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Tribunen für die Hörer, um das Denkmal eine Bühne
für die Sänger errichtet und eine besondere Sitzreihe
für den Schillcrverein und für die Abgeordneten der
Stadt aufgestellt. Je unter ihre mit Emblemen derHei-
math oder der Dichtkunst geschmückten Fahnen gereiht
zogen die einzelnen Liederkränze auf de» Platz, dessen
amphitheatralische Tribunen, wie sonst abgcsteckte Räume,
menschcnerfüllt waren. Ei» gelber, undurchsichtigerSchleier
vcrhüllie das Monument. Als eine schöne, ja rührende
Zierde des Festzugs müssen die Frauen und Jungfrauen
des Stuttgarter Liederkranzes genannt werden, die durch
ihre bloße Erscheinung wie durch ihre Mitwirkung beim
Gesang dem Dichter des Frauenlobes gewiß das schönste
Opfer gebracht haben. Endlich dürfen wir, als auf das
bedeutendste Zeichen der Zeit, auf die Anwesenheit nicht
nur vieler Jugendfreunde und Zeitgenossen, sondern ivgar
der Kinder und eines Enkels unsers Dichters Hinweisen.
Ich nenne es das bedeutendste Zeichen der peit, die im
Gegensatz gegen viele frühere, das Verdienst nicht nach
der Last von Jahren, unter der es begraben liegt, mißt,
sondern mit Freuden das gegenwärtige anerkennt, die
gern, was sie aus sich selbst über sich erbeben sah, auch
als das Erhabene feiert. Das mußte einen jeden Anwe-
senden mit dem Schauer der Freude durchdringen, daß
die Kinder des Dichters — und zwar im rüstigsten Alter
— Zeugen des freien Dankes und der Liebe einer Nation
gegen ihren Vater sepn konnten. Das ist mehr als der
Koloß Neros bei seinen Lebzeiten vor dem goldenen Hause
aufgestellt, mehr als das Denkmal des h. Antonius, die
50 Jahre nach seinem Tode ihm erbaute Kirche zu Padua.

Oeffcntliche Blatter haben die genauesten Beschrei-
bungen der Feier, der Fvlgereihe der Gesänge, den In-
halt der Siede re. gegeben; hier genüge es zu erwähnen,
daß, als nach Lindpaintncrs Fesikantate unter dem Ge-
läute aller Glocken und dem Schall der Posaunen das
Standbild enthüllt wurde, zwar ein lauter Freudezuruf
erklang, daß dieser aber bald in dem übermannenden
Gefühl und in Thränen erstickte. Diesen einen Moment
nur hätte Thorwaldsen erleben sollen, um seines Werkes
wahrhaft froh zu werden; ja er hat ihn erlebt, voraus,
ehe ein anderer Mensch ihn gedacht hat; denn in der
That, für diesen Moment ist ihm der Dichter erschienen.
In dieser gänzlichen Anspruchlvssgkeit, in dieser beschei-
denen Haltung, gegenüber der lauten Verehrung von
Tausenden, erkannten wir den Dichter wahrer Seclen-
größe, » nsern Schiller.

Ausgezeichneter Fremden, die dem Feste beiwohnten,
zu gedenken, ist i;ier nicht die Stelle; nur eines Einzigen
Name dürfte hier seinen Platz finden. Wenn mau an
die Einsicht Schillers in die Bedeutung und Aufgaben
der Kunst, an seine Sehnsucht nach ihren Offenbarungen
denkt und an Alles, wodurch er mittel- oder unmittelbar

auf eine Wiederbelebung derselben eingewirkt, so muß
man sich freuen, daß der Drang eines warmfühlenden
Herzens, die wahrhaftigste Pietät gerade den Mann
mitten aus seiner großen und umfassenden Thätigkeit
heraus und zur Feier des Festes vom Dichter der „Künst-
ler" führte, in dem wir den Lenker und Vertreter der
neuen deutschen Kunst verehren, Cornelius. So wurde
seine Anwesenheit allgemein angesehen, und das Anden-
ken an dieselbe wird nicht untergeheu.

8. Abbildungen.

Der Platz mit dem Monument ist aufgenommen und
lithographirt von Ob ach; ein kleines Blatt, auf dem
vorzüglich auf die beiden Gebäude des Kanzleihoss und
des Palastes vom Prinzen Friedrich Rücksicht genommen
ist. Die Statue, die man von ihrer rechten Seite sicht,
verschwindet fast. — Eine zweite Abbildung des Monu-
mentes und Platzes, bei welcher die Stiftskirche den Hin-
tergrund bildet, ist in Lithographie bei M. Renz in
Stuttgart erschienen. Das imponirende Verhälrniß des
Denkmals ist hier gut hervorgehoben. Die Statue indeß
ist gerade im Profil von ihrer linken Seite genommen,
und nimmt sich nicht ganz vortheilhaft aus. — Hanf-
stängel in Dresden hat auf einem großen Blatt das
Monument mit den Reliefs lithographirt; die Ansicht ist
von vorn; die Ausführung ist nicht sehr gelungen, wie-
wohl die Zeichnung lobcnswerth ist. — Eine zweite vor-
dere Ansicht — die Reliefs in kleinen Beigaben — hat
nach Guilielmis Zeichnung des Reliefs von A. Barre
das Lureau Iiumlsmatigne in Paris in Maschinen-Stahl-
stich herausgegcben. Alle Formen sind hier außerordent-
lich präcis wicdergegeben, allein schon der Reliefcharaktcr,
den das Abbild angenommen, führt von der Statue ab.
— Die schönste Ansicht, und diese ist bis jezt noch nicht
ausgenommen, hat man, wenn man sich der Statue von
ihrer vordern linken Seite, also von der Planie her zwi-
schen dem alten Schloß und Kanzleihof, nähert, so weit,
daß sie frei in die Luft, gerade zwischen dem Palais des
Prinzen Friedrich und dem daran stoßenden Giebel sich
absezt, und also von den Reliefs das vordere mit dem
Namen und die Victoria gesehen werden. Von dieser
Seite spricht sich das Motiv der Auffassung am Klarsten
aus und alle Linien treten in die schönste Harmonie. —
Von Stiglmaier, oder wenigstens in seiner Werkstatt,
ist eine große Medaille in Bronze besorgt worden, mit
des Dichters Bildniß auf der Vorder- und dem Genius
der Dichtkunst auf der Kehrseite.

7. Tchlußbcmcrkuug und Wunsch.

Das Denkmal, das nun als eine so große Zierde dcr
Hauptstadt dasteht, und dessen Herstellung ungefähr
4r,noo fl. gekostet har, wobei wohl dankbar erwähnt werden
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