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Morgenblatt für gebildete Stände / Kunstblatt — 20.1839

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https://doi.org/10.11588/diglit.3207#0172
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162

Denkmal ganz unwillkürlich architektonischen Charakter
annininit. Mir scheint dieses so bedeutend, daß es be-
sonders hervorgehoben werden sollte, damit Alle, die zu
ähnlichen Unternehmungen die Hand bieten, an der Wir-
kung dieser Verhältnisse, die von allen mir bekannten
die glücklichsten sind, ein Beispiel nehmen.

3. Die Statue.

Die Statue des Dichters ist is' 5" hoch. Mit ge-
senktem Antlitz, in der herabhängenden Linken ein Buch,
in der Rechten, die zugleich den unter dem linken Arm
aufgezogenen und über die rechte Schulter geworfenen
Mantel hält, den Griffel, ruhend auf dem rechten Fuß,
den linken vorgcstellt, so sehen wir den lorbeerbekräuzten
Dichter über allem Volk, ans hohem Postament, zu uns
hernieder oder in die Tiefe der eigenen Gedanken sich
verlieren. Viele haben einen aufwärts gekehrten Blick,
eine gehobene Haltung gewünscht — sie haben an die
Höhe des Postamentes, derzufolge ein nach oben gewen-
detes Gesicht nur in lästiger Verkürzung erschienen wäre,
nicht gedacht, ungerechnet den tieferen Sinn der Auffas-
sung, bei welcher das feine Gefühl des Künstlers jeden
falschen Schein, jede Beziehung nach Außen glücklich ver-
mieden. Cs ist die Stellung eines Mannes, der in die
Flnth der Gedanken versenkt, diese an sich vorüberziehen
läßt, um die ihm genehmen zu fassen und zu halten; er
hat eben geschrieben, und, um ein grobsinnliches Bild zu
gebrauchen, holt aus, um weiter zu schreiben. So lange
die Statue noch nicht an ihrem Platze stand, machte sie
auf Viele einen fast ungünstigen Eindruck; die gebückte
Stellung, der schwere Lorberkranz, der sie zu veranlassen
schien, die gegen den Untertheil unverhältnißmäßig breiten
Schultern, dazu die langen, starren Gewandlinien wirkten
durchaus disharmonisch. Nun an Ort und Stelle zeigt
sich Alles anders, und der wohlberechncnde Geist des
Meisters zeigt sich in voller Klarheit. Alle dem Auge
entrückteren Partieen bleiben nun im Verhältnis! zur
ganzen Figur, und Niemand empfindet die außerdem
nothwendige Unannehmlichkeit perspektivischer Verjüngung.
Die langen geraden Linien geben der Gestalt Halt, so
daß der Sinn des Beschauers auf keine Weise beunruhigt
wird, und die gebückte Stellung macht cs uns möglich,
ihm in'S volle Angesicht zu sehen.

4. Das Pn'testak.

Zwei durch Platte» verbundene Würfel von schönstem
röthlich-grauem Granit mit Reliefs und Gesims von Erz
ruhen auf einer breiten Unterlage, von rothem, festem
Sandstein, die nach den vier breiten Seiten hin je fünf
Stufen und nach den vier Ecken je einen Vorsprung zur
Aufstellung eines Candelabers hat, und tragen eine mit
tragischen Masken und Kränzen aus Erz verzierte Gra-

nitplatte, aus der die Statue steht. Die Höhe des ei-
gentlichen Fußgestells beträgt ie', die der Unterlage i"
und hat diese eine Breite von 34', so daß sie also um
7" breiter, als das ganze Denkmal hoch ist.

Die Zeichnung ist unsers Wissens nach der Angabe
Thorwaldsens gefertigt. Formen und Verhältnisse von
glücklichster Uebereinstimmung, und man kann sage», daß,
wie »eurer Zeit kaum ein Denkmal in so richtigem Eben-
maß zu seinem Platze steht, als dieses, daß cbeuiv kein
Fußgestell einer der neuerrichteten Statuen in so wohl-
thuender Beziehung zu der Gestalt über ihm steht, als
wiederum dieses. Ohne überflüssigen Raum zu geben,
ist es doch so breit und massenhaft, daß das Auge keinerlei
Besorgniß des Kwrabfallens der Statue (oder >vie man
sich diese allerdings trügliche Vorstellung bezeichnen will)
leidet. Das Relief der Vorder!eite hat Schiller s Namen
auf einer von einem Adler getragenen Kugel, dem Sinn-
bild der Ewigkeit, und zwar — dies ist durch die H^m-
melszeichen darunter ausgcdrückt — über den Sternen;
die tragische und lyrische Muse begleiten ihn in seinem
Fluge. Darunter steht der Geburtstag - der 10. Nov.
,759 - und der Sterbetag des Dichters - der 9. Mai
1805.

Auf der Rückseite greifen zwei Greifen i» die Saiten
der Lyra; darunter die Unterschrift: Errichtet 1839. —
Das Relief der linken ist der Genius der Dichtkunst mit
der Lyra und dem Plektrum; eine anmuthige, geflügelte
Knabcngestalt, schwebend vorgestellt; unbedenklich eine-
der glücklichsten Eingebungen der an der Antike gereiften
Phantasie Thorwaldsens. Dieser gegenüber an der rechte»
Seite eine schwebende Victoria mit Palmenzweig und
Lorbeerkrone, gleichfalls von ansprechender Schönheit,
Dürften wir nun in diesen Reliefs einen zusammenhän-
genden Gedanken lesen, so wäre cs dieser: Der Genius
des Dichters erhebt sich in jugendlicher Kraft, wie der
Morgcnstern ausgehend, und nach den Sternen seinen
Blick gerichtet; des Musengottes geweihte Greifen halten
ihm die Lyra; ihm werden Anerkennung von Außen und
innerer Frieden zu Thcil, und seine Werke tragen seinen
Namen in die Ewigkeit.

3. Das Fest bcr Enthüllung.

Der 8. Mai, als der Tag vor dem Todestag Schil-
lers, war zu dieser Feier bestimmt. Die Natur nahm
mit gläuzeud blauem Himmel und Sonnenschein und im
vollen Blüthenschmuck des Frühlings daran Thcil. Drei-
undvierzig schwäbische Liederkränze hatten sich vereinigt,
durch gemeinschaftliche Gelänge die festliche Slunde zu
weihen, vor allen der Schillerverein zu Slltttgart hatte
die Anordnung getroffen, daß das Fest eines der erfreu-
lichsten und erhebendsten werden mußte, die wir neuerer
I Zeit erlebt haben. An drei Seiten des Platzes waren
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