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Morgenblatt für gebildete Stände / Kunstblatt — 10.1829

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https://doi.org/10.11588/diglit.13629#0371
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— 575

Anfangs welthistorisch gedacht, sey zulezt ein bloßes Aben-
theuer geworden. Walter Scott hat in seiner Darstel-
kungsart den Genremalern die besten Regeln gegeben;
effektvolle Scenerie und Genauigkeit in Ausführung der
kleinsten Details, verbunden mit wahrem und kräftigem
Colorit, sind die Geheimnisse, die ihren Bildern den
glänzendsten Erfolg sichern. Die Franzosen, besonders die
Maler der Lyoneser Schule, haben seine Romane auf's
Vollkommenste nachgeahmt; ein Ritter in schöner Rüstung
oder glänzendem Hofscbmuck, der den Namen seiner Ge-
liebten an's Fenster schreibt; eine Edelfrau in Trauer,
die an dem Sarg ihres verstorbenen Gatten kniet, diese
Figuren in einer großen, etwas phantastisch beleuchteten,
mit allerhand Bilderwerk und sonstigen Anfälligkeiten aus-
staffirten Halle, fleißig und lebendig gemalt, das sind die
rechten Bilder im Geschmacke Walter Scott's. Wir
Deutsche haben uns in diesem Fach auch größtentheils
mehr an die einfache Natur gehalten, und unsre besten
Genremaler sind durch ihre wahre und sehr lebendige
Auffassung unsers eigenen Lebens, durch ihren genauen
und sorgfältigen Vortrag Lieblinge des Publikums gewor-
den. Außer Horace-Vernet, Grauet und Robert
unter den Franzosen und Willie unter den Engländern
werden sich wenige finden, welche ruhige und bewegte
Scenen mit so viel Wahrheit, Charakter, origineller und
humoristischer Auffassung geschildert haben, wie Peter
Heß und Heidegger, ja wenn die oben genannten
häufig die unsrigen an Harmonie und Wirkung übertref-
ftn, so stehen diese an natürlicher Wahrheit, an Präcisivn
und Korrektheit unbestreitbar voran.

Diese Eigenschaften, verbunden mit einer eigenthüm-
lächen Anmnth, finden wir an einem kleinen Bilde von
Peter Heß wieder. Griechische Palikaren und Capitanis
an einem stürmischen Tag auf dem Phalerus, in der
Ferne die Akropolis von Athen. Die vier schönen Ge-
stalten, die in ihrem malerischen Costüm auf der Spitze
eines Hügels sitzen und liegen, bilden eine höchst anmn-
thige Kruppe. Der vorderste mit seinem jugendlich schö-
nen Profil sieht ahnend in die Ferne nach der Akropolis'
hinaus. Köpfe, Kleider und Waffen, der Vordergrund,
die Landschaft sind mit einer Wahrheit des Details, mit
einer Feinheit des Pinsels vollendet, die nichts zu wün-
schen übrig lassen. Das Spiel des Lichts auf der Kruppe
selbst ist bepnahe etwas zu künstlich, da es nicht genug
Massen gibt und der Deutlichkeit des Effekts schadet.
Die in jener Gegend so ungewöhnlich stürmische, kalte
und dichtbewölkte Luft, hier von symbolischer Bedeutsam-
keit, ist vortrefflich gemalt und von großer Wirkung für
das Ganze des Bildes.

Italienische Bäuerinnen aus der Gegend von Bene-
vent sind auf der Pilgerfahrt nach Rom, und erblicken

von einem Hügel aus über die weite Fläche der Cam-
pagna hin zum erstenmale die Kuppel von St. Peter.
Der reine Abendhimmel ist eben mit Glut gefärbt und
hat ein schimmerndes Violett über die ganze Landschaft
ergossen. In fernem Dufte schwimmt die heilige Stadt
und wie ein Fels erhebt sich aus ihr der dunkelblaue Dom.
Da sinkt die Mutter mit ausgebreiteten Händen auf ihre
Knie, der Knabe kniet schon die Hände faltend neben ihr
und schickt sich an.zum Gebet, während rückwärts noch die
zwey Töchter im ruhigen Gespräch stehen, hohe und lieb-
liche Gestalten in fast antiker, einfach malerischer und
farbenreicher Tracht und von der schnellvergangenen Ju-
gendblüthe, die an dem weiblichen Geschlechte in Italien
so häufig bemerkbar ist. Dies Bild von Heinrich Heß
ist eben so poetisch gedacht, als effektvoll ausgeführt, mit
großer Einfachheit und Reinheit des Geschmacks behandelt
und von vorzüglicher Kraft und Wirkung der Farben.
Man sieht aber, daß jene Feinheit des Pinsels, womit
Peter Heß alle seine Details ausführt, die in Tenier's,
Gerh. Dvu's und Terburg's Gemälden so anziehend ist,
dem Historiemlaler nicht recht zusagen oder gelingen
wollte, und doch ist diese Behandlung die eigentliche der
Genremalerei), welcher das Einfache, Großartige, mit we-
nigen Zügen Bezeichnende schon ihrer Gegenstände we-
gen minder angemessen ist. Was die ausnehmend kräf-
tige und harmonische Färbung des Bildes betrifft, so
scheint mir der Hintergrund zwar nicht zu violett, wie
manche behaupten, da er sich in Italien oft bey Sonnen-
untergang in sehr grellen Farben zeigt, wohl aber etwas
zu schwer und körperlich gemalt, so daß jener Luftto»
fehlt, der auch die kräftigste Farbe in die allgemeine Har-
monie der Erscheinung aufnimmt.

Als ein kleineres Gegenstück zu diesem Bilde sind
die italienischen Pilger auf dem Wege nach Loretto von
El. Zimmer mann zu betrachten, eine Familie, die er-
müdet auf dem Weg im Angesicht der Apenninen Mit-
tagsruhe hält. Die Kostüme sind ungefähr dieselben, wie
auf dem vorigen, die Figuren schön gruppirt und das
Ganze mit zartem Pinsel und kräftiger Farbe behandelt.

Will), v. Kobell's „Gegend am Tegersee" rechne
ich mehr zu den Genrebildern, als zu den Landschaften,
da einige reitende Landleute auf einer Höhe am See die
Hauptgegenstände des Bildes sind. Diese Figürchen sind
mit bewunderungswürdiger Zartheit und Lebendigkeit in
einem sehr hellen Lustton ausgeführt. Die Helle der Far-
ben macht das ganze Bildchen einer Aqnarellzeichnnng
ähnlich, aber cs ist dennoch eine ausnehmende Wahrheit
und Sicherheit der Naturauffassung darin.

Mit großer Lebendigkeit ist Bürkels „Schiffzngam
Inn" ausgeführt. Das Schreyen und Treiben der Fuhr-
leute, die Anstrengung der schwerfälligen, starkknochige,,

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