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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 18.1938

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Heft 6 (Juni 1938)
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Vom Sinn meiner Arbeit: aus einem Gespräch mit Professor Franz Cizek - aufgezeichnet durch Josef Ettel
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https://doi.org/10.11588/diglit.28172#0126
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auf an, dcn so ungcmcin wichtigcn Zugang ;u crfaffcn,
jeder Mensch in irgend einem Bereich dcs voiks-
tüinlichen Dild- und wcrkschaffcns über die Rindheit hin-
„us hat. Meine Stcllung zum Schulzeichnen ist
folgcnde: 2lch bin dafür, daß neben dem Gestalten auch
andcre Rategorien des Zeichncns gepflegt werden, B.
Sachzeichnen und Naturstudiu m. Für das Erste
folgcndes Beispiel: Im Muscum wurde ein webstuhl ab-
gezcichnct. Gn der Schulc stellt es sich nun heraus, daß der
Schüler über manche Tcile kcine Rechenschaft abzulegen
wciß. Der Lehrcr stellt die Frage: „wie schaut dieser Teil
ausr Denke nach, wie er ausschaucn müßte, damit er
richtig funktioniert! Ersinde und zeichne diesen Teil neu,
er braucht dein Vorbild nicht gleich ;u sein, abcr er muß
konstruktiv richtig sein!" Dicscs tcktonische Durchdenkcn
eincr Form halte ich für bildend und wertvoll.

Beim Naturzeichncn unterscheide ich das kopie-
rende und das formschöpferische Naturzeichnen. Ersteres
ist pädagogisch und künstlerisch belanglos. Das andere bc-
ruht darin, aus einer Natursorm das wescntliche heraus-
zuheben, ;u betonen. Es ist jcne gcistige Tätigkeit, dic
Dürcr mit seinen worten zur Runst: „wer sie heraus
kann reißen, der hat sie!" meint. Nun kann jeder nur so
viel aus der Natur herausreißen, als er selbst geistig an

;. M. S I. Malcrei mit Dorstenpinsel, zoo: 65 cm

Form crleben kann. Icder Schüler arbcitet L priori
vor der Natur immer sormschöpferisch, d. h. gestaltcrisch.
Diese angcborene und richtige Haltung wird ihm meist
durch cincn unorganischcn Zcichenuntcrricht.gründlich „ab-
gelernt" und durch cin Surrogat: ein BUndel von
„Regeln" crsetzt. Ein crzieherisch nicht ;u rcchtsertigendcr
Zustand!

Dic Zentralperspektive hat nur für die 2lrchi-
tckturschule Bedcutung.

Bcim Dypcn; cichnen ist kcin geistigcr Gcwinn sest-
zustellen, weil dcr Schüler dabei ohnc jcde inncre Anteil-
nahmc arbeitct.

Zu dcn Fragen „Gafelzeichnen im Sachuntcrricht",
„Zcichnen als Sprache", „Erlernung von Zcichcnvokabeln"
stellc ich mich so: Der zeichncrische Vcrkehr zwischen
Lchrer und Schüler außerhalb dcs Zcichcnuntcrrichtcs soll
aus lcbcndigcr Grundlagc bcruhcn. Das wird niemals dcr
Fall sein, wcnn der Lchrcr mit eingclcrnten Vokabeln vor
die Schüler tritt. Nur durch gcstaltcrischc, d. h. durch
aktive Betätigung dcr persönlichcn Anschauungs- und
Formkraft, die sich immcr echt und lcbcndig äußcrt, gc-
winnt der Lehrcr erziehcrischcn Einfluß auf die 2lnschau-
ungsbildung seiner Schülcr und scffclt sic. Dabei kann das
sogenanntc „Fehlerproblcm" dcshalb kcinc Rolle spiclen,
wcil dcr Lchrcr ja mit der 'Rlaffc geht und mit ihr lebt,
so daß sich das Schasscn dcr Rinder in scincm Formschas-
sen widerspicgclt. So wirkt allcs zusammen und dcr gc-
sürchtctc Bruch kann nicht cntstchcn. wir crschcn daraus,
daß dicsc wichtige Frage einzig und allcin cine Fragc dcr

inneren Haltung dcs Lchrcrs bcdeutct. Dicse Haltung kann
aber nur Allgemeingut werden, wenn alle Lehrer die
Bildsprache ihrcr Schüler wirklich verstehen und die
Folgerungen zu ziehen wiffcn beim eignen Zeichnen.

Zum Schluß möchte ich noch zwei Grrtünier, die sich'in
cinigen publikationen vorfinden, bcrichtigen. Ach kam
nicht vom Runstgewerbe zur Runst des Rindes, sondern
das Gegenteil war dcr Fall: )S85 begann ich mit Rindern
;u arbeiten und erst isoö wurde ich als prosessor an dic
wiener Runstgewerbeschule berufen, wo ich aber niemals
Runstgewerbe, sondern tektonisches Zeichnen unterrichtete.

Der zweite Irrtum besagt, ich hätte versucht, cincn
eigenen „Rinderkunststil" ;u entwickeln, um zuletzt in eincr
„ncuen wiencr Volkskunst" ;u landen. Unter „Stil" ver-
stehe ich die geistige Leistung, die sich von sclbst
aus dcr Natur des unverdorbenen Rindes cntwickelt. Gc-

4. M. ;r I. Gipsschnitt, 30 cm hoch

rade das, was aus diese weise „unbcslcckt" cntstcht, habc
ich als selbstlosen Gcwinn stets im Auge gchabt.

Es kam vor, daß Besucher mcincr Rlaffc, dic ost nur
eine Stunde der Arbeit bciwohntcn, sich berusen fühlten,
nach ihrer Hcimkehr eine Abhandlung übcr das Gcschchenc
;u vcrsaffen und übcr cine fiktive „Mcthodc" ;u berichten.
Dcrartige „Reiscbcrichtc" erledigcn sich von sclbst.

Ach muß betoncn, daß mir alle angcdichtcten Eppcri-
mentc nicmals eingefallcn sind. Sic wurdcn im Gcgcnteil
von andcrcr Scitc versucht und durchgcsührt.

Zum Schluß stclle ich noch scst„ daß ich kcinc Schristcn
mcthodischcn odcr tcchnischen Anhaltcs vcrsaßt habc. Das
Buch übcr dcn „Papierschnitt" war nicht sür die Schulc,
sondcrn für Familic und Haus bcstimmt.

2lnmcrkung dcr Schristlcitung: wir crinncrn zugleich
an dcn kurzcn Bcricht in Hcst ?/;S: „40 Aahre wicncr
Augcndkunstklaffc".
 
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