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Morgenblatt für gebildete Stände / Kunstblatt — 20.1839

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https://doi.org/10.11588/diglit.3207#0092
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wie der Marchese Ricci * behauptet hat, weil er mit
vielen Andern ein Porträt für Gentile hielt, das ich jezt
dem Francesco, einem dis dahin gar nicht gekannten
Sohne des Gentile vindiciren kann. Dies kleine, kaum
einen Fuß hohe Bild, im Besitz des Hrn. Vincenzo Sera-
fini in Fabriano, stellt einen kräftigen Mann ohne Bart
eil face vor, der in der Blüthe der Jahre sich befinden
mag. Sein dunkles Haar, das fest anliegt, und geschei-
telt, in große Massen vertheilt herabhäugt, ist von einem
rothen Käppchen bedeckt. Von dem grünen Untergewand
fieht man an den Aermeln einige Spuren; das rvthe bis
an den Hals hinaufgehende Obergewand kehrt bei Floren-
tinern der Zeit und auch in Umbrien gerade in diesem
Schnitt wieder, so daß man schon deßhalb nicht an eine
bestimmte Würde denken durste, welche die Republik
Venedig dem Gentile seiner Verdienste wegen ertheilt
haben soll. Die Spitzen seiner rechten Hand ruhen auf
einem kleinen weißen Leiste», der als Fensterbrüstung
dienend, in schönen rö.nischen Lettern von schwarzer Farbe
folgende Inschrift trägt: Franciscns Gentilis de Fabriano
l'inxik. Ein brauner Teppich bildet den Hintergrund;
nur an der linken Seite, wo die Mauer nicht bedeckt ist,
hängen einige Früchte herab. Obwohl das Bild in ziem-
lich schlechtem Zustande ist, so läßt sich doch so viel ganz
deutlich erkennen, daß der graue schmutzige Ton dessel-
ben gar nichts zu thun hat mit dem gelblichsaftigcn, sett-
lichen Colorit, welches Gentile seinen Fleischparthien auf
eine für jene Zeit so überraschende Weise zu geben weiß,
daß man einen Ueberzug mit Oelfirniß annehmen möchte.**
Von dem Gold, von den beblümten Gewändern, die Gen-
tile in so geschmackvollem Ucberfluß anzubringen liebt,
keine Spur; ein sehr individuelles Gesicht, magere, wohl
nach der Natur gezeichnete Hände, knöcherige Finger mit
strenger Andeutung der Gelenke, vcrrathen den mehr
ernsten und sorgfältigen, als gerade gefühlvollen Zeichner,
welcher mit der Schule von Padua in Verbindung stand.
Scheint doch auch das Büschel Früchte auf das Bestimm-
teste dorthin zu weisen; eine Besonderheit, die Squarcione
als Erinnerung an antike Reliefs anzubringen, seine
Schüler aber in unerläßlicher Weite gleichsam als Wappen
ihrer geistigen Herkunft stets zu wiederholen pflegten.
Und nicht allein an diesem Beispiel zeigte sich in der
Mark der Einfluß der paduaner Schule; Antonio, eben-
falls aus Fabriano, ward später dem Gentile untren,
und ergab sich derselben Richtung.

* Mcmorie Storichc dolle Art» dclla Marc« di Ancona.
T. I. p. 14 r> seq.

** Dem Anonyme des MvrcUi (Notizie ctc. p. ä7) ist
dasselbe ausgefallen. Er beschließt die Beschreibung von
Awei Porträts. 8ono pero dctli ritratti molto vivaci, c
fopralullo finili c lianno un lustro. comc sc fossino
a oglio, c sono opere lodcvoli.

Diese und andere Zweifel, welche ich zu wiederholten-
malen dem Besitzer des Bildes geäußert hatte, welcher
in demselben ein eigenhändiges Porträt des Gentile sehen
und nicht bedenken wollte, daß er sich dann doch schwer-
lich e» face vorgestellt hätte, wurden zur Gewißheit er-
hoben, als ich vor Kurzem in Fermo ein anderes Bild
mit derselben Inschrift zu Gesicht bekam. Die Gebrüder
de Minicis, durch die Ausgrabung des einige zwanzig
Miglien von Fermo entlegenen Theaters von Fallerone
rühmlichst bekannt, so unermüdlich in ihrem Eifer, daß
sie in wenigen Jahren in einer Provinzialstadt eine be-
deutende Sammlung von Anticaglicn und mittelalterlichen
Kunstwerken, von Spiegeln, Waffen, Arbeiten aus Elfen-
bein, Münzen, Medaillen u. s. w. zusammenbrachten,
nicht minder gefällig und liebenswürdig gegen Fremde,
erstanden vor einiger Zeit um einen wohlfeilen Preis eine
Tafel, die aus der Gegend von Fabriano kam, und gegen
drei Fuß hoch seyn mochte. Der Name auf diesem Bilde
ist dem andern gleich: Franciscos Gentilis de Fabriano,
- der Gegenstand die 5z eiin su eh u n g d c r I u ng fr a u.
Schon die merkwürdige Weise, diese Vorstellung aufzu-
fassen, läßt nicht an Gentile denken, der hergebrachten
Typen sich anschloß, und den innerhalb derselben gebo-
tenen Kreis technisch weiter bildete, nie aber auf einen
Vorwurf einging, der von der katholischen Kirche gerade-
zu verworfen war. Beide Frauen geben sich hier auf
sehr innige Weise die Hände; die Madonna schmückt ein
braunrolhes Uutergewand, über dem der blaue Mantel
von der Schulter herabfällt und den Untertheil ihres
Körpers freiläßt. Der Gang der Falten, namentlich die
Parthien ums Knie, erinnern deutlich an die Schule von
Padua, bestimmter an den derselben Schule entsprossenen
Bartolomeo Vivarini. Ihr Haar ist hinten znsammcn-
gcbunden; auf ihrem Haupt ruht ein Schleier. Ganz
ähnlich ist die Elisabeth gekleidet, doch fällt ihr brauner
Mantel vom Haupt herab und bedeckt den ganzen Körpers
eine Art von Turban ziert ihren Kopf, ihren Hals ein
Tuch, das ihr ein nonnenartiges Ansehen gibt. Vor dem
Unterleib der Madonna steht der Embryo eines kleinen
Christus in Nimbus und Strahlen, nackt, den kleinen
Johannes segnend, welcher bei der Elisabeth an derselben
Stelle in ganz ähnlicher Weise dargestellt ist. lieber den
zwei heiligen Frauen schwebt die Taube, hinter ihnen ist
ein damastener Teppich ausgebreitet, an dem auf der
rechten und linken Seite wieder die Früchte herabhängen.
Der Ton, ganz wie bei dem Bilde in Fabriano, ist grau
und namentlich in de» Schatten undurchsichtig; die Ge-
wänder sind leicht schraffirt, wie an einem h. Hieronymus
von Antonio aus Fabriano, * durch welchen Francesco,
so cigenthnmlich bestimmt seyn mochte. Genau und mit

* Dies Bild befindet sich im 5zauft Castrica »» Fabriano.
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