluren, während in der Ferne der
Monte Amiata sein Haupt in die blaue Luft erhebt.
Doch es drängt die Zeit und die Rücksicht auf den
Raum, also weiter, um einen schnellen, allzu schnellen
Gang durch die Waffenhalle zu machen mit den kunst-
 
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