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Morgenblatt für gebildete Stände / Kunstblatt — 20.1839

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https://doi.org/10.11588/diglit.3207#0371
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359

Paar jungen Kätzchen höchst anziehend findet, ohne Zweifel
auch die herrliche Gruppe von Amor und Psyche mehr
antiquarisch als künstlerisch würdigen möge.

(Fortsetzung folgt.)

Gelegen!) eitliches über alte und neue Glas-
malerei in Daycrn.

LH.

Ucbcr Grifaillx,, in tcv m-ucit Hofkirchc zu aNcu .Scillgc»
in Mliiichcn.

ber Kunst ist Nichts unwichtig. Selbst die klei-
nen Späne, die bei ihrem schöpferischen Walten im Großen
und Erhabenen abfallen, sind von Bedeutung, geben Stoff
Zu Folgerungen, und haben zulezt doch wenigstens noch
ein technisches Interesse. So verdienen auch die anspruchs-
losen Grisailleu in der neuen Münchner Hofkirche ihre
Beachtung, und dürfen über die gewaltigen, in aller Herr-
lichkeit des Lichts und der Farbe prunkenden Erscheinun-
gen der neuen Glasmalerei in München keineswegs ver-
gessen oder auch nur mit vornehmer Herablassung betrachtet
werden wollen. Ueberdies ist ihr Daseyn von hohem
Einfluß auf den Totaleffekt, welchen die würdevolle Pracht
des Gotteshauses ans das gläubige Gemüth macht, und
eignet sich deßwegen, auch höheren, rein künstlerischen
Anforderungen Stand zu halten.

Bekanntlich ist die Allerheiligenkirche im byzantinischen
Styl erbaut, und ihre innere Ausstattung, in rein stoff-
lichem Anbetracht, konsequent dieser Manier durchgeführt.
Marmor von ausgesuchter Seltenheit und Schönheit der
Farbe verkleidet musivisch Boden und Wände, Goldgrund
bedeckt alle oberen Räume des Gebäudes und trägt, wie
fcstgehalteues Verklärungslicht, die gemalten Heiligen-
gestalten des alten und neuen Testaments, welche als
besondere Träger der göttlichen Offenbarungen im Iuden-
und Christenthum die symbolischen Beziehungen zwischen
beiden in vier großen Cyklen repräsentircn, und farbiges
Ornament wuchert zwischen durch Alles mit üppigem
Geranke. In förmlichem Anbetracht dagegen gestatteten
die künstlerischen Anforderungen der Gegenwart weder
bei den plastischen Theilen noch den Malereien eine un-
bedingte Wiederholung der byzantinischen Ueberlieferunqen
mit allen ihren Mängeln und Härten, vielmehr schien
hier jene Reinigung und Veredlung derselben an Ort
welche in einem freien Eingehen auf antike Motive'«»!
besten zu erzweckeu stand. Und es zeugt wiederholt von
dem bewunderungswürdigen Takte König Ludwigs, daß
er den Künstlern ausdrücklich anbefohlen, sich i,/Dar-
stellung der ihnen übertragenen Gemälde so viel als

möglich den älteren italienischen Meistern anzuschließen,
deren Kunst das Starre und Häßliche der byzantinischen
Typen gerade auf demselben Weg bewältigt.

Diese Auffassungsweise der Ausstattung nun erwirkt
; es, daß bei aller stofflichen Pracht und dem verfchwende-
I rischsten Glanze aus dem Ganzen eine so ernste Ruhe,
l eine Einfalt, Erhabenheit und Heiligkeit haucht, deren
sanften und doch so gewaltigen Eindruck ich mit keinem
j zweiten vergleichen möchte, womit je ein anderes Gottes-
haus mich umfangen.

Keine unwichtige Aufgabe war es denn, durch die
Art des Fensterverfchlusses die harmonische Stimmung
eines so eigenthümlichen Ensembles nicht zu stören, viel-
mehr ihr möglichst förderlich zu seyn. Waren nun durch
den Baustpl farbige Scheiben indizirt, als welche zur
herrschenden Zeit desselben die Regel bildeten, so waren
sie dennoch ob ihrer bunten, glühenden Reflere zu ver-
werfen , welche die hier besonders bedeutsame Wirkung
der -Fresken aufgehoben hätten. Nicht minder gefährlich
! waren den lezteren die Spiegelungen, welche völlig durch-
j sichtige, weiße Scheiben auf den blanken Flächen des
! Goldes und des Marmors hätten wecken müssen, abge-
. sehen, daß die Modernität des weißen Glases mit der
| Alterthümlichkeit der Bauart im Widerspruch lag. In
rechter Mitte aber zwischen beiden Ertremen standen Gri-
saillcn, und das richtige Gefühl des erhabenen Bauherrn
leitete nicht nur auf die Wahl solcher überhaupt, sondern
z auch auf die paßlichste und geschmackvollste Ausführung
j derselben, die im gegebenen Falle denkbar. Auf dem mit
Schwarzloth gestuppten Grund bilden die freigelassenen
Stellen des matten Glases einfache, aber höchst graziöse
ArabeSken, und indem diese nur eine Fortsetzung des
plastischen Ornaments scheinen, das sie einschließt, und
so, gleich diesem selbst, in der harmonischsten Stimmung
zum Ganzen stehen, ist es eben vollends das Maß des
Lichtes, dem sie den Durchfall verstatten, was der Ge-
sammtwirkung des inner» Gotteshauses den günstigsten
Ausschlag gibt. Ein feierliches Helldunkel webt gleich-
mäßig i» seinen Räumen, dämpft überall den blitzenden
Schein des Goldes und den Spiegel des Marmors, löst
die ernsten Heiligenbilder von ihrem Grunde ab, und
überschattet uns mit einer Ahnung der Gottheit, wie sie
jedem Volke und jeder Zeit in der heiligen Stille der
Dämmerung aufging.

So bedeutsam für das Ganze wird in der Kunst
oft der unscheinlichste Theill

München, s. April 1839. Gessert.
Register
Dr. Gessert: Gelegenheitliches über alte und neue Glasmalerei in Bayern. III) Über die Grisaillen in der neuen Hofkirche zu allen Heiligen in München
 
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